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Anschlagsserie in IranVergiftete Schulmädchen

In Iran wurden tausende Schülerinnen vergiftet. Es scheint eine Racheaktion islamischer Extremisten zu sein. Oder stecken Regime-Insider dahinter?

Eine Schülerin liegt am Donnerstag nach einem Anschlag in einem iranischen Krankenhaus Foto: reuters tv/reuters

Wien taz | Mit eigenartigem Geruch im Klassenraum fängt es an. Es habe nach Mandarine, Chemie oder verfaultem Fisch gerochen, berichten Zeuginnen. Unmittelbar danach litten die Betroffenen unter Übelkeit, Kopfschmerzen, Schwindel und Atemnot. An Dutzenden Mädchenschulen in Iran soll es in den vergangenen Wochen Giftgasanschläge gegeben haben. Auch einige Universitäten sind betroffen.

Allein am Mittwoch gab es Berichte von Giftanschlägen an 32 Schulen in verschiedenen Städten. In der nordiranischen Stadt Ardabil waren laut einem Bericht der Tageszeitung Shargh mehr als 400 Schülerinnen an elf Schulen betroffen. Shargh zufolge werden knapp 100 Mädchen aktuell im Krankenhaus behandelt. In einigen Fällen soll der Gesundheitszustand der Mädchen kritisch sein. Aktivisten haben bereits erste Todesfälle gemeldet. Die Behörden würden die Familien jedoch unter Druck setzen, andere Todesgründe anzugeben.

Die ersten Berichte über derartige Anschläge an Schulen und Universitäten gab es bereits im November. Nachdem die Regierung die Berichte monatelang zurückwies, hat sie die Vorfälle mittlerweile eingeräumt. Mit Erklärungen zu möglichen Hintergründen halten sich die Behörden allerdings weiterhin zurück.

Vor den betroffenen Schulen versammelten sich in den letzten Tagen Menschen und riefen: „Nieder mit der Kinder tötenden Republik“. Viele haben Angst, ihre Töchter zur Schule zu schicken – und genau dies könnte das Ziel der Attentäter sein. Es ist noch nicht lange her, da sorgten die iranischen Mädchenschulen aus einem anderen Grund international für Schlagzeilen. Im Oktober legten Schülerinnen ihre Kopftücher ab, buhten Regimevertreter aus und zerbrachen Bilder von Staatsoberhaupt Ali Khamenei. Die Mädchenschulen galten als Hochburgen der aktuellen Protestbewegung gegen die islamistische Gängelung in Iran. Doch selbst bei den Mädchen machte der Repressionsapparat der Islamischen Republik nicht halt. Regimeagenten drangen in die Schulen ein und verprügelten Schülerinnen, einige starben an den Verletzungen.

Vor diesem Hintergrund interpretieren viele Beobachter die aktuellen Giftanschläge als Racheakt radikaler Islamisten. Die Mädchen sollten möglicherweise davon abgehalten werden, die Schulen zu besuchen – ganz nach dem Vorbild der Taliban in Afghanistan. Wer genau hinter den Anschlägen in Iran steckt, ist jedoch völlig unklar.

Säureanschläge in Isfahan

Dass die Giftanschläge in einem solchen Ausmaß überhaupt verübt werden können, ohne dass jemand zur Rechenschaft gezogen wird, macht viele Iranerinnen und Iraner misstrauisch. Zum Vergleich: Wenn eine Frau in der Öffentlichkeit auch nur ihren Schleier ablegt, riskiert sie im heutigen Iran, von Kameras mit Gesichtserkennungsfunktion identifiziert zu werden und saftige Geldstrafen zu erhalten.

Die aktuellen Anschläge erinnern darüber hinaus an eine Reihe von Säureanschlägen gegen Frauen in der iranischen Stadt Isfahan im Jahr 2014. Auch damals distanzierte sich das Mullah-Regime von den frauenfeindlichen Angriffen; die Hintermänner wurden aber nie gefunden.

Stecken also möglicherweise Regime-Insider hinter den Giftanschlägen? Das suggerieren in diesen Tagen viele iranische Nutzer in sozialen Medien: „Kennt ihr irgendeine terroristische Organisation, die über die Mittel verfügt, gleichzeitig im ganzen Land Anschläge durchzuführen?“, schrieb einer. Darauf antwortete ein anderer in Anspielung auf die mächtigen Revolutionsgarden, eine stark indoktrinierte Elite-Armee der Mullahs: „Es sind wahrscheinlich dieselben, bei denen Europa sich noch immer weigert, sie als Terrororganisation einzustufen.“

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13 Kommentare

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  • Aua das tut weh. Habe iranische Freund*Innen. Das gibt dem ganzen noch eine scharfe persönliche Note.

  • Da fällt mir erstmal nichts anderes ein, als zu konstatieren, dass dieses Horror-Regime so schnell es nur irgendwie möglich ist, auf die Müllhalde der Geschichte gehört.

    • @Jim Hawkins:

      Volle Zustimmung, das sehe ich nicht anders…der beschriebene Geruch deutet auf einen Anschlag mit Nervengift-Kampfstoffen hin, wer solche gegen die eigenen Kinder und Jugendlichen einsetzt ist sowas von außerhalb jedweder moralischen Rechtfertigung!

      Falls das Regime sowie die dahinter stehenden Extremisten im Iran nicht mittels friedlicher Proteste gestürzt werden können habe ich jedenfalls vollstes Verständnis dafür wenn dann auch der bewaffnete Kampf in Erwägung gezogen wird (unter Beachtung der Genfer Konvention, versteht sich).

  • "Die Mädchen sollten möglicherweise davon abgehalten werden..."



    Da es im Iran eine Schulpflicht gibt, halte ich das für unwahrscheinlich; die Betroffenen können ja nicht einfach zu Hause bleiben, sondern müssen zur Schule gehen.

    • @O.F.:

      Ja, vermutlich wird das im Regime streng kontrolliert ^^

    • @O.F.:

      Die Schulpflicht könnte die Regierung aber nicht einfach abschaffen, ohne eine Schlappe eingestehen zu müssen.

      Da wären ein paar Anschläge, die Angst verbreiten, viel effektiver.

      Ist natürlich nur Spekulation.

      • @rero:

        Aber das wäre eben nicht effektiv, weil die Mädchen gar nicht zu Hause bleiben dürfen: wenn Kinder im Iran nicht zur Schule gehen, passiert dasselbe wie in anderen Staaten: die Behörden schreiten ein (dass es, nebenbei bemerkt, auch keine Bestrebungen gibt, die Schulpflicht für Mädchen abzuschaffen, ergänzt das noch - Iran ist nicht Afghanistan).

        • @O.F.:

          Nun kann dies aber auf eine Gruppe von Fanatikern im Staatsaparat zurückgehen. Das gab es bei den Kettenmorden schon. Es gibt im Iranischen System Fanatiker den sind alle Frauenrechte ein Dorn im Auge, die kommen auch von Zeit zu Zeit mit Vorschlägen den Chador verpflichtend zu machen oder es kommt zu den Säureanschlägen. Der Iranische Staat ist kein Monolith und einzelne Gruppen die ihr eigenes Ding machen sind recht häufig.

        • @O.F.:

          Nein, der Iran hat keine Schulpflicht, keinen Schulzwang, wie übrigens die meisten Staaten der Welt, außer China, Nordkorea, Schweden und l.b.n.l. Deutschland. iranjournal.org/ne...ndschule-abbrechen



          Der Hintergrund für die Giftanschläge könnte von Religionsfanatikern an die Adresse der Eltern gerichtet sein, die ihre Töchter länger als 4 Jahre zur Schule schicken wollen.

          • @zeroton :

            Das ist schlichtweg falsch; es gibt im Iran eine Schulpflicht bis zur Sekundarstufe I (d.h. ungefähr dem 15 Lebensjahr); das bestreitet auch der von Ihnen verlinkte Artikel nicht, er verweist dort lediglich auf Schwierigkeiten in einigen Grenzgebieten; die sind aber kaum repräsentativ: Iran hat ein recht hohes Bildungsniveau; Frauen machen zur Zeit mWn sogar die Mehrheit der Studienanfänger aus.

            • @O.F.:

              "In der islamischen Republik gilt keine Schulpflicht, Eltern können ihre Kinder jederzeit von der Schule nehmen."



              Ich weiß ja nicht, welcher Link sich bei Ihnen geöffnet hat?



              Der untere Passus bezieht sich auf Recht auf Bildung, bzw. deren Verweigerung. Frühe Zwangsverheiratung beinhaltet nach islamischen Recht, der Mann bestimmt den weiteren Bildungsverlauf.



              Mit der Ratifizierung der Menschenrechtskonvention ist in den meisten Ländern die Schulpflicht abgeschafft worden, selbst wenn die nationalen Bildungsgesetze noch nicht angepasst worden sind.

              • @zeroton :

                Die Aussage stimmt aber nicht; es gibt eine Schulpflicht bis zur Sekundarstufe II, d.h. bis c. zum 15 Lebensjahr:



                www.us-iran.org/re...16/10/10/education



                Inwieweit es möglich ist, diese Schulpflicht zu umgehen, wenn ein Mädchen vorher verheiratet wird, weiß ich nicht; aber der Punkt ist, dass so frühe Ehen im Iran extrem selten sind - deshalb spricht ihr Artikel ja von "Grenzgebieten"; die meisten iranischen Mädchen haben eine Bildungsbiographie, die sich von einer deutschen wenig unterscheidet (wenn ich mich recht erinnere, ist der Frauenanteil an Unis sogar höher als hier); übrigens sind auch "Zwangsverheiratungen" selten - Ehe ist zwar viel mehr Familienangelegenheit als hier, aber selbst konservative Iraner setzen sich dabei im Allgemeinen nicht über ihre Kinder hinweg (das Problem ist eher, dass man oft recht jung heiratet, um die Beziehung zu "legalisieren" und deshalb die Scheidungsrate enorm hoch ist. Generell warne ich davor, all zuviel Afghanistan auf den Iran zu projizieren.

            • @O.F.:

              Ja, der Iran hat eine Schulpflicht, der Iran hat aber etwa auch die Menschenrechtskonvention ratifiziert. Ist das nun also Beleg dafür, dass die Menschenrechte dort auch eingehalten werden? Halten sie Orte wie Evin deshalb ebenfalls für "unwahrscheinlich"?



              Tatsächlich schließen wohl rund 50% der Mädchen gerade mal die Grundschule ab.