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Antifa-Aktion von „Politische Schönheit“Eine Falle für Neonazis?

Die Aktionsgruppe hat nach Neonazis in Chemnitz „gefahndet“. Durch ihre Suchanfragen auf der Website hätten sich Rechte selbst enttarnt, sagt die Gruppe.

Insgesamt sind dem ZPS zufolge etwa 1.500 Beteiligte an rechten Demos identifiziert worden Foto: imago/HärtelPRESS

Berlin epd | Die Künstler- und Aktivistengruppe „Zentrum für politische Schönheit“ (ZPS) hat ihren umstrittenen „Online-Pranger“ gegen mutmaßliche Neonazis beendet. Am Mittwoch wurden sämtliche Fotos von mutmaßlichen Rechtsextremisten, die an den rechten Demonstrationen und Krawallen Ende August in Chemnitz beteiligt gewesen sein sollen, von der Website soko-chemnitz.de heruntergenommen.

Stattdessen bedankt sich das ZPS auf der Seite bei zahlreichen Neonazis, die sich durch die Betätigung der Suchfunktion auf der Internetseite selbst entlarvt hätten. Die Aktion sei ein Erfolg gewesen, sagte ZPS-Gründer Philipp Ruch am Mittwoch in Berlin.

In nur drei Tagen habe die umstrittene Website rund 2,5 Millionen Besucher gehabt. Mit der heftigen Kritik an dem „Online-Pranger“ habe die rasche Abschaltung nichts zu tun, sagte Ruch.

Insgesamt sind dem ZPS-Gründer zufolge etwa 1.500 Beteiligte an den rechten Demonstrationen in Chemnitz von Ende August identifiziert worden. „Die Aktion war eine Falle, ein sogenannter Honeypot, wie auf der Website jetzt nachlesbar ist“, sagte Ruch. Innerhalb von drei Tagen sei ein „riesiger Datenschatz“ entstanden. Über einen Algorithmus könne nun ein breites Netzwerk des Rechtsextremismus in Deutschland abgebildet werden.

Heftige Kritik

„Das ist das Relevanteste, was es an Daten in Sachen Rechtsextremismus in Deutschland aktuell gibt“, erklärte Ruch weiter. Dafür könnten sich auch zahlreiche Behörden interessieren. „Wenn zum Beispiel der Bundesinnenminister mehr wissen will und Lust auf einen Kaffee mit uns hat, dann soll er vorbeikommen“, sagte Ruch. Horst Seehofer (CSU) müsse sich dann vom ZPS-Team allerdings „auch ein paar kritische Töne anhören für das, was er in diesem Jahr geliefert hat“.

Die Künstler- und Aktivistengruppe hatte am Montag die Seite www.soko-chemnitz.de freigeschaltet. Sie rief dazu auf, die Beteiligten zu identifizieren und deren Arbeitgeber zu informieren. Die Aktion war auf heftige Kritik gestoßen, unter anderem waren mindestens neun Strafanzeigen gegen das ZPS eingereicht worden.

Der Deutsche Kulturrat sprach von einer „problematischen Kunstaktion“. Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums betonte am Mittwoch, das Monopol zur Strafverfolgung liege beim Staat und den Polizei- und Justizbehörden – „und da soll es auch bleiben“. Für Fahndungsaufrufe würden strenge Regularien gelten.

Vor rund einem Jahr hatte das „Zentrum für politische Schönheit“ mit einem Nachbau des Holocaust-Mahnmals in Thüringen bundesweit Schlagzeilen gemacht. Damit sollte gegen eine Rede des thüringischen AfD-Chef Björn Höcke vom Januar 2017 in Dresden protestiert werden. Darin hatte der Politiker mit Bezug auf das Berliner Mahnmal von einem „Denkmal der Schande“ gesprochen. Auch bei dieser Aktion des ZPS gab es mehrere Dutzend Strafanzeigen gegen die Künstlergruppe, die bislang alle erfolglos blieben.

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29 Kommentare

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  • Ich hatte die Gelegenheit, Herrn Ruch bei einem Vortrag diesem Herbst an der hiesigen Universitätzu hören. Einiges, dass auch andere Aktionen des ZPS auszeichnete, scheint hier ebenso zu funktiuonieren:



    1. Die Aktion ist ist eine Kunstaktion, was gern in der Erregung vergessen wird. Wir verfolgen gerade eine genau durchchoreographierte Inszenierung, genauer wir sind ein Teil von ihr.



    2. Die Reaktionen von Medien, von Staatsorganen und von uns selbst als zu erregendes Surrogat der Zivilgesellschaft sind weitgehend im Voraus eingeschätzt und eingepreist, sind Teil des Spiels. Aktuelle, nicht vorgesehene Entwicklungen werden im Sinne der Aktion in den laufenden Prozess eingearbeiet.



    3. Der Kunst-Prozess ist somit dramaturgisch aufgebaut, einmal klassisch tragisch z.B. beim "Flüchtlinge fressen" auf ein trauriges Ende hin, hier eher in der scheinbar komödiantischen Version, dass aus der Aktion auf einmal ein "Honigtopf" geworden sein soll. Was als weitere Wendung ggf. folgen wird, wissen wir aber noch nicht.



    4. Kunst wird hier in einem aufklärischen Sinne verwendet: Die Realität wird zur Wirklichkeit entstellt.



    5. Wir können getrost versichert sein, dass ZPS auch dieses Mal sämtliche juristische Grob- und Feinheiten durch seine Anwälte durchgeprüft hat, nicht ohne Grund wird ZPS in der Woche vor der Aktion auf ihrer Facebookseite gepostet haben, dass es bisher alle (!) Prozesse gewonnen hat.



    6. Vieles wird sich anschließend als inszeniert, geschauspielert also als künstliches Produkt erweisen, auch Fotos. Die "Überwachuing" Höckes bestand z.B. aus einfachen Baumarktmaterial und hat natürlich nicht funktioniert.



    7. ZPS hat nicht vor, die Rechten zu bekehren o.ä., sondern sie und die sie umgebende und reflektierende Gesellschaft vorzuführen. Am Ende werden wir wieder ein mehrdimensionales, Fragen aufwerfendes und nicht beantwortendes Bild haben. Es wird den normalen Demokraten entweder verwirrt oder im guten Sinne aber verunsichert haben. Dafür hat ZPS meinen Dank.

  • Und was machen die, wenn die Nazis wegen Art. 21 Abs.1 DSGVO der Verarbeitung widersprechen?

    "1Die betroffene Person hat das Recht, aus Gründen, die sich aus ihrer besonderen Situation ergeben, jederzeit gegen die Verarbeitung sie betreffender personenbezogener Daten, die aufgrund von Artikel 6 Absatz 1 Buchstaben e oder f erfolgt, Widerspruch einzulegen; dies gilt auch für ein auf diese Bestimmungen gestütztes Profiling. 2Der Verantwortliche verarbeitet die personenbezogenen Daten nicht mehr, es sei denn, er kann zwingende schutzwürdige Gründe für die Verarbeitung nachweisen, die die Interessen, Rechte und Freiheiten der betroffenen Person überwiegen, oder die Verarbeitung dient der Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen."

    Diese Gründe dürfen einem Gericht nur schwer glaubhaft zu machen sein. Wir wollten mal wissen wer hier alles bei rechten Aufmärschen mitmacht ist schon mal keiner. Das scheint mir nicht durchdacht zu sein.

  • Cool, einfach lässig.

  • wow. fantastisch.



    und die daten direkt den behörden anzubieten ist super. denn eigentlich ist die fahndung ja deren aufgabe. mal sehen, wann sie die daten abholen. wir werden vermutlich davon erfahren.

    interessant auch, zu sehen, was hinter den kulissen von big data so geht. facebook macht das selbe ja jeden tag mit den paarhundert millionen menschen (den reicheren paarhundertmillionen).

    • @chn:

      "Fahndung" ist genau das Problem. Wenn der Staat fahndet, dann nach Straftätern. Geht es hingegen nur um unerwünschtes Gedankengut, verbieten sich derart repressive Maßnahmen. Die Datenbank der Polit-Schönen dürfte an der Stelle ziemlich unspezifisch sein, weil sie nicht anhand der Suchanfragen unterscheiden können dürfte zwischen Leuten, die denken, sie könnten als Neonazis denunziert worden sein und solchen, die echte Straftaten begangen haben.

      Allein die nur Neugierigen herauszufiltern, dürfte schon ein Haufen Arbeit sein. Denn Jeder, der einen wahren Feind hat, kann theoretisch so einer Denunziation zum Opfer fallen, selbst wenn er nie in die Nähe einer rechten Veranstaltung gekommen ist. Weiß er von dem Feind, kennt also diese Gefahr, oder ist einfach neugierig, schaut er vielleicht einfach mal nach. Wenn jetzt die Betreiber der Website kommen und zu völlig Unschuldigen sagen "Sorry, mitgefangen, mitgehangen.", dann kann man ihnen das nur zu einem gewissen Grad verbieten, aber für die Polizei sind solche Ermittlungsmethoden höchst problematisch bis tabu.

  • Wirkt, als ob man sich erwischt fühlt und nun den erkennbar allernächsten Rettungsanker als ursprünglichen Plan ausgibt.

    • @Thomas Schöffel:

      Find ich nicht... Die Programmierung lag ja vor, als die Webseite geschaltet wurde...

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Frage wenn man auf die Website gegangen ist und einfach anderer Leute Namen eingegeben hat, tauchen die da jetzt auch auf?



    Wissen die Damen und Herren gegen wie viele Datenschutzregeln sie da verstoßen?

  • Die Aktion gegen die feigen, braunen Totschläger ist verhältnismäßig.



    Die Frage ist eher, warum nicht längst öffentliche Fahndungsaufrufe der Behörden erfolgt sind?



    Zu RAF-Zeiten war man da deutlich gründlicher und schneller!

  • Honeypot, Algorithmus, Datenschatz .. auf technische Details bin ich gespannt.

    • @RRunkel:

      Die technischen Details sollten recht einfach sein, aber das social engineering dahinter find' ich faszinierend.

      • @BigRed:

        Die gewonnenen Daten sind meiner Ansicht nach bzgl. ihrer Aussagekraft nichts wert (s.u.). Um sie entsprechend einzuordnen bedürfte es schon einer künstlichen Hyperintelligenz und das ist ja bekanntlich noch Neuland.

        • @RRunkel:

          Sie unterschätzen die Möglichkeiten, die ganz klassischer Statistik innewohnen. Und, wie ebenfalls weiter unten erwähnt, wenn sich die Netzwerktopologie immer wieder ändert, besteht eine recht grosse Chance, dass der Teilbereich falsch ist. Falls sie sich aber stabilisiert und u.U. noch durch zusätzliche Daten verstärkt wird (Stichwort Kantengewichtung), ist stark zu vermuten, dass es sich um ein realweltliches Muster handelt und keinen Zufall.



          Grundsätzlich könnte man sowas durch adversarial learning unterlaufen (mir fällt leider keine ordentliche deutsche Übersetzung ein), aber dafür müsste man davon ausgehen, dass das System eben versucht zu lernen. Und das hat bis zur Nachricht des ZPS niemand angenommen.

          • @BigRed:

            In die Tiefen des Fachs kann ich Ihnen da leider nicht folgen.



            Mir geht es auch mehr darum, wer da auf welcher Grundlage und mit welchem Vorwurf verfolgt, beobachtet etc. werden soll. Was sollen die Daten da hergeben bei 2,5 Mio Zugriffen? Der Rechtsstaat ist keine Einbahnstraße und gerade da wo es schwerfällt erweist er sich als solcher.

  • Die Aktion ist auf jeden Fall megawichtig, aber die Ergebnisse sind kein Anlass für Optimismus.

    • @KnorkeM:

      Worin sehen Sie die Wichtigkeit dieser Aktion?

  • "Mit der heftigen Kritik an dem „Online-Pranger“ habe die rasche Abschaltung nichts zu tun, sagte Ruch."

    Ach was. Es ist doch offensichtlich, daß die gesamte "War von Anfang an eine Falle Sache" nur der Plan B für den Fall war, daß die "Aktion Online Pranger" nicht gut ankommt.

    • 9G
      90634 (Profil gelöscht)
      @Der Mann, der unter einem Stein hervorkroch:

      Falls jetzt keine relevanten Daten geliefert werden: ja. Falls doch: nö. Aber tut natürlich gut, erstmal an die Macht des eigenen Ärgers zu glauben.

  • Warum soll jemand auf einer Website, die explizit nach Namen sucht, seinen eigenen Namen eingeben? Unlogisch.

    • @Frank Erlangen:

      Um zu wissen, ob der eigene Name bereits einem Foto zugeordnet worden sei.

      • @BigRed:

        Ich hätte auch andere Leute abgefragt.

        • @rero:

          Ja, die der Kollegen. Deswegen häufen sich die echten Namen.

        • @rero:

          Richtig, das beschreibt das ZPS auch: dass sie davon ausgehen, dass als nächstes Freunde und Familie abgefragt werden, die dabei waren.



          Mittels statistischer Tests und der Auswirkung der Stabilität und Strukturen des sich entwickelnden Netwerks kann man filtern, um die rauszunehmen, die zufällig suchen oder tatsächlich dachten, bei der Identifikation von Rechten mitzuhelfen.

          • @BigRed:

            Mittels statistische Tests soll man due rausfiltern, die zufällig suchen?

            Hört sich für mich nach einer genauso so großen Luftnummer an, wie das ZPS sie bisher auch immer praktiziert hat.

      • @BigRed:

        Ich hab jedenfalls mal die Nachbarn gecheckt - man weiß ja nie.

    • @Frank Erlangen:

      auf der startseite wurden immer nur 20 menschen angezeigt, bei einem 'angeblichen' fundus von 1500 Personenl, kann man sich da schon mal selbst suchen

    • 9G
      90634 (Profil gelöscht)
      @Frank Erlangen:

      Weil man wissen will, ob man selbst in der Datenbank zu finden ist, da man wenn man selbst an der Demo teilgenommen hat durchaus erwarten kann, auf einem der Fotos und bereits "enttarnt" zu sein.



      Mit Logik haben Sie es nicht so, oder?

  • Ja wie geil ist das denn?



    Eine Kunst! Zweifellos!

    • @Tom Farmer:

      Derartige Kunststückchen beherrschen rechte Websites von Beginn an. Gerade im Netz ist es essentiell, den Feind zu identifizieren und ihm keinerlei Raum auf dem eigenen Territorium zu gewähren sondern den Kampf auf seinem Territorium zu führen.



      Während alle linken oder liberalen Meinungsforen von Bots und Frührentnern mit Masse geflutet werden wirst Du es nicht schaffen eine feindliche Meinungsäußerung in einem rechten Forum unterzubringen. Und wenn Du es testhalber mal mit einer rechten Äußerung versuchst, wirst Du feststellen, dass das auch nicht mehr geht weil sie Deinen Account schon geblacklisted haben.