Anti-Terror-Razzien in Norddeutschland: Bayerns Innenminister weiß, was geht
Bei Razzien wurden drei mutmaßliche IS-Mitglieder in Schleswig-Holstein festgenommen. Ein Haftrichter am BGH hört nun zwei der Männer an.
Die Männer im Alter von 17, 18 und 26 Jahren mit syrischen Pässen waren am Dienstagmorgen in Flüchtlingsunterkünften in Schleswig-Holstein festgenommen worden. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen sie wegen Terrorverdachts. Nach Ansicht der Behörden waren sie im Auftrag des IS nach Deutschland gekommen, „um entweder einen bereits erhaltenen Auftrag auszuführen oder sich für weitere Instruktionen bereitzuhalten“.
Das Thema beschäftigt am Mittwoch auch den Landtag in Schleswig-Holstein. Innenminister Stefan Studt (SPD) will am Nachmittag im Innen- und Rechtsausschuss in Kiel über die Razzien und die aktuelle Bedrohungslage berichten. Die FDP hat für die kommende Woche eine Aktuelle Stunde zu dem Thema im Landtag beantragt.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) geht davon aus, dass die Verdächtigen einen Bezug zur Pariser Terrorserie im November 2015 haben. Es spreche alles dafür, dass dieselbe Schlepperorganisation, die bei den Attentätern von Paris aktiv gewesen sei, auch diese drei als Flüchtlinge getarnten Männer nach Deutschland gebracht habe. Bei den Beschuldigten Mahir Al-H. (17), Ibrahim M. (18) und Mohamed A. (26) könne es sich um eine „Schläferzelle“ handeln.
Festgenommen wurden die Beschuldigten nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur in Ahrensburg und Großhansdorf östlich von Hamburg sowie in Reinfeld nahe Lübeck. Sie galten zum Teil als „Vorzeige-Flüchtlinge“.
Mahir Al-H. soll sich vor einem Jahr im syrischen Al-Rakka dem IS angeschlossen haben und dort im Umgang mit Waffen und Sprengstoff ausgebildet worden sein. Mit den beiden anderen Beschuldigten reiste er mit falschen Pässen über die Türkei und Griechenland nach Deutschland ein – im Gepäck waren nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft ein höherer vierstelliger Bargeldbetrag des IS und Mobiltelefone mit vorinstalliertem Kommunikationsprogramm.
Forderung nach mehr Überwachung
Der Essener Terror-Experte Rolf Tophoven warnt angesichts der jüngsten Entwicklung vor verstärkten IS-Aktivitäten in Europa. „Die jetzt Festgenommenen sind über die gleiche Route nach Europa gereist. Hier ist jetzt der Beweis erbracht worden, dass der IS europaweit ein Netzwerk von Schleppern, Fälschern, Kommunikativstrategen und möglichen Attentätern aufbaut“, sagte der Direktor des Instituts für Krisenprävention (IFTUS) der Passauer Neuen Presse.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Die eklatanten Kontrolllücken beim immensen Flüchtlingsstrom vor allem im Herbst letzten Jahres rächen sich.“ Tausende Menschen seien ohne ausreichend geprüfte Identität nach Deutschland gekommen. „Wir wissen mittlerweile, dass auch der IS diese Sicherheitslücken gezielt genutzt hat, um Attentäter als Flüchtlinge getarnt nach Europa zu schleusen.“
Der BKA-Präsident Holger Münch sagte am Mittwoch im RBB-Inforadio, dass der IS gezielt Ängste in der Bevölkerung gegenüber von Flüchtlingen schüren wolle. Die Terrormiliz schleuse gezielt potentielle Attentäter über Flüchtlingrouten nach Europa, um so Flüchtlinge zu diskreditieren.“ Wir müssen realisieren, dass das auch ein Weg des Terrors ist“, sagte Münch am Mittwoch im RBB. „Aber es ist nicht der Flüchtlingsstrom selbst, sondern es ist ein Ausnutzen des Flüchtlingsstroms.“
„Erfolg für Sicherheitsbehörden“
Die Festnahmen bei den Anti-Terror-Razzien in Norddeutschland sind nach Ansicht von Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) ein Erfolg für die Sicherheitsbehörden. „Wir sind nicht wehrlos“, sagte Jäger am Mittwoch im WDR-Hörfunk. Polizei und Sicherheitsdienste arbeiteten sehr gut und sehr erfolgreich zusammen. „Wir arbeiten jeden Tag daran, dass es so bleibt.“
Die Sicherheitslage in Deutschland habe sich nach den Festnahmen nicht verändert, sagte Jäger. „Dass Deutschland im Fadenkreuz des Terrorismus ist, wissen wir.“ Es gebe eine ganze Reihe von sogenannten Gefährdern in Deutschland. Sie könnten nicht alle rund um die Uhr überwacht werden. Die Polizei müsse deshalb in jedem Einzelfall die Risiken abschätzen und entsprechende Maßnahmen einleiten.
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