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Antisemitismusexperte über Arte-Doku„Propaganda als Dokumentation“

„Ausgewählt und ausgegrenzt“ identifiziere Antisemitismus mit Israelkritik, sagt Moshe Zimmermann. Es mangele der Doku an Ausgewogenheit.

Israelkritik ist häufig durch Antisemitismus vorbelastet Foto: reuters
Interview von Susanne Knaul

taz: Herr Zimmermann, die Arte-Dokumentation „Auserwählt und ausgegrenzt“ ist in Deutschland lebhaft diskutiert worden. Wurde die Debatte auch in Israel wahrgenommen?

Moshe Zimmermann: In Israel wurde der Film nur ganz am Rande wahrgenommen. Diese Diskussion war für die Israelis weniger interessant. Anders ist das bei der Regierung, für die der Film sehr wichtig ist.

Sie sagen, der Film sei ganz im Sinne des Ministeriums für strategische Angelegenheiten. Wo sehen Sie ein Problem?

Wenn bloße Propaganda dem Zuschauer als Dokumentation angeboten wird, dann ist das ein Problem. Das, was der Film als Zeugen bietet, ist mehr oder weniger repräsentativ für die Richtlinie der israelischen Propaganda oder der israelischen Politik. Hier wird der Versuch unternommen, für den Antisemitismus die Linken, die Araber und die Muslime verantwortlich zu machen. Man identifiziert Antisemitismus weitgehend mit Israelkritik. Das ist nicht nur einseitig, sondern im Prinzip falsch. Die Hauptgefahr, wenn es um Antisemitismus geht und um Rassismus, kommt noch immer aus dem rechten Flügel und nicht von Randgruppen wie Flüchtlingen, Einwanderern und Linken.

Auf welche Szenen in dem Film beziehen Sie sich mit Ihrem Vorwurf, hier werde Propaganda gemacht?

Wenn man den Zuschauer nicht darauf aufmerksam macht, dass der angeblich neutrale Offizier, der in dem Film das Verhalten des israelischen Militärs während des Gazakriegs verteidigt, der Chef einer NGO ist, die die regierungskritische Gruppe Breaking the Silence bekämpft, dann muss man das Propaganda nennen. Man hätte klar sagen müssen, worauf dieser Offizier abzielt oder man hätte die andere Seite zu Gehör bringen sollen. Beides ist nicht geschehen.

Kann ein Film über Antisemitismus ausgewogen sein?

Wenn es um die Frage geht, woher der Antisemitismus kommt, wo die Schwerpunkte liegen, was eigentlich Antisemitismus ist, dann ist Ausgewogenheit oder besser Sachlichkeit ge­boten. Das fehlte in diesem Film.

Im Interview: Moshe Zimmermann

Professor emeritus an der Hebräischen Universität, geboren 1943 in Jerusalem. Er ist Experte für deutsch-jüdische Geschichte und Antisemitismus.

Erst der Streit über die Ausstrahlung hat dem Film eine internationale Karriere beschert. Was halten Sie von der Entscheidung, den Film zunächst nicht auszustrahlen?

Die falsche Entscheidung war, den Entstehungsprozess des Films nicht zu begleiten. Als der Film als fertiges Produkt vorlag, war es selbstverständlich falsch, Zensur auszuüben. Wer zensiert, setzt sich selbst ins Unrecht und in die falsche Diskussion. Anstatt über Antisemitismus zu reden, geht es nun um Zensur. Das ist für eine sachliche Diskussion zum Thema Antisemitismus natürlich sehr gefährlich.

Woher rührt dieser aufgeregte Meinungskampf um Israel und die Palästinenser?

Es geht um die Diskrepanz zwischen dem, was man über Israel weiß, und dem, was die politische Elite für angemessen oder politisch korrekt hält. In dieser Spannung ist die Stimmung in Deutschland angeheizt. Der gezielte Versuch der israelischen Regierung, den Ton der Diskussion zu beeinflussen, trägt dazu bei, dass die Spannung immer größer wird. Wenn sich jemand gegen die israelische Regierung stellt, wie im April Bundesaußenminister Sigmar Gabriel, dann wird er sofort als Antisemit gebrandmarkt.

Wo verläuft die Grenze zwischen legitimer Israelkritik und Antisemitismus?

Antisemitismus ist ein pauschales Vorurteil gegen Juden. Solange eine Kritik gegen Israel nicht von diesem Vorurteil belastet ist, ist sie legitim und wird auch von sehr vielen Israelis selbst geäußert.

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30 Kommentare

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  • Zimmermann und Knaul - das Dreamteam der deutschen "Israel-Kritik". Dass sich die Taz für dieses tendenziöse Gemacht nicht zu schade ist, tut schon weh.

  • Da es der gesamten Berichterstattung, von weit links nach weit rechts, an Ausgewogenheit mangelt sollte man auch hier nicht überrascht sein. Überraschen tut hier lediglich die Richtung in die unausgewogen berichtet wird. Üblicherweise wird einseitig zugunsten der Palästinenser berichtet. Begründet wird das gerne mit der Position des Underdog, welchen Palästina inne hat.

    Eine kongruente, moralische Bewertung der Pläne und Taten beider Seiten erfolgt schlichtweg nicht, in betracht gezogen werden nur "Machtverhältnisse". Bezweifeln tue ich einzig das es sich in jedem Fall um Antisemitismus handelt. Oftmals steckt dahinter einfach eine tiefe Abneigung gegen den Westen, welchen Israel im Nahen Osten repräsentiert.

     

    Fragen wie: Wo würde ich als Frau / Homosexueller / Ehebrecher im Nahen Osten leben wollen? Würde es Israel bei umgekehrten Machtverhältnissen noch geben? stellt man sich lieber garnicht erst.

  • 8G
    82732 (Profil gelöscht)

    Da diese Diskussion nun schon ganz beim Thema Nahostkonflikt angekommen ist...:

     

    Wer erklärt mir denn mal worin der Unterschied liegen würde zwischen

    a) dem Nahostkonflikt heute und

    b) diesem fiktiven Parallelbeispiel:

     

    Parallelbeispiel: Es sei das Jahr 2017.

    Die Nachkommen von ursprünglich 1945 vertriebenen/aus den dann neu polnischen Gebieten Umgesiedelten deutsche Schlesiern leben immer noch in Barackenstädten rund um Görlitz.

    Beschiessen regelmässig Polen mit Raketen. Schicken Selbstmordattentäter mit Sprngstoffjacken nach Polen in Busse oder Restaurants.

    Und ziehen -auch jetzt 70 Jahre später noch- an einem "Breslau-Tag" durch Berlin, und skandieren, die schlesischen Polen solle man in die Ostsee werfen ... oder schlimmeres.

     

    Aber: beachtliches Beharrungsvermögen...

    • @82732 (Profil gelöscht):

      So weit die eine Seite, die sich in der Tat kontraproduktiv verhält, was ich im realen Fall nicht bestreite. Konsequent weitergesponnen gäbe es 2017 dann aber auch keinen deutschen Staat und die Gegend um Görlitz mit ihren Barackenstädten wäre vom polnischen Militär kontrolliert und hätte lediglich eine korrupte und nicht linientreue Bewohner einschüchternde Eigenverwaltung. Zusatzlich würden im Gebiet der Vertriebenen massiv polnische Siedlungen gebaut, da sämtliche im Frühmittelalter von Slawen besiedelten Gebiete (Sorben und Wenden zeugen davon) zu "Großpolen" gerechnet werden.

      Nun genug mit dem Unfug, denn ich möchte dieses sehr schiefe und ahistorische Beispiel nicht auf die Spitze treiben. (Die Palästinenser haben vor ihrer Vertreibung keinen Weltkrieg angezettelt und ein bereits bestehendes Israel überfallen.)

      Sehen Sie als Schweizer in Ihrem eigenen Konstrukt, wenn es um die andere Seite erweitert wird die Chance für ein friedliches Zusammenleben?

      Der Unterschied liegt, ich sagte es bereits, in der völlig anderen historischen Einbettung. Das gewiss nicht einfache deutsch-polnische Verhältnis mit seiner hoffentlich fortschreitenden Aussöhnung lässt sich mit dem Nahostkonflikt nicht vergleichen. Der Grund liegt aber zumindest für mich nicht darin, dass an letzterem Juden beteilgt sind, für die ander Maßstäbe gälten als für sonstwen.

      Ein reales Beispiel: Die Annexion der Krim durch Putin ist ganauso Unrecht, wie der israelische Siedlungsbau und nur den kritisiere ich, nicht die Existenz Israels als Staat überhaupt, welche auch die Palästinenser als Friedensbedingung anerkennen müssen.

  • Moshe Zimmermanns Argumentation impliziert, dass wenn Israel das von den "Israelkritikern" kritisierte Tun unterlassen und sich im Sinne der Israelkritiker "richtig" verhalten würde, es dann auf arabisch-islamischer Seite mit einem Schlag keine Israelkritik und keinen Antisemitismus mehr gäbe und die Existenz des Staates Israel akzeptiert würde. Natürlich weiß Zimmermann selbst am besten, dass das Unsinn ist und Israel es den Israelkritikern sowieso nie "recht" machen kann. Es gäbe arabischen Antisemitismus auch dann, wenn Israelis ihren Staat komplett aufgeben würden, so wie es arabischen Antisemitismus ja bekanntlich auch schon vor der Gründung des Staates Israel 1948 gab.

    • @Rojas:

      Dass die Aufgabe der aggressiven und völkerrechtswidrigen Instrumente der israelischen Außenpolitik die Kritik daran zumindest deutlich verringern würde, liegt auf der Hand.

       

      Dass der Antisemitismus deswegen "verschwinden" würde, behauptet selbst Zimmermann nicht, und auch sonst niemand. Der hat nämlich ganz andere Ursachen, für die die Juden nicht verantwortlich sind und auch von Zimmermann nicht verantwortlich gemacht werden.

       

      Ihre unwahren und verleumderischen Aussagen über den jüdischen Politologen Zimmermann kann man dementsprechend durchaus als "offenbar antisemitisch motiviert" einstufen.

    • @Rojas:

      Antisemitismus wird es immer geben, also ist es egal was wir davon Betroffenen tun, also machen wir uns erst zurecht unbeliebt, denn beliebt werden wir eh nie sein. Was ist das denn für eine Haltung?

      Auf mich übertragen hieße das: Allen rechtmachen kann ich es sowieso nie, also gehe ich möglichst Vielen auf die Nerven. Lieber echte Feinde als falsche Freunde, die ohnehin nur was von mir wollen.

      Die Fixierung auf Antisemitismus und der Drang ihn überall zu wittern und nicht nur dort, wo er tatsächlich ist, macht paranoid.

      Ist es hilfreich, eine reale Bedrohung ins Unermessliche zu vergrößern, statt sie auf ihr Mindestmaß einzudämmen?

  • Der gesamte Skandal im Zusammenhang mit der Ausstrahlung des Film "Auserwählt und ausgegrenzt - Der Hass auf Juden in Europa" ist ein Beleg für die Worte von Tuvia Tenenbom, der gesagt hat, dass im Deutschland von heute die gleiche Denkweise besteht, wie in den 30ern.

    Man kann dem WDR für die (ungewollte) Ehrlichkeit des sogenannten Faktenchecks, mit dem er unbelesen in sämtliche Fettnäpfchen getreten ist, die man sich vorher nicht einmal vorstellen konnte, nur dankbar sein. Aber das ist ein besonderes Phänomen der christlichen Judenfeindschaft. Denkt man das war's jetzt, schlimmer geht’s nicht, kommt immer wieder jemand, der noch einen oben drauf setzt.

    Die unsäglichen Einlassungen der Frau Pörzgen in der Diskussionsrunde machen ratlos. Zur Aufklärung in Schulen fordert sie „nicht nur vom Holocaust“ zu reden, sondern auch vom „Narrativ der Palästinenser“.

    Die perfide Generalisierung des Holocausts mit dem „Narrativ der Palästinenser“, eine Form der Relativierung des Holocaust, die ja nicht erst Frau Pörzgen erfunden hat, soll die ungeheure Grausamkeit der Deutschen bei der Durchführung des Holocausts verwässern. No shame no limits. Unbelievable.

    • @Günter:

      Auch wenn es Sie erschrecken und verstören wird, die Juden sind nicht das einzige Volk der Erde, welchem in der Geschichte der Menschheit Unrecht angetan wurde. Warum also nicht auch über anderes, aktuelles Unrecht reden?

       

      Welches Recht nehmen Sie sich eigentlich heraus, zu bestimmen, wessen Unrecht es wert ist, gehört zu werden, und wessen nicht? Und wieso ist die bloße Erwähnung der Tatsache, dass es auch anderes Unrecht als die Shoah gab, gleichbedeutend mit einer angeblichen Gleichsetzung?

       

      Entschuldigung, aber wer so argumentiert, der hat offenbar ein schwer gestörtes Verhältnis zu seinen Mitmenschen.

      • @cursed with a brain:

        "Unrecht angetan" - eine ganz originelle Beschreibung des Holocaust. So gesehen ist natürlich alles ein und dasselbe. Und die moralische Bewertung historischer und aktueller Ereignisse wird zum reinen Willkürakt.

  • Es ist das Handeln der israelischen Regierung, das ich seit Jahren kritisiere. Gleichzeitig sehe ich natürlich mit großem Mitgefühl die demokratischen Risse im Volk und nicht nur das Handeln und die Anliegen der Siedler samt ihren Begründungen, sondern auch die engagierten Gegenbewegungen, die von der Regierung bekämpft werden - wie auch Staatsgäste mit ihrem Wunsch nach Kontakten zu beiden politischen Lagern, um sich selbst ein Bild zu machen.

     

    Bin ich nun Antisemit?

  • "Hier wird der Versuch unternommen, für den Antisemitismus die Linken, die Araber und die Muslime verantwortlich zu machen. Man identifiziert Antisemitismus weitgehend mit Israelkritik. Das ist nicht nur einseitig, sondern im Prinzip falsch."

     

    Ja! Habe ich von Anfang an so vertreten. Trotzdem wurden anfangs rund 50% meiner Beiträge nicht freigeschaltet, gerade bei den unsäglich einseitigen und faktenresistenten Artikeln von Rene Martens.

     

    "Wenn man den Zuschauer nicht darauf aufmerksam macht, dass der angeblich neutrale Offizier, der in dem Film das Verhalten des israelischen Militärs während des Gazakriegs verteidigt, der Chef einer NGO ist, die die regierungskritische Gruppe Breaking the Silence bekämpft, dann muss man das Propaganda nennen."

     

    Ich hatte einen ausführlichen Beitrag über "MyTruth" (eben jene Pseudo-"NGO", dessen Gründungsmitglied im Film auftrat) und über die Tatsache, dass der Zuschauer an dieser Stelle vorsätzlich manipuliert wird, geschrieben. Einer jener Beiträge, die dann unter die Zensur der taz fielen.

     

    "Die falsche Entscheidung war, den Entstehungsprozess des Films nicht zu begleiten. Als der Film als fertiges Produkt vorlag, war es selbstverständlich falsch, Zensur auszuüben."

     

    Jein. Autoren und Filmemacher arbeiten immer selbstverantwortlich. Dass die Gremien nicht über eine entscheidende Änderung der Teamzusammensetzung informiert wurde und allein damit der Beitrag seine Berechtigung verlor, lag nicht in der Hand der Sendeanstalten. Ein Klima ständiger Überwachung um solches Fehlverhalten auszuschliessen, wäre der Arbeitsatmosphäre vermutlich sehr abträglich.

     

    Der Film verfehlte letzten Endes die formalen Vorgaben gleich auf mehreren Ebenen. Nicht nur die unabgesprochenen Änderungen von Crew und Thema, auch die schwerwiegenden handwerklichen Mängel in der Umsetzung lassen den Film als "zeigenswert" scheitern. Mit einer inhaltlichen "Zensur", etwa im Sinne einer vom Sender mißbilligten Haltung zum Thema hat das nichts zu tun.

  • Unglaublich - mal wieder in einer deutschen Zeitung und mal wieder Moshe Z. -.

     

    Über seinen "pathologischen" Judenhass sollten Ärzt*innen mit ihm Beratungsgespräche führen ...

     

    "*kritik" zu nennen, wenn einem Menschen einzelne Entscheidungen einer demokratischen Regierung nicht gefallen --- Immer noch, ernsthaft?

     

    Sorry, aber verarschen können wir, die wir gegen JEDEN Antisemitismus ankämpfen - uns doch lieber selbst.

     

    Wer Merkel, kritisiert, nennt das nicht "Deutschlandkritik" ...

     

    Wo bleiben die Kongokritiker, die Indienkritiker, die Japankritiker, ....

     

    Es gibt, das verschweigen Antisemiten ja gerne, einfache Erkennungsmerkmale von Antisemitimus: Die drei Ds.

     

    Und dann zuletzt noch: In der TAZ von der Randgruppe "Linke" zu lesen,... der Qualität des Artikels angemessen.

     

    Zuletzt bleibt immer, warum kritisieren wir vor allem ein Land ständig und immer wieder? Warum verteidigen wir sog. Israelkritiker trotz ständiger Überschreitung der eigentlich klaren Grenzen zum Antisemitismus.

     

    Oder auf gut deutsch gefragt:

     

    Warum können wir - die Nachfahren der Täter*innen - nicht einfach mal die Fresse halten?

     

    Kümmern wir uns doch um unsere Probleme.

     

    Und Moshe Z. empfehle ich einen Besuch Berlins mit Kippe o. ä. am Tag und in der Nähe der Kundgebung zum Al-Kuds-Tag ... Danach bitte noch kurz mitteilen, ob linker und muslimischer und bürgerlicher Antisemitismus eine vernachlässigtere Randerscheinung ist.

    • @Christoph Stolzenberger:

      Habe kein Problem damit, diverse Schlagzeilen und Titel der vergangenen Jahre. z.B. in Griechenland oder Polen als mehr oder weniger berechtigte Deutschlandkritik zu bezeichnen. In weiten Teilen der deutschen Öffentlichkeit kam das so an und es ist gut, dass es möglich ist. Antigermanismus würde ich das allerdings nicht nennen. Im Falle der Vereinigten Staaten wird Kritik oft pauschal als Antiamerikanismus abgetan. Gerade Kritik an demokratisch legitimierter Politik strahlt stärker auf die Gesamtheit der durch sie repräsentierten Menschen zurück als das Handeln von Diktatoren. Ich selbt übe durchaus auch Saudiarabienkritik (ein Blogger wird wegen "Beleidigung des Islams" zu langer Haft und Auspeitschung verurteilt, Frauen dürfen nicht Autofahren), weiß aber, dass das bei den dortigen Verhältnissen wenig bewirken kann. Im Falle Israels hoffe ich hingegen, dass die Hardliner durch den möglichen offenen Diskurs an Boden verlieren und eben nicht Hopfen und Malz verloren gibt. Natürlich gibt es auch Antisemitismus, der sich hinter Kritik an Israels Regierung versteckt, aber nicht sämtliche Kritik fällt unter dieses Verdikt und da fehlt auf allen Seiten der Wille zur Differenzierung. Bleibt Ihnen bei Moshe Zimmermann wirklich nur die Diffamierung, um ihn nicht mehr ernst nehmen zu müssen?

  • 8G
    82278 (Profil gelöscht)

    "Wenn bloße Propaganda dem Zuschauer als Dokumentation angeboten wird, dann ist das ein Problem"

     

    Verstehe. Bei Propaganda in die andere Richtung hat man allerdings weniger skrupel, den Zuschauer recht einseitig zu vereinnahmen:

    https://www.zdf.de/dokumentation/dokumentation/goldman-sachs-eine-bank-regiert-die-welt-100.html

     

    Es wird wohl mit zweierlei Maß gemessen.

     

    Die Hervorhebung des muslimischen Antisemitismus ist lange überfällig und sollte deshalb auch pointiert geschehen.

    • @82278 (Profil gelöscht):

      muslim und semite sind nicht mutuell ausschliesslich. deswegen habe ich probleme mit der sehr anti-semitischen IDF und deren handlungsweise mit palestina semites.

    • @82278 (Profil gelöscht):

      Dass die Entscheidungsträger bei arte und dem WDR jetzt auch noch im Programmbeirat des ZDF sitzen, war mir neu... ansonsten ergibt der Vorwurf des "zweierlei Maß" leider keinen Sinn.

       

      Jérôme Fritel, der Autor des bankenkritischen Films, hat auch einen Film über den IS ("Die Wirtschaftsmacht der Gotteskrieger") gedreht. Sehen Sie den auch als "einseitige Propaganda" oder eher nicht? Und warum?

    • @82278 (Profil gelöscht):

      Interessant, dass Sie - vom Thema Judenhass ausgehend - ganz spontan auf eine Polemik gegen internationale Finanzjongleure zu sprechen kommen.

  • Dass den Medienleuten die Sachlichkeit vergangen ist in den letzten Jahren, verstehe ich. Man konnte ja zuletzt durchaus das blöde Gefühl kriegen, allein möglichst viele möglichst intensive Emotionen könnten ihnen finanziell den A... - äh: das Einkommen retten. Der/die/das geneigte Zuschauer bzw. Leser*in empört sich ja angeblich lieber, leidet oder jubelt mit, als sich „nur“ zu informieren.

     

    Inzwischen gibt es dank ausgeklügelter, direkt aufs Stammhirn zielender Produktwerbung kaum noch Jobs, in denen sich mit Sachlichkeit ein Mehr-Wert generieren lässt. Wo also sollten sie denn alle hin, die Journalisten, Filmemacher oder Publizisten, wenn sich ihre Arbeit- bzw. Auftraggeber urplötzlich alle der Sachlichkeit verpflichten würden?

     

    Das werden sich die Verantwortlichen wohl auch denken – und nicht die Sachlichkeit, sondern die Ausgewogenheit propagieren. In der irr(ige)n Hoffnung, dass ihr geschätztes Publikum den Unterschied nicht rafft – und sich gegensätzliche Emotionen wie physikalische Vektoren zu Null aufaddieren, wenn sie nur hart genug aufeinander prallen. Dabei ist diese Annahme schon längst empirisch widerlegt...

  • 3G
    32795 (Profil gelöscht)

    "Bei Israelkritik handelt es sich nur dann um Antisemitismus, wenn damit verbunden wird, der israelischen Regierung bleibe auf Grund ihres religiös-geistigen Judentums keine andere Wahl oder sie könnte wegen "rassischem Judesein" genetisch gar nicht anders."

     

    Nein, da geht es nicht darum, daß die Regierung "nicht anders könnte". Der Antisemitismus (egal ob völkisch-rassistischer oder religiöser Natur) zeichnet sich dadurch aus, das es egal ist was "die Juden" tasächlich tun, es wird immer entweder als Beleg ihrer Bösartigkeit/Minderwertigkeit ausgelegt, oder, wenn das nicht haltbar ist, als Versuch darüber hinwegzutäuschen.

     

    Ihrer Definition nach wären viele jüdische Hardliner selbst antisemitisch,

    die behaupten nämlich man könne ja aus religiösen oder kulturelloen Gründen gar nicht anders als dort zu siedeln.

    • @32795 (Profil gelöscht):

      Und was wäre ihre Definition für... sagen wir mal "christlich-deutsche Hardliner", die Danzig, Königsberg und die Marienburg massenhaft besiedeln wollen, weil da im 13. Jahrhundert mal christlich-deutsche Kinder im Sand gespielt haben?

       

      Oh, da fällt mir ein, der Deutsche Orden war ja auch in Nahost eine Zeit lang aktiv... also könnte der Hardliner ja auch auf die Idee kommen, seine schicken Panzer - wo er doch sowieso schon durch halb Polen geTigert ist - gleich mal bis über den Bosporus nach Jerusalem zu lenken.

       

      Rein "religiös und kulturell bedingt", versteht sich. Und kein bisschen "antisemitisch", oder?

    • @32795 (Profil gelöscht):

      Das widerpricht meiner Definition m.E. deshalb nicht, weil das "nicht anders können" aus der religiösen oder "rassischen" Minderwetigkeit/Bösartigkeit abgeleitet wird.

      Die Hardliner drehen die Argumente der Antisemiten um und "können nicht anders" wegen religiöser oder kultureller Höherwertigkeit/Gutartigkeit, welche all ihr Tun a priori rechtfertige. Weil der Antisemitismus älter ist und verheerende Folgen gezeitigt hat und noch zeitigt, mag das zwar verständlich sein, macht aber nichts besser. Von Rassismus Betroffene können als Reaktion durchaus selbst zu Rassisten werden. Grundsätzlich minderwertig oder bösartig sind die Siedler nicht, sie handeln und argumentieren trotzdem ungerechtfertigt.

      • @Joba:

        ...gut gebrüllt Löwe!

  • Sicherlich wird von der israelischen und der proisraelischen Rechten in Deutschland versucht, den Antisemitismusvorwurf zu instrumentalisieren. Dies sollte aber nicht zum Umkehrschluss verleiten, dass alles, was sich als Kritik an der israelischen Politik gibt, automatisch koscher ist.

    Es existiert bei nicht wenigen Muslimen und Arabern ein über Generationen anerzogener Hass auf Juden. Wenn man diese Leute reden hört, merkt man schnell, dass es nicht um Frieden und Freiheit für Palästinenser in Koexistenz mit Israel geht, sondern um die Vernichtung der Juden, zumindest im nahen Osten.

    Da die Linke dazu neigt, den Opfer- und Täterstatus strikt nach Gruppenzugehörigkeit zu vergeben und "die Araber" in diesem ethnokollektivistischen Denken seit langem eine Art Lieblingsopfergruppe darstellen, hatte sie auch schon immer die Tendenz, sich einseitig gegen den Staat Israel zu solidarisieren, wobei es ihr oft nicht gelingt, Abstand zum oben genannten Judenhass zu halten.

    Zimmermanns Argument, deutsche bzw. europäische Intellektuelle hätten oft einfach zu wenig Ahnung von den Zuständen in Israel, um zwischen legitimer Kritik und Antisemitismus nüchtern differenzieren zu können, lässt sich genauso umdrehen: Vielleicht unterschätzt auch er aufgrund seiner Fokussierung auf die Oppsition zur israelischen Regierung die Überschneidungen zwischen "propalästinensischem" Aktivismus und Antisemitismus in Europa.

    Dass schließlich die entscheidende antisemitische Bedrohung noch immer von der Rechten ausgehe, ist eine in dieser pauschalen Form unhaltbare Aussage. Zum einen lassen sich die unterschiedlichen politischen Stoßrichtungen zuweilen kaum mehr trennen. Zum anderen spielt bei Übergriffen auf Juden in Europa der Nahostkonflikt inzwischen eine wichtige Rolle. Gewalt gegen Juden ist zu einem nicht unbeträchtlichen Teil Gewalt von Arabischstämmigen und Muslimen. Rassismus lässt sich nicht mit Ignoranz bekämpfen.

  • 3G
    32795 (Profil gelöscht)

    "Wenn es um die Frage geht, woher der Antisemitismus kommt, wo die Schwerpunkte liegen, was eigentlich Antisemitismus ist, dann ist Ausgewogenheit oder besser Sachlichkeit geboten."

     

    Diesen Satz sollte man in Stein meißeln. Die Forderung nach "Ausgewogenheit" ist meist nur der Versuch eigene Propaganda zu platzieren. Propaganda gegen Propaganda aufzuwiegen ist zwar am Ende "ausgewogen", aber halt nicht sachlich. Dann sollte man noch darauf verzichten mangelnde Sachlichkeit zu unterstellen nur weil man seine eigene Propaganda nicht platzieren konnte.

     

    Das sollte eigentlich selbstverständlich sein. Bei allen Konfliktthemen.

     

    Ich habe die Doku selbst noch nicht gesehen, daher kann ich die Forderung nach Sachlichkeit in dem Zusammenhang nicht bewerten, aber generell ist sie schon richtig.

     

    Warum druckt die taz eine Forderung nach etwas das ihrer Abschaffung gleichkäme? Ne, Spaß.

  • Es gibt gute Gründe, die Machart von "Auserwählt und ausgegrenzt" kritisch zu sehen. Worauf allerdings die Gegner des Films grundsätzlich nicht eingehen, ist das Argument der doppelten Standards. In deutschen Medien werden immer wieder einseitig propalästinensische Beiträge gesendet. Ich erinnere mich an eine weinerliche (Selbst-)Darstellung eines palästinensischstämmigen Ehepaars im RBB vor einiger Zeit, die völlig unkommentiert stehen gelassen wurde. Arte sendete vor fünf Jahren die britische Produktion "Gelobtes Land", deren Blick auf die Entstehung des Staates Israel man zumindest antizionistisch nennen kann. Regelmäßig laufen Berichte und Dokumentationen, die Angaben von arabisch dominierten UN-Organisationen und Statements von Terrororganisationen wie der Hamas unkritisch übernehmen.

    Seltsamerweise wurde in solchen Fällen noch nie darüber diskutiert, ob diese Filme überhaupt ausgestrahlt werden sollten. Auch sogenannte (spitzfindig hyperkritische) Faktenchecks und Maischbergeriaden gab es nie dazu.

  • Bei Israelkritik handelt es sich nur dann um Antisemitismus, wenn damit verbunden wird, der israelischen Regierung bleibe auf Grund ihres religiös-geistigen Judentums keine andere Wahl oder sie könnte wegen "rassischem Judesein" genetisch gar nicht anders. Beides setzt das Verschwinden des Judentums als Bedingung für Frieden voraus.

    Wird jedoch die Siedlungspolitik Israels (ausgeführt durch eine demokratisch gewählte Regierung) in den Palästinensergebieten als Unrecht gebrandmarkt, das dem Terror weiteren Nährboden verschafft, ohne diesen deshalb zu rechtfertigen, hat das mit Antisemitismus nichts zu tun. Denn dei Siedlungspolitik ist , entgegen den Behauptungen mancher ihrer Propagandisten weder genuiner Bestandteil der jüdischen Religion, noch liegt sie in den Genen der Siedler, genausowenig wie der Terror in den Genen "der Araber" liegt.

  • "Es mangele der Doku an Ausgewogenheit"

     

    Ist in dem Zusammenhang ein schlechtes Argument. Die thematisch ja zusammenhängenden Dokus über jüdische Brunnenvergifter, die böse Grenzmauer und den Gaza-Krieg zeigen noch weitaus weniger Ausgewogenheit. Da wird man diese eine, einzige Dokumentation durchaus verschmerzen können.

    • 3G
      32795 (Profil gelöscht)
      @TurboPorter:

      Der Ruf nach "Ausgewogenheit" ist der Ruf nach "Gegenpropaganda" nicht der Ruf nach "Sachlichkeit".

       

      Und Sie rufen gerade mit...