Anstatt besserer Versorgung: Asylbewerber abschrecken
Weniger Taschengeld und „Rückführungs“-Videos: So soll der Zulauf von Asylbewerbern aus dem Westbalkan begrenzt werden.
Das Thema soll eine zentrale Rolle auf dem nächsten „Flüchtlingsgipfel“ von Bund und Ländern spielen. Dieser wird nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schon am 9. September stattfinden.
Derzeit machen die etwa 94.000 Antragssteller aus den Balkanstaaten knapp die Hälfte der derzeit rund 200.000 Flüchtlinge in Deutschland aus. Die Anträge auf Asyl aus diesen Ländern werden zum allergrößten Teil abgelehnt. Für die Dauer des Asylverfahrens bekommen die Flüchtlinge bei korrekter Versorgung Unterkunft, Essen und anderen notwendigen Bedarf sowie ein monatliches Taschengeld von 140 Euro.
Besonders das Taschengeld ist nach Meinung des Chefs des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Manfred Schmidt, ein Grund für die Flut der Anträge aus dem Westbalkan. Schmidt schlägt vor, das Taschengeld für diese Asylbewerber zu kürzen oder nicht mehr in bar, sondern in Gütern auszugeben.
Verschärfte Gesetzeslage
Sowohl Union und SPD sprechen sich dafür aus, die Asylverfahren für Bürger aus den Balkanstaaten zu beschleunigen, was leichter geschehen könnte, wenn alle dieser Staaten als „sichere Herkunftsstaaten“ gelten würden. Unionsfraktionschef Volker Kauder forderte in der Welt am Sonntag, wer aus dem Kosovo komme, solle innerhalb eines Monats wieder dorthin zurück. Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) erklärte, die Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten auf Kosovo, Albanien und Montenegro dürfe „kein Tabuthema“ sein.
Die Gesetzeslage ist bereits verschärft: Seit dem 1. August können Asylbewerber aus den Balkanstaaten mit dem ablehnenden Bescheid die Mitteilung über eine Wiedereinreisesperre und ein Aufenthaltsverbot für Deutschland erhalten, erklärte Schmidt vom BAMF.
Auch die Bundespolizei arbeitet daran, Deutschland möglichst unattraktiv erscheinen zu lassen. Auf einem Video, das in den Balkanstaaten in den Landessprachen verbreitet werden soll, warnt die Polizei vor der drohenden Abschiebung von Asylbewerbern. In dem kurzen Film sind Zuwanderer zu sehen, die in Begleitung von Polizisten in einen Bus steigen und zum Flugplatz gebracht werden, um in ihr Heimatland zurückzukehren. Passend zum nasskalten Wetter im Video verkündet eine düstere Stimme, dass Abgeschobene die Kosten der Abschiebung selbst tragen müssen und niemand den Versprechungen von Schleusern glauben solle, dass Asylbewerber in Deutschland arbeiten dürften und üppige Sozialleistungen bekämen.
Die Grünen lehnen die Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten ab. Einstufungen bestimmter Länder änderten nichts, sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) forderte die Bundesregierung auf, in den Balkanstaaten gezielte Entwicklungshilfe zu leisten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist