Arbeitsbedingungen an Unis: Klarheit nach sechs und vier Jahren

Das Bundesbildungsministerium hat seine Pläne zur Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes überarbeitet. Kritik gibt es von SPD und Grünen.

Portrait von Bettina Stark-Watzinger

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger Foto: Jörg Carstensen/dpa

BERLIN taz | Gut zwei Monate war es still um die Frage, wie die Ampelregierung die Arbeitsbedingungen an Hochschulen verbessern will. Nach der umfassenden Kritik an ersten Eckpunkten von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) im März sollten die Pläne zur Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) noch mal „zurück in die Montagehalle“.

Am Dienstag nun stellte Stark-Watzinger vor, an welchen Stellen ihr Ministerium noch geschraubt hat. „Vier Jahre nach der Promotion spätestens sollen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wissen, ob sie dauerhaft im System bleiben können oder nicht“, nannte Stark-Watzinger die zentrale Neuerung. „Eine weitere Befristung von zwei Jahren ist dann nur mit Anschlusszusage möglich.“

Damit folgt das Bundesbildungsministerium (BMBF) im Westlichen dem Vorschlag der Hochschulen und Forschungseinrichtungen, die so ein „4+2-Modell“ ins Spiel gebracht hatten. Die bisherige Regelung erlaubt eine Befristung sechs Jahre vor und sechs Jahre nach der Promotion.

Weiter sieht der BMBF-Entwurf erstmalig Mindestvertragslaufzeiten für Pro­mo­ven­d:in­nen (drei Jahre) und so genannte Postdocs für die Phase nach der Promotion (zwei Jahre) vor. Zudem sollen Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf künftig auch für For­sche­r:in­nen gelten, die über Drittmittelprojekte angestellt sind. Die Tarifsperre soll zumindest in Teilen fallen.

Ampel uneins

Stark-Watzinger räumte ein, dass die Vorstellungen über die konkreten Reformpunkte bei den beteiligten Akteuren stark auseinanderliegen – auch innerhalb der Regierung: SPD und Grüne hätten den Referentenentwurf nicht in allen Punkten gutgeheißen. Die Details für die WissZeitVG-Novelle würden daher im parlamentarischen Prozess geklärt. Im Frühjahr 2024 könnte die Reform beschlossen werden.

Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Nina Stahr, sieht an mehreren Stellen Korrekturbedarf. Sie habe sich unter anderem dafür starkgemacht, „gemeinsam mit den Ländern zusätzliche Dauerstellen zu schaffen und Befristungshöchstquoten zu verankern“. Stark-Watzinger sieht hier jedoch die Länder und die Hochschulen selbst in der Pflicht. Vor allem bemängeln die Grünen, dass promovierte Wis­sen­schaft­le­r:in­nen ähnlich wie bisher auch über Jahre befristet werden können. Es sei unklar, wie das Modell „Verlässlichkeit und Planbarkeit erhöhen“ könne, so Stahr, ohne den Druck auf die Betroffenen noch zu erhöhen.

Ähnlich formuliert es auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Carolin Wagner. Sie lobte zwar die Anschlusszusage als „neues Werkzeug“ im Kampf für verlässlichere Karrierewege. Ausschlaggebend sei für die SPD aber die Frage, wann die Anschlusszusage greift. „Unserer Ansicht nach muss dies zügig nach der Promotion erfolgen“, so Wagner. Hier fehlten verlässliche Perspektiven für die Beschäftigten, dass dies tatsächlich zu mehr entfristeten Stellen führt.

Enttäuscht von dem Entwurf äußerte sich das Netzwerk für Gute Arbeit in der Wissenschaft (NGAWiss): „Die nun vorgeschlagene Aufteilung einer an sich schon eher willkürlich gesetzten Grenze von sechs Jahren auf vier Jahre Orientierung und zwei Jahre Bewährung ergibt inhaltlich überhaupt keinen Sinn mehr“, so Mathias Kuhnt zum geplanten 4+2-Modell. Kuhnt befürchtet, dass die Hochschulen mit dieser Regelung „einfach so weitermachen wie bisher“ und keine Verantwortung für mehr Dauerstellen übernehmen.

Der einzige Unterschied sei, dass For­sche­r:in­nen das Ende dann schon nach zehn statt bisher nach zwölf Jahren drohe. Auch GEW-Vorstand Andreas Keller befürchtet, dass Postdocs nach Ablauf der Höchstbefristungsgrenze „auf die Straße gesetzt oder auf weiteren Zeitverträgen in Drittmittelprojekten eingesetzt“ werden. Die Anschlusszusage muss aus seiner Sicht früher kommen.

Das WissZeitVG gibt den Hochschulen seit 2007 ein Sonderbefristungsrecht. Kri­ti­ke­r:in­nen geben ihm eine Mitschuld an der hohen Befristungsquote an deutschen Hochschulen. Nur 17 Prozent des wissenschaftlichen Personals sind unbefristet angestellt. Die jüngste Evaluation des WissZeitVG hatte ergeben, dass etwa ein Drittel bis ein Viertel der Wis­sen­schaft­le­r:in­nen unter Kurzzeitverträgen unter einem Jahr leiden. SPD, Grüne und FDP hatten unter anderem auch deshalb eine Reform versprochen.

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