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Arbeitsämter und LeiharbeitRaus, rein, raus

Nach Kritik wollte die Bundesagentur für Arbeit die Vermittlung von Arbeitslosen in Leiharbeit überdenken. Geändert hat sich bisher wenig.

Zu wenig Vermittlung in langfristige Stellen? Die Bundesagentur steht in der Kritik Bild: dpa

BERLIN taz | Die Kritik war deutlich: Als der Bundesrechnungshof Ende 2012 die Arbeit der Bundesagentur für Arbeit (BA) unter die Lupe nahme, setzte es einen Rüffel. Tenor der Prüfer: die BA räume der Vermittlung in Leiharbeit einen zu hohen Stellenwert ein. Dabei gehe für die Beschäftigten „die hohe Dynamik in der Zeitarbeit mit verschiedenen Nachteilen und Risiken wie einem höheren Entlassungs- und Armutsrisiko einher“. Konfrontiert mit der Kritik sprach auch BA-Chef Frank-Jürgen Weise Anfang 2013 von „Fehlentwicklungen“.

Doch geändert hat sich an der Vermittlungspraxis bislang wenig. Das zeigen neue Zahlen aus einer Anfrage der grünen Bundestagsfraktion an die Bundesregierung. Daraus geht hervor, dass die BA zwischen Dezember 2012 und November 2013 rund 2,2 Millionen Personen in den ersten Arbeitsmarkt vermittelte, 320.000 oder 17,5 Prozent davon in die Leiharbeit.

Der Wert unterscheidet sich damit kaum von älteren Zahlen. Zwischen Dezember 2011 und November 2012, dem Monat, in dem der Prüfbericht des Bundesrechnungshofes erschien, wurden 17,3 Prozent oder 319.000 Arbeitslose in Leiharbeit vermittelt. Und das, wo der Gesamtanteil der Leiharbeit an der sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung bundesweit bei unter drei Prozent liegt.

Beate Müller-Gemmeke, Sprecherin der Grünenfraktion für ArbeitnehmerInnenrechte, kritisierte, dass die BA bisher keinen anderen Weg einschlägt. „Die Kernaufgaben der Bundesagentur für Arbeit ist die nachhaltige und dauerhafte Vermittlung in Arbeit. Die Vermittlung in Leiharbeit ist aber nicht nachhaltig, denn neben niedrigeren Löhnen bedeutet Leiharbeit Unsicherheit.“

Wie groß die Unsicherheit sein kann, zeigen die Zahlen: danach endet für knapp die Hälfte der rund 480.000 Leiharbeiter, die im ersten Halbjahr 2013 gefeuert wurden, der neue Job bereits nach spätestens drei Monaten. Die Leiharbeit ist von enormer Fluktuation geprägt: Arbeitskräfte werden schnell angeheuert, aber ebenso rasch wieder auf die Straße gesetzt - und müssen dann erneut zum Amt.

Schnelle Erfolge für die Vermittler

Trotzdem ist die Vermittlung in diese Stellen für die BA verlockend. Denn für diese Arbeitsverhältnisse laufen besonders viele Stellenangebote auf. Rund 30 Prozent aller bei der BA gemeldeten Jobmöglichkeiten im Jahr 2013 entfielen auf Leiharbeit. Und da bisher jede Vermittlung in eine Stelle statistisch gleich bewertet wurde, können die BA-Mitarbeiter, die an strenge Zielvorgaben gebunden sind, auf dem Papier rasch Erfolge verbuchen.

Die BA legt nun zumindest seit diesem Jahr neue Kriterien an: So wird nun auch bewertet, wie nachhaltig die Intergration in den Arbeitsmarkt ausfällt. Als nachhaltig gelten dabei Vermittlungen in Stellen, die mindestens sechs Monate dauern. "Wir wollen künftig mehr auf die Qualität der Vermittlung Wert legen", sagte Paul Ebsen, einer der Sprecher der BA, zur taz. Dazu gehöre auch, dass künftig in die Bewertung mit einfließe, wieviele Stellen bei kleinen und mittleren Unternehmen erfolgreich besetzt werden konnten.

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4 Kommentare

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  • RS
    Reinhold Schramm

    Hätten wir Gewerkschaften der werktätigen Bevölkerungsmehrheit in Deutschland und keine rechts-sozialdemokratischen "Sozialpartner" der Monopol-Bourgeoisie und Erbschafts-Aktionäre, so hätten wir bereits eine sozialrevolutionäre Emanzipation und sozial-ökonomisch-ökologische Umwälzung der (großen) privaten Eigentumsverhältnisse an gesellschaftlichen Produktionsmitteln!

     

    Eine Zukunft der Arbeit gibt es nur auf der Grundlage des Gemeineigentums an gesellschaftlichen Produktionsmitteln, - in einer qualitativen und sozial-ökonomisch-ökologischen Kreislaufwirtschaft! - der emanzipatorischen Gleichheit (dies beinhaltet keine "Gleichmacherei").

  • RS
    Reinhold Schramm

    "Sie sind verpflichtet jede Arbeit anzunehmen."

     

    Zuletzt hatte ich erstmals - [nach mehr als 30 Vollzeitarbeitsjahren: als gelernter Tischler-Facharbeiter, gelernter Betriebsschlosser-Facharbeiter, Spezialbau-Facharbeiter (Historischer Ausbau, u. a.: Zit. Spandau und Hoftor für Berlin-Museum, Lindenstr.) und gelernter Tischlermeister im Handwerk, Berufsausbilder (von Jugendlichen, Erwachsenen und Berufsschullehrern) und Lehrgangs- und Werkstattleiter: "Lehrer für Fachpraxis" im Berliner Schuldienst (polit. Berufsverbot über die "Gauck-Kommission", seit Nov. 1995, wg. antifaschistischer Zusammenarbeit mit der DDR)]

     

    - einen zeitlich "befristeten Arbeitsvertrag" im MGB Berlin (KBB), als Techn. Mitarbeiter, für nur 62% (von 100% -) der mündlichen Lohnvereinbarung.

     

    Mein vorsätzlich unterbezahlter mtl. Brutto-Arbeitslohn, - als Techn. Mitarbeiter des Martin Gropius Bau (MGB-KBB) -, lag durchschnittlich bei mtl. rd. 2500 Euro bzw. bei ca. 15 Euro-Std. brutto.

     

    Seitdem, seit dem 56. Lebensjahr (2006), nunmehr seit acht Jahren, befinde ich mich in Dauer-Arbeitslosigkeit: ALG I. und ALG II./"Hartz IV", demnächst in Altersrente mit RV-Verlust (minus mtl. rd. 400 Euro) und zusätzlich noch RV-Abschlag etc.

     

    Selbst noch im Jahr 2006, bei meinem ALG I. von Netto 982 Euro, bekam ich vom Arbeitsamt nur ein 'unbefristetes' Arbeitsplatz-Angebot - "bis zur Rente" - in Vollzeit (40 Wo.-Std.) für Netto von 850 Euro bzw. 7,35 Euro-Std. brutto, - als Tischlermeister und Projektleiter.

     

    Im offenen "Hartz-IV"-Strafvollzug und den entsprechenden "Eingliederungsvereinbarung'en", bekam ich nur "Angebote" (u. a. vom JobCenter Berlin Tempelhof-Schöneberg: telefonisch und persönlich vor Ort) für Zeit- und Leiharbeitsfirmen, gegen Befristung und Billiglohn (für unter 30% und 40% vom Tariflohn).

     

    Zuletzt (im 63./64. Lj.) vom zuständigen Beamten die Mitteilung: "Sie sind verpflichtet jede (zumutbare) Arbeit anzunehmen."

     

    Merke: Kapitalfaschismus heute!

  • A
    amigo

    Der einstige Superminister unter Gas-Gerd - Wolfgang Clement - kann sich die Hände reiben.

    Als Chef einer der größten Zeitarbeitsfirmen hat er zu Dienstzeiten als Minister die Weichen bei der BA so gestellt, dass er noch heute sichere Millionen aus dem System zieht.

    Die Zeche zahlen die Sklavenarbeiter.

  • O
    olli

    Lustig! Die Reallöhne sinken mal wieder und offene Stellen gibt es fast nur über Zeitarbeit und/oder befristet.

     

    Dabei wird uns seit Jahren von allen Seiten mit voller Breitseite eingetrichtert, dass wir einen massiven Fachkräftemangel haben und deshalb erhebliche Zuwanderung benötigen..........

     

    Die Realität sieht eben anders aus!