Anstieg der Corona-Infektionen: Provinz am Limit
Die Zahl der Corona-Infektionen ist wieder gestiegen. Das Konzept, über Lockerung in den Regionen zu entscheiden, steht vor dem Belastungstest.
D eutschland ist bisher erstaunlich gut durch die Coronapandemie gekommen: Die Infektionszahlen waren nie so hoch wie in vielen anderen Ländern, und in den letzten Wochen sind sie trotz vielfältiger Lockerungen weiter gefallen. Doch nun gibt es erstmals wieder einen deutlichen Anstieg der Fallzahlen – und damit eine erste Bewährungsprobe für das neue Konzept, die Entscheidung über Einschränkungen weitgehend auf die regionale Ebene zu verlagern.
Die erlebt an mehreren Orten gerade ihren ersten Belastungstest – und schlägt sich dabei recht unterschiedlich: Im Kreis Gütersloh wurde zwar lange – vielleicht zu lange – gezögert, bevor erneut Beschränkungen für die gesamte Bevölkerung eingeführt wurden – statt nur für die MitarbeiterInnen der Fleischfabrik, unten denen es zur Masseninfektion gekommen war. Aber immerhin hat man in Nordrhein-Westfalen schließlich doch noch eingesehen, dass es recht unwahrscheinlich ist, dass sich die Infektion nicht über den Betrieb hinaus ausdehnt.
Ganz anders ist die Situation in Berlin: Dort sind die Infektionszahlen ebenfalls stark gestiegen; im Verhältnis zur Bevölkerungszahl hat kein anderes Bundesland derzeit so viele Fälle wie die Hauptstadt. Und anders als in anderen stark betroffenen Städten wie Göttingen oder Magdeburg gibt es in Berlin auch nicht einen einzelnen Hotspot, sondern hohe Zahlen in mehreren Bezirken.
Dass der Berliner Senat ausgerechnet in dieser Situation nun beschlossen hat, alle öffentlichen Kontaktbeschränkungen aufzuheben, ist darum völlig unverständlich. Dass sie von vielen ohnehin schon nicht mehr eingehalten wurden, kann kein Grund für diese Entscheidung sein. Statt auch diejenigen zur Sorglosigkeit zu ermutigen, die sie bisher noch ernst genommen haben, wäre es in der Hauptstadt gerade jetzt erforderlich, daran zu erinnern, dass die Gefahr noch nicht vorbei ist. Hoffentlich orientieren sich andere Regionen künftig eher an Gütersloh als an Berlin.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies