Arbeiten trotz Rente: 450-Euro-Jobber im Ruhestand
Eine Aufgabe behalten, mal rauskommen, etwas hinzuverdienen. Seit der Jahrtausendwende hat sich die Zahl der arbeitenden Rentner fast verdreifacht.
Von der Jahrtausendwende bis 2018 stieg die Zahl der erwerbstätigen Rentner laut Bundesarbeitsministerium von 530.000 auf 1,445 Millionen. Jeder Zwölfte verdient sich heute im Ruhestand etwas hinzu.
Seit Anfang vorigen Jahres ist auch Klaus David Rentner. Doch an ein paar Tagen im Monat geht der 64-Jährige weiter ins Werk, morgens um sechs. 24 Stunden macht er im Monat, rüstet an Fahrzeugen Beleuchtung und Klimaanlagen um, prüft Stromabnehmer. „In erster Linie ist es so, dass ich meine Rente aufstocken wollte“, erklärt der gelernte Starkstromelektriker. Da kam es David gelegen, dass der Chef ihn bat weiterzumachen.
„Senior expert“ nennt die Bahn rund 500 Kollegen, die als Rentner an Bord bleiben. Das Unternehmen will sich ihr Wissen und ihre Erfahrung länger sichern. Den Fachkräftemangel spürt nicht nur der Staatskonzern. Rentner springen für Bademeister in Freibädern ein, damit diese nicht schließen müssen. Sie tragen Zeitungen aus oder bleiben eben in ihren alten Jobs. Unter den Menschen mit 450-Euro-Jobs bilden Rentner laut Bundesagentur für Arbeit inzwischen die größte Gruppe.
Rentner gleichen Personalmangel aus
In den ersten drei Jahren nach Rentenbeginn arbeitet noch fast jeder Dritte, Frauen etwas häufiger als Männer. Das hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung auf Grundlage einer Umfrage ermittelt. Um Fachkräfte zu sichern, bildeten Menschen kurz vor oder in der Rente ein „bedeutendes Aktivierungspotenzial“, heißt es bei dem hauseigenen Institut der Bundesagentur für Arbeit.
Ruheständler sind begehrt. Gerade hat das Land Berlin 250 Lehrer aus der Pension zurückgeholt, weil sonst Personal fehlt. Seit Monaten buhlt etwa auch die Ostdeutsche Eisenbahngesellschaft um Rentner. Sie sollen Züge steuern und im Service tätig werden – doch bislang hat sich nach Unternehmensangaben niemand beworben.
„Jeweils rund 90 Prozent der erwerbstätigen Rentner haben Spaß bei der Arbeit, brauchen den Kontakt zu anderen Menschen oder wünschen sich weiterhin eine Aufgabe“, nennt das IAB die wichtigsten Umfrageergebnisse. Gut die Hälfte der Männer und knapp zwei Drittel der Frauen gaben aber außerdem an, dass sie das Geld brauchen.
Die Rente reicht nicht
Das Arbeitsministerium erwartet, dass künftig noch mehr Rentner arbeiten, weil Lebensentwürfe sich veränderten und die Baby-Boomer-Generation nun in das Alter komme. Sozialverbände verweisen dagegen immer wieder auf die Rentenhöhe, die sie in vielen Fällen für zu gering halten.
Jede zweite Altersrente liegt unter 900 Euro im Monat, wie die Bundesregierung kürzlich mitteilte. Das monatliche Haushaltseinkommen ist meist höher. Laut Rentenversicherungsbericht 2018 hatten Ehepaare bei Haushalten mit einer Person in Rente 2015 im Westen ein Nettoeinkommen von 2572 Euro, in Ostdeutschland von 2257 Euro. Bei Alleinstehenden sind es jeweils 900 bis 1.100 Euro weniger.
„Ich kenne viele, die nebenbei einen Job machen“, sagt Bahn-Elektriker David. „Solange die Gesundheit mitmacht, mache ich das gerne.“ Nächsten Monat wird David 65. Das bedeutet für ihn noch nicht Schluss mit Arbeiten, das 50. Dienstjubiläum ist in Sichtweite. Er denkt daran, dass er dann mehr zur Rente hinzuverdienen darf. Mit dem nächsten Jahresvertrag will er seine Stundenzahl aufstocken.
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