Bürger und Rat im Clinch: Eine Gemeinde streitet um ihr Erbe
In Suderburg bei Uelzen kämpfen Bürger um ihre alte Schule. Einen Bürgerentscheid haben sie verloren. Jetzt ist die Kommunalaufsicht eingeschaltet.
Hamburg taz | In der Gemeinde Suderburg bei Uelzen soll ein Stück Geschichte und Eigenart verschwinden. Am Montagabend wollte der Rat 40.000 Euro freigeben, um den Abriss der alten Schule zu ermöglichen. Um das nach Ansicht seiner Freunde „ortsbildprägenden“ Klinkergebäude aus dem Jahr 1908 gibt es seit Jahren Streit. Die Versuche, den Abriss abzuwenden, sind nach zwei Jahren in einem Bürgerentscheid gescheitert. Doch damit ist die Geschichte noch lange nicht zu Ende.
Weil der Bürgerentscheid nicht korrekt abgelaufen sei, gab es eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. Jetzt überprüft ihn die Kommunalaufsicht. Die Widerborstigkeit der Abrissgegner brachte manche Verwaltungsmitarbeiter so auf die Palme, dass sie ihre bürokratischen Muskeln spielen ließen. Ein kritischer Ratsherr fühlt sich gemobbt.
Die Anzeige hat Andreas Koch gestellt, ein ehemaliger Polizist, der gerade ein Buch mit dem Titel „Das kommt von oben – da können wir nichts machen“ veröffentlicht hat – ein Plädoyer, dass nicht alles hingenommen werden muss, was von „oben“ entschieden werde. Er wisse von Leuten, die keine Abstimmungsbenachrichtigungen erhalten hätten.
Ein Ratsmitglied sei in einem Abstimmungsvorstand tätig gewesen und habe dort auch noch Empfehlungen für die Abstimmung ausgesprochen. In einem anderen Wahlbezirk habe der Abstimmungsvorstand einen Musterstimmzettel mit einem Kreuz gegen die Bürgerinitiative in die Kabine gehängt. Als er dies dem Abstimmungsleiter habe mitteilen wollen, sei er abgeblitzt, sagt Koch.
Etwas feuriger reagiert
Von Fällen, in denen Abstimmungsberechtigte keine Benachrichtigungen erhielten, hat auch der parteilose Ratsherr Götz Schimmack mehrfach gehört. Schimmack fertigte einen Vermerk an und berichtete im Bau- und Wegeausschuss. Gemeindedirektor Wolf-Dietrich Marwede (parteilos) habe dazu nur einen Satz gesagt: „Ich werde dem nachgehen.“
Der taz bestätigt Marwede, dass die Kommunalaufsicht Uelzen Unterlagen angefordert habe. „Alles, was wir beantworten konnten, haben wir zur Verfügung gestellt“, sagt Marwede.
Etwas feuriger reagierte Rüdiger Lilje, der Leiter des Fachamtes Bau. In einer Mail vom 10. Juli teilte er dem Rat mit: „Ich habe heute Morgen bei der persönlichen Postzustellung auf dem Grundstück Schimmack aus meiner Sicht rechtliche Probleme vorgefunden.“
Er habe dazu den niedersächsischen Gemeindebund um rechtliche Prüfung ersucht und auch die Kommunalaufsicht hinzugeschaltet. Er sehe einen sehr engen Zusammenhang mit der Eingabe Kochs und vor allen mit den Aussagen des Ratsmitgliedes Schimmack zum Bürgerentscheid.
Merkwürdiges Vorgehen
Es geht streng und unerbittlich in der Sache zu, finden manche im Ort
In einer Mail an Schimmack schildert Lilje, wie er auf dessen Grundstück „einen aktiven Briefkasten“ gesucht habe. Schließlich habe er eine nicht verschließbare Holzbox gefunden und sein Schreiben dort nicht eingeworfen, weil es nicht öffentliche Teile enthalten habe. „Ich habe im Hause veranlasst, zukünftige nicht öffentliche Post per Einschreiben und Rückschein an Sie zu versenden“, teilt er Schimmack mit.
Dieser hatte sich schon über die merkwürdige Durchstreifung seines Anwesens gewundert. Seit 2011 sitze er im Rat. Nie habe es Probleme mit der Post gegeben, die die gemeindlichen Schreiben ja gemeinhin zustellt. Liljes Anzeigen nennt Schimmack Mobbing. „Wir fragen uns: Was motiviert die andere Seite, in der Sache dermaßen streng und unerbittlich vorzugehen.“
Grund, sich das zu fragen, hätte auch Andreas Paschko, Mitinitiator der Bürgerinitiative. Als er vor einem Jahr vom teilweisen Einsturz des Anbaus der alten Schule hörte, sah er sich den Schaden an und betrat das Gebäude. Die Tür sei aufgebrochen gewesen. „Wir wollten uns überzeugen, dass hier keine Menschen zu Schaden gekommen waren“, sagt Paschko. Er rief die Polizei – und erhielt ein paar Tage später eine Anzeige der Gemeinde wegen Hausfriedensbruchs.
Gemeindedirektor Marwede will sich zu diesen Vorfällen nicht äußern. Lilje sei im Urlaub, der andere Vorfall liege vor seiner Amtszeit. Die Wahlbenachrichtigungen sind für ihn nur eine Ergänzung. „Wir haben öffentlich bekannt gemacht“, sagt Marwede. Jeder hätte nachschauen können, ob er auf der Wählerliste steht.
Dass die alte Schule abgerissen werden soll, erklärt er damit, dass der Abriss nun mal beschlossen sei und eine Sanierung des alten Gebäudes zu aufwendig.