Antisemitismus in Deutschland: Keine Normalität für Jüd*innen
Die Aufmerksamkeit lässt nach, die antisemitische Bedrohung nicht. Zentralratspräsident Josef Schuster fordert mehr Einsatz gegen Judenhass.
Alle drei beklagten das Ausmaß der antisemitischen Gewalt, die sich weiter in Drohungen, Übergriffen und brutaler Gewalt äußere. Von einer „Welle des Judenhasses“ mit Israelbezug sprach Klein. Die Jüd*innen in Deutschland seien im Angesicht der permanenten Bedrohung gezwungen, sich aus Teilen des öffentlichen Lebens zurückzuziehen, Empathie erführen sie von ihren nicht-jüdischen Mitbürger*innen nur selten. Klein: „Für Juden und Jüdinnen ist keine Normalität eingekehrt, anders als für die deutsche Mehrheitsgesellschaft.“
Auch wenn ein Großteil der aktuellen Taten mutmaßlich einen islamistischen Hintergrund hat und mit dem Nahostkonflikt in Zusammenhang steht, forderte Schuster, die Bedrohung durch Rechtsextreme nicht zu unterschätzen. Er begrüßte die Demonstrationen gegen die AfD in den letzten Wochen. Viele Menschen in Deutschland seien offenbar „aufgewacht“ und hätten erkannt, welche Gefahr von der Partei ausgehe.
Schuster berichtete aber auch von vereinzelten antisemitischen Vorfällen am Rand der Demos im Zusammenhang mit der anti-israelischen Haltung bestimmter linker Gruppen. Schuster sieht hier Antisemitismus als „Schnittmenge“ zwischen extrem rechten und einigen extrem linken Gruppen. Und Klein sagt: „Der Slogan ‚Free Palestine from German Guilt‘ ist nichts anderes als die Forderung nach einem Schlussstrich bei der Erinnerung an die NS-Verbrechen.“
Empathie und Solidarität zeigen
Schuster verwies auch auf die gerade anlaufende Kampagne des Zentralrats: „Stoprepeatingstories soll zeigen „dass Antisemitismus kein Problem der Vergangenheit ist, sondern im Hier und Heute passiert – täglich“, wie es auf der Website heißt. An Medien und Gesellschaft hat er klare Erwartungen: „Für das Sicherheitsgefühl der Juden hier ist es wichtig, dass Empathie und Solidarität gezeigt wird und Täter und Ursachen klar benannt werden.“ Ein zentrales Element zur Bekämpfung des Antisemitismus sieht er in politischer Bildungsarbeit und der Sensibilisierung von Lehrkräften.
In Richtung von Politik und Behörden sagte Schuster: „Antisemitismus muss konsequent verfolgt und bekämpft werden.“ Klein plädierte in diesem Zusammenhang für weitere Verbote von islamistischen Zentren sowie für eine Verschärfung des Volksverhetzungsparagrafen, um Antisemitismus noch besser bekämpfen zu können.
Despot kündigte an, die Arbeit ihrer Stiftung weiter zu intensivieren und insbesondere Projekte fördern zu wollen, die sich im Internet – dem „Epizentrum“ der Hetze – gegen Judenhass wenden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
SPD-Linker Sebastian Roloff
„Die Debatte über die Kanzlerkandidatur kommt zur Unzeit“
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus