Arbeitsbedingungen in Europa: Lohnsklaverei ist normal
Schwere Ausbeutung von Arbeitskräften ist in der EU weit verbreitet: Der Lohn liegt zum Teil unter einem Euro pro Stunde. Das Ausmaß der Zustände ist unklar.
Jeder fünfte Gesprächspartner traf demnach mindestens zweimal pro Woche auf einen solchen Fall, heißt es in der am Dienstag in Brüssel veröffentlichten Untersuchung. Zum Teil verdienten die Betroffenen nur einen Euro pro Stunde oder weniger, arbeiteten an sechs bis sieben Wochentagen und hätten keinen Vertrag.
Eine klare Definition ist indes schwierig. “Das Projekt hat sich nur mit jenen Formen der Arbeitsausbeutung befasst, die strafrechtlich verfolgt werden können“, sagte Albin Dearing von der FRA. Dabei sei die rechtliche Situation unter den EU-Ländern aber unterschiedlich. In Polen beispielsweise gelten landwirtschaftliche Betriebe laut seiner Kollegin Tapia als Privatgrundstücke, relevante Kontrollen seien schwierig. „Sie können die Bedingungen für die Hühner kontrollieren, aber nicht für die Arbeiter“, beklagte Tapia.
Deutschland gehört laut Bericht zu gerade einmal vier Staaten innerhalb der Europäischen Union, die EU-Bürgern den gleichen Schutz gewähren wie Nicht-EU-Bürgern. Allerdings sei hierzulande unklar, welche Behörde gegen Arbeitsausbeutung vorgehen müsse, bemängelte Dearing. „Es fühlt sich keiner richtig zuständig.“ Die Verhältnisse in der Baubranche geben in Deutschland den Befragten zufolge am häufigsten Anlass zur Sorge. Die Einbindung von Subunternehmern erhöhe das Risiko, betonte Dearing.
„Verbrechen in Verborgenen“
Insgesamt sahen die Teilnehmer der Untersuchung im Bereich Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei das höchste Risiko für Ausbeutung, gefolgt von der Baubranche, dem Hotel- und Gaststättengewerbe, der Beschäftigung im Haushalt und in der verarbeitenden Industrie.
Zahlen zum Ausmaß des Problems in Deutschland oder in der EU liefert die Studie nicht. „Diese Verbrechen geschehen im Verborgenen“, erklärte Tapia von der FRA. „Niemand kann diese Zahlen haben.“ Die Autoren hätten vielmehr nach Ursachen forschen oder Gruppen von Betroffenen identifizieren wollen.
Die Agentur pocht auf bessere Kontrollen und schärfere Gesetze. Vorbildlich seien die Instrumente im Kampf gegen den Menschenhandel. Denkbar sei auch ein staatlich überwachtes Siegel für Produkte, die ohne Ausbeutung entstanden sind.
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