Antisemitismus-Resolution vor Gericht: BDS-Regeln bislang kaum durchsetzbar
Die aktuelle Antisemitismusresolution des Bundestags kollidiert mit der Meinungsfreiheit. Vereine klagten gegen Verbote bei der Anmietung von Räumen.
Im Mai 2019 beschloss der Bundestag mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, FDP und großen Teilen der Grünen-Fraktion eine Resolution mit dem Titel „Der BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten – Antisemitismus bekämpfen“. BDS steht für „Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“. Mit der internationalen Kampagne versuchen propalästinensische Aktivist:innen, Israel unter Druck zu setzen. Die Kampagne ist umstritten, weil sie teilweise nicht nur die Räumung völkerrechtswidrig besetzter Gebiete durch Israel fordert, sondern auch das Existenzrecht Israels in Frage stellt.
In der Bundestagsresolution hieß es: „Die Argumentationsmuster und Methoden der BDS-Bewegung sind antisemitisch.“ Der Bundestag wolle deshalb „Organisationen, die sich antisemitisch äußern oder das Existenzrecht Israels infrage stellen“, keine Räumlichkeiten und Einrichtungen mehr zur Verfügung stellen. Außerdem sollen solche Projekte nicht mehr finanziell gefördert werden. Bundesländer und Kommunen wurden aufgefordert, dieser Linie zu folgen.
Versuche, gegen die Resolution vorzugehen, scheiterten
Tatsächlich folgten viele Kommunen dem Aufruf des Bundestags und fassten eigene Anti-BDS-Beschlüsse. Besonders weitreichend war der Beschluss des Stadtrats von München, der in kommunalen Räumen jede Diskussion über die BDS-Bewegung verbot. Nicht einmal eine Diskussion über den Stadtratsbeschluss war möglich.
Doch die Veranstalter einer verbotenen Diskussion klagten sich erfolgreich durch die Instanzen. Im Januar 2022 entschied dann das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, dass der Münchener Stadtratsbeschluss gegen die Meinungsfreiheit verstößt. Es sei nicht möglich, bestimmte unerwünschte Meinungen auszugrenzen. Die Meinungsfreiheit gelte unabhängig davon, ob die Meinung „als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt wird“. Einen ähnlichen Prozess verlor im April 2022 auch die Stadt Stuttgart.
Vermutlich gewinnen Initiativen die meisten Prozesse gegen Anti-BDS-Raumverbote, insbesondere seit einem Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts 2022. Dennoch ist es für die Aktivist:innen lästig, aufwendig und auch stigmatisierend, wenn sie sich immer wieder neu ihr Recht einklagen müssen. Versuche, direkt gegen die Bundestagsresolution vorzugehen, scheiterten jedoch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen