piwik no script img

Antisemitismus in den MedienImmer wieder Israel

Zum Gespräch lud die Junge Union unter anderem „Bild“-Chef Julian Reichelt nach Hamburg ein. Der gab sich überraschend ausgewogen.

So wie Antisemitismus sich im ganzen politischen Spektrum finde, finde er sich im Prinzip auch in jedem Medium, sagt „Bild“-Chef Julian Reichelt Foto: dpa

Hamburg taz | Worum es gehen würde, war schnell klar: Mit einem Hinweis auf den „3-D-Test“ in Sachen Israel begann am Freitag eine Diskussionsrunde in der Hamburger CDU-Zentrale. Mit dem Hinweis also auf die drei am häufigsten gegen den Staat Israel gerichteten rhetorischen Instrumente: dessen Dämonisierung, die Anwendung doppelter Standards und, schließlich, die Delegitimierung seiner Existenz. Den „israelbezogenen“ Antisemitismus nannte auch Juliane Wetzel von der TU Berlin als heute verbreitetste Form des Judenhasses; zumindest die, zu der sich Befragte heute am bereitwilligsten bekennen.

Die Junge Union (JU) Hamburg-Eimsbüttel hatte aber nicht nur Wetzel eingeladen, um über „Antisemitismus in den Medien“ zu diskutieren. Ebenfalls aus Berlin angereist war – neben dem Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland, Felix Klein – Bild-Chefredakteur Julian Reichelt. Und der konnte auf die Tradition seines Hauses hinweisen: Eine Karikatur wie jene, die nach dem israelischen Sieg beim Eurovision Song Contest in der Süddeutschen Zeitung erschienen war und die nach Protesten zur Trennung von Blatt und Zeichner führte, so etwas, sagte Reichelt, würde es bei Bild in keine Entscheidungsrunde schaffen, ja nicht einmal „in den Kopf irgendeines Redakteurs“. Die Verbundenheit mit Israel, das Bekenntnis zu dessen Souveränität, das zähle „zur DNA“ des Springer-Verlags.

Überhaupt Reichelt: Der gefällt sich, nicht zuletzt als Twitter-Nutzer, ja im etwas robusterem Auftreten als Gesicht des böse zuspitzenden Boulevards. Umso überraschender vielleicht, wie ausgewogen er nun in Hamburg auftrat, und das in einem Terrain, wo er sich ja unter Freunden wissen konnte. Zwar hatte die JU-Gliederung die Veranstaltung ausdrücklich als öffentlich deklariert, aber die meisten der rund 40 Anwesenden kannten sich dann doch.

Dass sich der Antisemitismus in den Medien nicht trennen lasse von dem in der Gesellschaft insgesamt, sagte Reichelt etwa, und dass die tendenziöse, auf falsche Weise äquidistante Rede über Israel und den Nahostkonflikt auch kein Problem „eher linker“ Medien sei (und auch kein öffentlich-rechtliches): So wie Antisemitismus sich im ganzen politischen Spektrum finde – von der AfD, die Reichelt „nur einen Schritt entfernt von der Holocaustleugnung“ sieht, bis zur Linken, insbesondere „der gleichnamigen Partei“ –, finde er sich im Prinzip auch in jedem Medium. Auf Nachfragen von Moderator Johannes Weiler nannte er dann aber doch ein paar aus seiner Sicht besonders notorische Fälle: neben der SZ noch „Tagesschau“ und „Tagesthemen“ sowie den Spiegel, insbesondere in seiner Online-Ausgabe.

Antworten auf die Hetze

Auch die sozialen Netzwerke mussten Thema sein, und so fiel wiederholt der Name von Facebook-Chef Mark Zuckerberg: Nicht nur war der ja auch einst Gegenstand einer problematischen SZ-Karikatur, er wäre aus Sicht seiner Kritiker auch dringend berufen, konsequenter einzuschreiten gegen das, was auf Facebook so alles gesagt wird.

Bloß: Die deutschen Vorstellungen davon, was zu sagen erlaubt ist und was nicht – sie gelten halt nicht überall, im Mutterland von Facebook etwa, den USA. Und ein Instrument wie das Netzwerkdurchsetzungsgesetz? Greife einerseits zu kurz, befand Reichelt, aber andererseits wolle er es nie in den falschen Händen sehen, etwa denen von AfD oder auch der Linkspartei. Denn dann wäre alles an diesem Abend Gesagte „hate speech“ gewesen, sagte Reichelt.

Was also tun? Mehr als auf die Technik – also etwa das automatisierte Auffinden und Unsichtbarmachen bestimmter Inhalte in sozialen Netzwerken oder juristisches Vorgehen – müsse auf den Diskurs gesetzt werden, da war sich das Podium an diesem Abend unter Freunden einig: Auf Hetze sei am besten mit Gegenrede zu antworten.

Vor diesem Hintergrund äußerte der Antisemitismus-Beauftragte Klein eine interessante Idee: Ihm schwebt eine Agentur vor, die jüdische Nachrichten verbreiten könnte, analog zu denen, die sich einst die beiden großen deutschen Kirchen zugelegt haben.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Wer Israel kritisiert ist automatisch Antisemit - lese ich zwischen den Zeilen. Dass ethische Normen für Menschen jedweder Herkunft gelten: Das fällt hier mal wieder (und sogar bei der taz) unter den Tisch!!? ... Wer sich Israel verbunden fühlt darf oder muss sogar kritisieren.

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @Bogenhaar:

      Sehe ich genauso.

      Dieser sogenannte 3-D-Test scheitert schon daran, dass er jede Kritik an der Existenz des Staats Israel als antisemitisch denunziert: "Wenn andere Völker das Recht darauf haben, sicher in ihrem Heimatland zu leben, dann haben auch die jüdischen Menschen ein Recht darauf, sicher in ihrem Heimatland zu leben."

      Palästina war schlicht nie das Heimatland jener Zionisten, die es für sich in Anspruch nahmen. Jene Zionisten, die den Palästinensern das Rückkehrrecht verweigern, obwohl deren Anspruch auf "verlorene Heimat" um Jahrtausende qualifizierter ist als der ihre und die ihre Ansprüche nicht auf eine Ideologie oder ein Buch zurückzuführen brauchen.

      Wenn man den 3-D-Test ernstnehmen wollte, würde er die Zionisten selbst als Rassisten entlarven, denn sie enthalten jenen, die sie vertrieben haben, das Recht auf Heimat vor, weil sie keine Juden sind.

      Wer vom Antisemitismus reden will, darf vom zionistischen Rassismus nicht schweigen!

      • @849 (Profil gelöscht):

        @Atalaya: " jede Kritik an der Existenz des Staats Israel als antisemitisch denunziert"

        Bislang kritisierten Sie immer den Staat Israel bzw. seine Regierung. Erstmals bekunden Sie unverblümt, dass sie die Existenz Israels an sich kritisieren und Sie werden auch nicht müde, den Juden, die sich als Volk und Nation begreifen, ihre Heimat (Israel) in Abrede zu stellen. Sie wünschen sich also, dass Israel von der Landkarte verschwindet. Wenn Sie die Existenz des jüdischen Staates kritisieren, kritisieren Sie auch die Existenz von Juden. Und das macht Sie zu was?