piwik no script img

Antisemitismus in Sozialen MedienKlage gegen Twitter

Zwei Organisationen klagen gegen Twitter. Die Plattform habe antisemitische Inhalte trotz Meldung nicht gelöscht – auch Holocaustleugnung.

In einem Fall von Schoah-Leugnung sei die Löschung „sogar explizit abgelehnt“ worden Foto: imago

Die Organistation HateAid und die European Union of Jewish Students (EUJS) haben gemeinsam eine Zivilklage gegen Twitter beim Landgericht Berlin eingereicht. Das gaben sie am Mittwoch bekannt. Dabei geht es um sechs Beiträge auf der Plattform, die antisemitische Inhalte verbreiten und teilweise den Holocaust leugnen oder verharmlosen sollen. Diese seien Twitter gemeldet, jedoch vom Unternehmen nicht gelöscht worden. In einem Fall von Schoah-Leugnung sei die Löschung „sogar explizit abgelehnt“ worden, so die Klägerinnen.

Mit dem Vorgehen wollen sie Twitter dazu bringen, sich an seine offiziellen Regeln zu halten. Diese verbieten Angriffe, Bedrohung, Förderung von Gewalt und Holocaustleugnung. HateAid und EUJS wollen eine Grundsatzentscheidung herbeiführen, an der sich Organisationen weltweit orientieren können. Marginalisierte Personen ziehen sich zunehmend aus sozialen Medien zurück, ihre Lebensrealität wird weniger sichtbar. „Durch die hasserfüllten Inhalte hat Twitter darin versagt, Jüdinnen und Juden zu schützen“, sagte Avital Grinberg.

Für die Präsidentin der EUJS stehen Angst und Müdigkeit hinter dem Rückzug vieler Menschen. Tatsächlich nutzen Rechte diesen Mechanismus als Taktik: das sogenannte „Silencing“. Hinzu kommt die Gefahr des stochastischen Terrors, also des verbalen Hasses, der dann zu physischer Gewalt führen kann.

Um welche Beiträge es sich bei den sechs Fällen konkret handelt, wollten die Organisationen nicht offenlegen, um deren Inhalte nicht zu reproduzieren. Jedoch stammen sie laut HateAid-Juristin Josephine Ballon alle aus den letzten drei Monaten, also der Zeit nach der Twitter-Übernahme durch Elon Musk. Dieser hatte kurz nach seinem Kauf mehrere Tausend Mit­ar­bei­te­r*in­nen entlassen – unter anderem im Bereich Moderation, der gemeldete Beiträge überprüft und gegebenenfalls löscht.

„Ich kann nicht behaupten, dass Twitter gar nicht löscht“, sagte Josephine Ballon der taz, „aber es ist sehr wenig.“ Sie sei schockiert davon, wie willkürlich dabei vorgegangen werde. So bekäme man, wenn man einen Tweet melde, mal am gleichen Tag, mal erst eine Woche später eine Nachricht, dass die Meldung überhaupt eingegangen sei. Öffentliche Angaben von Twitter, wie viele Meldungen tatsächlich zur Löschung von Beiträgen führen, gibt es nicht. Das Center for Countering Digital Hate kam 2021 in einer Untersuchung zu einem Ergebnis: Bei 137 untersuchten gemeldeten Tweets mit antisemitischen Inhalten handelte Twitter nur in 15 Fällen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • 6G
    666757 (Profil gelöscht)

    Hoffentlich hat die Klage Erfolg!



    Auch mit Blick auf die ganzen Arbeitslosen, die er verursacht hat, sollte ein Zeichen gesetzt werden, sich von solch weichgepinselten Multimilliardären nicht alles bieten zu lassen, schon gar nicht diffamierende Inhalte …