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Arabische Gaspipeline​Erdgas hilft Syrien

Ägyptisches Gas soll die Stromausfälle im Libanon mindern. Diese Lösung ist nicht nur kurzfristig, sondern verschafft auch Syrien Vorteile.​

Im Libanon sind die Preise für Strom aus Generatoren stark gestiegen Foto: Fadel Itani/NurPhoto

Beirut taz | Magen-Darm-Vergiftungen durch unterbrochene Kühlketten, Krankenhäuser, die um Pa­ti­en­t*in­nen an den Sauerstoffgeräten fürchten, und Rechnungen für private Generatoren, die höher sind als die Kaltmiete: Im Libanon ist der Strom knapp, in manchen Gegenden gibt es ihn nur zwei Stunden am Tag.

Abhilfe soll nun Erdgas schaffen, das von Ägypten aus über Jordanien und Syrien in die libanesische Stadt Tripoli fließt. Der von den USA koordinierte Plan, die sogenannte Arabische Gas-Pipeline wieder zu nutzen, ist jedoch politisch brisant – denn sie hätte die Normalisierung Syriens zur Folge. Während die USA noch strenge Sanktionen gegen das Regime aufrechterhalten, nehmen die arabischen Nachbarn für den Deal wirtschaftliche und diplomatische Beziehungen wieder auf. Jahrelang wurde das syrische Regime von den USA und Europa von der internationalen Politik ferngehalten. Nun engagiert es sich wieder in regionalen Abkommen.

Die Pipeline beginnt auf der ägyptischen Sinai-Halbinsel, erstreckt sich über 1.200 Kilometer, kostete rund eine Milliarde Euro und wurde bereits 2003 in Betrieb genommen. Mehrere Male beschädigten jedoch militante Gruppen auf dem Sinai und in Syrien die Leitung.

Momentan fließt Gas nur bis nach Jordanien. Mit dem von Jordanien, Ägypten und Libanon unterschriebenen Deal und Reparaturen an den Rohren soll das Gas über Syrien in den Libanon kommen: Ab Anfang 2022 will Ägypten rund 13 Millionen Kubikmeter Gas pro Tag durch die Pipeline exportieren. Laut libanesischem Energieminister soll das sechs Stunden mehr Strom täglich bringen.

Weil der libanesische Staat bankrott ist und sich den Brennstoff zur Stromgewinnung nicht leisten kann, soll zunächst die Weltbank für das Gas zahlen. Wie viel, ist bisher unklar. Libanons ehemaliger Energieminister Marc Ayoub sagte gegenüber der emiratischen Zeitung The National, der Libanon habe nach 250 Millionen US-Dollar gefragt.

Gas-Importe würden Strompreis erhöhen

„Das ist ein Kredit, doch wer zahlt später dafür?“, fragt Laury Haytayan. Sie ist Expertin in Beirut für den Öl- und Gassektor und Nahost-Direktorin des Instituts zur Steuerung natürlicher Ressourcen (NRGI). „Ohne Finanzreformen ist das nur eine kurzfristige Lösung. Und in ein paar Monaten haben wir wieder das gleiche Problem.“

Bisher bezahlen die Menschen im Libanon teure und umweltschädliche Generatoren. Die Maschinen surren in jedem Gebäude und können nur teilweise die Stromausfälle überbrücken. Aufgrund der Inflation sind sie teilweise teurer als die Kaltmiete geworden.

Durch das importierte Gas dürfte sich auch der Preis für den staatlichen Strom erhöhen. Der orientierte sich bisher an dem offiziellen Umrechnungskurs, den der Staat nicht aufgehoben hat. Mit den neuen Lieferungen könnte sich der Preis künftig an dem Schwarzmarktkurs für Devisen orientieren – und damit um das 16-fache teurer werden.

Der libanesische Stromsektor ist für rund 40 Prozent der Staatsschulden verantwortlich. Jahrelang versackte dort durch Korruption Geld, das System ist marode. Nach der Explosion in Beirut wollte Siemens zwei Gasturbinen spenden, doch das hatte die Regierung abgelehnt. Der damalige Energieminister sagte, der Staat könne die hohen Kosten für den nötigen Brennstoff nicht bezahlen. Nun soll zwar Gas kommen, aber eine vernünftige Infrastruktur steht nicht.

Statt Geld für eine Übergangslösung zu geben, könne die Weltbank beispielsweise für Pipelines zahlen, die alle Kraftwerke in dem Land verbinden, schlägt Haytayan vor. „Das wäre eine nachhaltige Investition.“

Beziehungen zum Assad-Regime

Ein Gewinner der Wiederbelebung der Arabischen Gas-Pipeline ist Syrien. Auch vor dem Hintergrund der Pipeline bauen die Nachbarländer zunehmend wieder ihre Beziehungen mit dem Assad-Regime aus. Um über mögliche Gas- und Stromlieferungen zu sprechen, besuchte eine hochrangige libanesische Delegation im September Damaskus – zum ersten Mal nach Beginn des Kriegs in Syrien 2011.

Zuvor hatten sich Anfang September der ehemalige Energieminister des Libanon, der derzeitige ägyptische Energieminister und seine jordanische Kollegin mit ihren syrischen Counterpart getroffen. Die Verhandlungen kommen in einer Zeit, in der vor allem Ägypten darauf drängt, Syrien wieder in die Arabische Liga aufzunehmen, aus der das Land 2011, wenige Monate nach Beginn des Kriegs, suspendiert wurde.

Der Schritt rückt näher, da auch Saudi-Arabien überlegt, seine Botschaft in Damaskus wiederzueröffnen und Syrien die Teilnahme am nächsten Gipfel der Arabischen Liga zu ermöglichen. Die Vereinigten Arabischen Emirate hatten ihre Botschaft in Syrien bereits 2018 wiedereröffnet. Im November traf der emiratische Außenminister nun erstmals Baschar al-Assad persönlich in Damaskus.

Sachleistungen statt Geld für Syrien

Ägypten muss, will es Gas bis in den Libanon liefern, nicht nur mit diesem ein Abkommen schließen, sondern auch Transfergebühren an Syrien zahlen.Zudem zahlt die Weltbank für die Reparaturen an den Leitungen im Land. Die Regierung in Damaskus würde also nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich von dem Deal profitieren.

Die USA haben zwar unter dem sogenannten Caesar Act wirtschaftliche Strafmaßnahmen verhängt gegen alle, die mit dem Assad-Regime Handel treiben. Doch laut Victoria Nuland, Staatssekretärin im US-Außenministerium, werden die USA die Zahlungen an Syrien von den Sanktionen ausnehmen, da sie unter humanitäre Hilfe fallen. Syrien soll nicht bar ausbezahlt werden, sondern Sachleistungen bekommen.

Eine Hürde bleibt die Herkunft des Gases. Seit 2020 bekommt Ägypten Erdgas aus Israel geliefert. Dieses wird mit der ägyptischen Eigenproduktion vermischt und über die Arabische Gas-Pipeline weiter exportiert. „Sobald das Gas im ägyptischen Markt ist, ist es fast unmöglich zu wissen, welches Gas in den Libanon gelangt“, sagt Haytayan. Der Libanon befindet sich jedoch theoretisch im Kriegszustand mit Israel.

„Das Interessante daran für die libanesische Seite ist, dass Hisbollah und ihre Verbündeten nicht darüber sprechen“, sagt Haytayan. Stattdessen organisierte die schiitische Partei und Miliz Öl-Lieferungen aus dem Iran. Am Freitag (26.11.) brüstete sich Hisbollahchef Hassan Nasrallah damit, Brennstoff im Wert von 2,6 Millionen US-Dollar an NGOs, Gemeinden und Krankenhäuser gespendet zu haben.

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