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Antibiotika-Verbote im Öko-StallBioland ändert Richtlinie

Der Bioland-Verband erlaubt Bauern, Tieren bestimmte Antibiotika zu geben – entgegen den eigenen Regeln. Jetzt schreibt er seine Vorschriften um.

Ferkel dürfen Antibiotika bekommen – sogar in der Öko-Haltung Foto: dpa

Berlin taz | | Nach einem kritischen taz-Artikel will Deutschlands größter Ökobauernverband Bioland seine Richtlinien zum Verbot bestimmter Antibiotika und anderer Medikamenten ändern. Bioland-Sprecher Gerald Wehde kündigte am Freitag im Gespräch mit der Zeitung an, „dass wir die Richtlinien anpassen werden – also transparent machen, dass wir Ausnahmegenehmigungen erteilen und unter welchen Bedingungen.“

Zentrales Kriterium werde sein, dass ein Tierarzt keine andere Behandlungsmöglichkeit sieht. Die Entscheidung für die Reform treffe die Bundesdelegiertenversammlung des Verbands, „aber das haben wir jetzt in die Wege geleitet“. Wehde hatte den Plan bereits in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung angedeutet, die die Recherche der taz aufgriff.

Auch der viertgrößte Öko-Verband, Biokreis, der ebenfalls mehrere Medikamente verbietet, hat nach dem taz-Artikel angekündigt, seine Richtlinien zu überarbeiten. „Nun wird sich eine Arbeitsgruppe mit den Anwendungsbeschränkungen und -verboten auseinandersetzen, sie neu bewerten und überarbeiten“, teilte die Organisation mit.

Vor der Kritik in der taz hatten beide Verbände öffentlich darauf beharrt, es sei kein Verstoß gegen ihre Richtlinien, wenn Bauern Medikamente anwenden, die von den Organisationen verboten worden sind.

Verbraucherschützer zufrieden

Armin Valet, Ernährungsexperte der Verbraucherzentrale Hamburg, begrüßte die Pläne von Bioland. „Der Verband bleibt damit Vorreiter beim Thema Antibiotika.“ Das Verfahren für die Ausnahmegenehmigungen sei dann transparent. Da es nur um wenige Tiere geht, hält Valet es für vertretbar, wenn diese weiter als Bioland-Tiere verkauft werden.

Die taz hatte am Dienstag berichtet, dass Bioland in Einzelfällen bestimmte Antibiotika und andere Medikamente in seinen Ställen erlaubt – obwohl die Präparate laut Richtlinien der Organisation untersagt sind. Darunter sind auch Reserveantibiotika, die laut Weltgesundheitsorganisation besonders wichtig für die Behandlung von Menschen sind. Mit dem Verbot des Einsatzes im Stall wollte Bioland dazu beitragen, dass Keime gegen diese Medikamente nicht so schnell resistent werden.

taz.am wochenende

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Bioland-Sprecher Wehde erklärte in dem Text, dass 2014 35 Ausnahmegenehmigungen „zur Einzeltierbehandlung“ erteilt worden seien. Als Rechtsgrundlage nannte er nicht die Richtlinien, sondern eine „interne Anweisung“. Daraufhin waren viele Leser empört, aber nicht wegen der irregulären Ausnahmegenehmigungen, sondern weil die taz das Thema unnötig aufgebauscht habe. Der Chef von Bioland, Jan Plagge, beschwerte sich bei der taz-Chefredaktion. Manche Leser erklärten, ihr Abonnement zu kündigen.

Ein Grundsatzproblem

Der Verband verteidigte sich nach dem Artikel damit, dass „Ausnahmegenehmigungen für weit unter 0,1 Prozent der Tiere“ auf Bioland-Betrieben vergeben worden seien. Allerdings hatte zum Beispiel Verbraucherschützer Valet die Praxis unabhängig von der Zahl der Genehmigungen kritisiert, weil die Richtlinien überhaupt keine Ausnahmen ermöglichen. Wenn sie nicht eingehalten würden, „würde es keinen Sinn machen, solche Vorschriften festzulegen.“

Die Branche müsse in diesem Punkt offener kommunizieren. Ähnlich äußerten sich Vertreter der Verbraucherorganisation Foodwatch und der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Kritiker warnen, durch solche irregulären Ausnahmegenehmigungen könnte eine Klima entstehen, das weitere Regelverstöße erleichtert. Die Glaubwürdigkeit von Bio insgesamt stehe auf dem Spiel.

Ein Bio-Siegel bedeutet zumindest, dass die Häufigkeit des Antibiotika-Einsatzes – anders als bei konventionellen Tieren – eingeschränkt ist. So erlaubt die EU-Öko-Verordnung maximal 3 Antibiotika-Gaben innerhalb von 12 Monaten. Falls ein Tier nicht älter als ein Jahr alt wird, ist nur eine Gabe erlaubt. Gleichlautend sind etwa die Richtlinien von Demeter. Neuland – kein Bio-Verband aber getragen von Umwelt- und Tierschutzverbänden – erlaubt Antibiotika „ausnahmsweise und nach Indikation durch den Tierarzt“. Das Fleisch eines behandelten Tier darf nicht mehr als Neuland-Fleisch verkauft werden.

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12 Kommentare

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  • Und was ist jetzt der nächste und wichtige Schritt zu weniger Antibiotika in der Tierhaltung?

     

    Hier noch weitere Informationen zum Thema Naturheilkunde in der Tierbehandlung (und der stetige und weitere Versuch der Verhinderung):

     

    http://www.vet-magaz...ition-IAVH.html http://kooperation-t...ere-novellieren

     

    Petition zum Thema (bis 24.02.16):

    https://epetitionen....tion_61871.html

    http://www.anamed-ed...ersand-597.html

    http://renegraeber.d...erarzneimittel/

     

    Ich hoffe, die taz übernimmt engagiert, möglichst in Kooperation mit den Bioanbauverbänden zum Wohle der Tiere UND Verbraucher/innen :-)

  • 6G
    64938 (Profil gelöscht)

    Ich finde, das die Reaktion der Verbände weniger ein schlechtes Gewissen als vielmehr eine große Angst offenbaren: Das hier Vertrauen verloren gehen könnte.

    Eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Thema "Medikamenteneinsatz im Biobetrieb" scheint nach vielen Pauschalisierungen nicht einfacher geworden zu sein. Die Verbraucher erwarten einfach eine heile Welt, die so nicht der Praxis entsprechen kann.

    Trotzdem begrüße ich es, wenn die Bioland Richtlininien noch verbindlicher werden.

    Angesichts der Dimensionen beim Antibiotikaeinsatz in der konventionellen Landwirtschaft sollten hier aber auch immer wieder die Relationen klar benannt werden. Eine kaputtdiskutierte Biolandwirtschaft ist für keinen Umsteigerbetrieb attraktiv. Und wir müssen viele Landwirte überzeugen, etwas anders zu machen. Sonst geht auch unsere Umwelt bald vor die Hunde.

  • Die Reaktion von Bioland und vieler Leser zeigen: Schilderungen der Bio-Realität wird als Angriff auf die eigene Lebensform gesehen. Die Affäre begann mit der Filmerei der „SOKO Tierschutz“ im Sauenstall des Bio-Starbetriebes „Herrmannsdorfer Landwerkstätten“. Dabei wurden im Kühlschrank vier Medikamente mit Reserveantibiotika und zwei mit weiteren Antibiotikas gefunden. Trotz dieser Antibiotikahämmer war die Sterblichkeit der Ferkel über Jahre hinweg extrem hoch. Auch hier kam es zu einem biotypischen Zahlenschwindel: In der taz vom 2.2.16 sagte der Betriebsleiter zu den Ferkelverlusten: „Wir waren 2014 gut mit einer Verlustrate von 16 Prozent“. Was er nicht wußte, die SOKO hatte das ganze Stallbuch für 2014 fotografiert: Gesamtverluste von 32,4% bzw. 22,45% (excl. der schon tot geborenen Ferkel). Dann informierte Bioland die taz am 2.2.16, sie würden von ihrer Medikamenten-„Verbotsliste“ Ausnahmen zulassen, aber „selten“ und dann „darf das Tier nicht mehr über die Bioland-Schiene vermarktet werden“. In der taz vom 8.2.2016 das blamable Eingeständnis, dass Tiere mit dieser Ausnahmegenehmigung doch als Bioland-Fleisch vermarktet wurden. Warum hat Bioland auch diese Falschinformation selbst auffliegen lassen? Aus Wahrheitsliebe oder weil ein streitbarer Insider dafür einen Beleg hat? Wer glaubt, dass es bei Bioland nur so wenige Fälle des Einsatzes „verbotener“ Antibiotika gab wie zugegeben, ist naiv. Die Tierärzte sind nicht verpflichtet zu sagen, was sie nach ihrer Fachkompetenz verschreiben und vom Präperatenamen auf den Wirkstoff zu kommen, wer kann und will das? Der Medizinschrank des Bio-Stars Herrmannsdorfer ist doch kein Einzelfall. Zahlreiche Untersuchungen haben ergeben, dass der Gesundheitszustand der Biotiere nicht viel anders ist als der in konventionellen Betrieben (Vgl: http://orgprints.org/17035/1/485_Tierethik_in_Praxis_trifft_Forschung_09.pdf ). Wer Biofleisch ohne Antibiotika in der Aufzucht will, sollte US-Biofleisch kaufen! Grüße: Georg Keckl

    • @Georg Keckl:

      Als Statistiker, der gesicherte Informationen nutzen sollte, jetzt gleich Amok zu laufen ,Vermutungen in die Welt zu tragen, ob des hohen mutmaßlichen Antibiotikaeinsatzes und sich als Orakel zu betätigen ist doch ein statistischer Witz. Ein angeblicher Biostar und Pionierbetrieb und 35 gesicherte Fälle .- Ist das etwa die Grundlage?

      Die Schweißfurther haben schon mehr Betriebe an die Wand gefahren und waren zu keinem Zeitpunkt ein systemrelevanter Betrieb bezüglich Qualität, Quantität und Entwicklungspotential des ökologischen Landbaus, sondern nur medienaffine Entertainer, die ihr Grundvermögen aus dem hastigen Verkauf eines Fleischkonzernes stammt, der im Begriff war bankrott zu gehen. Unstrittig sind die Schwächen in der Biotierhaltung , aber deswegen mit dieser schwachen Grundlage zu arbeiten in Bezug auf vermeintlichen Antibiotikaeinsatz.

  • Aus Tierschutzsicht finde ich es schon vertretbar, ein krankes Tier (egal ob es jetzt "zum Vergnügen" = ohne "Nutzen" da ist, Haustier, oder ob es nachher doch in der Wurst landet) notfalls auch mit Medikamenten gesundzupflegen anstatt es "krepieren" oder unbehandelt leiden zu lassen. Einfach Ethikfrage, mir geht es auch gegen den Strich, wenn ganze Tierbestände "gekeult" werden, wenn eine Krankheit behandelt werden könnte und nur das Fleisch nachher nicht "verkehrsfähig" wäre.

    Die grundsätzlichen Haltungsbedingungen oder, wenn man ganz vorne anfängt, ob es legitim ist, Tier großzuziehen, um es zu essen, auf das will ich gar nicht eingehen.

  • "Der Chef von Bioland, Jan Plagge, beschwerte sich bei der taz-Chefredaktion" worüber eigentlich, weil die eigenen Richtlinien gelogen haben? Oder, daß der eigene Bioland Schweineberater die Öffentlichkeit wider besseres Wissen getäuscht hat?

  • Ob Versprechen, schriftlich festgelegte Richtlinien oder gesetzlicher Zwang, es bleibt nutzlos, wenn dem ein Ansinnen gegenübersteht, welches Ersteres ausschließt.

    Fakt ist, daß auch "Bio" zum Kommerz gehört, und Gewinnstreben war bislang immer das Instrument, welches die Wahrheit ausgeschlossen hat.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Schön hatten es die Schweine nicht, in dem Bioland Stall, den wir uns mal angeschaut haben. Der Gestank war unerträglich. Kein Wunder, dass die Tiere krank werden. Also weniger Fleisch auf den Teller, dann haben die Schweinchen mehr Platz, wenn der Bauer nett ist.

    • @4813 (Profil gelöscht):

      War das Strohhaltung? Durch die riesige Oberfläche des Strohs und des Verbleib von Kot und Urin im Bereich der Tiere sind die Emissionen exorbitant. Man muss sich dann nur noch mit der eigenen Nase in Höhe der Schweinenase begeben. Dann kann man ermessen, wie mit den Tieren verfahren wird.

  • "Manche Leser erklärten, ihr Abonnement zu kündigen." Schon in der Antike galt: Der Überbringer schlechter Nachrichten wird geköpft. Aber schon Sophokles mahnte ca. 420 v. Chr, zur Besonnenheit "Töte nicht den Boten“ .

    • @Manfred Stein:

      nun, die TAZ hat nicht nur die Botschaft überbracht sondern die Botschaft auch selbst ausgewählt.

      Von daher hinkt der Vergleich etwas. Wie dem auch sei, ich finde gut das die TAZ nachgehakt hat.