Anschlag auf linkes Zentrum in Bayern: Zerborstene Scheiben

Der linke Treffpunkt Stern in Aschaffenburg steht im Fadenkreuz von Neonazis und Querdenker*innen. Nun wurde versucht, ihn in Brand zu setzen.

Eingang zum alternativen Zentrum Stern in Aschaffenburg

Das Zentrum Stern in der Platanenallee in Aschaffenburg ist ein Treffpunkt für diverse linke und alternative Projekte Foto: Leonhard Seidl

ASCHAFFENBURG taz | Der Angriff auf den Stern geschieht noch vor der Morgendämmerung und dauert vielleicht drei Minuten. Der Nachbar über der linken Kneipe in der Platanenallee in Aschaffenburg, in der sich auch das Antifa Café trifft, hört Scheiben klirren. Aufgeschreckt von einem schreienden Zeugen, hasten mutmaßlich mindestens zwei An­grei­fe­r*in­nen ­unerkannt davon in das angrenzende Schöntal, einen nahegelegenen Park. Es ist die Nacht auf den 6. Mai gegen vier Uhr.

Der eingetragene Verein Stern existiert seit 2013, fördert alternative Kultur sowie politische Bildung und positioniert sich deutlich gegen rechts. In seinen Räumen finden Konzerte, Lesungen und Vorträge statt. Dort können sich politische Gruppen treffen, wie das Klimabündnis Aschaffenburg, die Letzte Generation und eben auch das Antifa Café.

Seit seiner Gründung ist das Stern-Zentrum immer wieder angefeindet worden, weil es sich um ein linkes, alternatives Projekt handelt. Sei es durch Farbbomben, Schmierereien – oder Facebook-Kommentare, wie im Mai 2018: „Ich komme noch, damit ihr Faschisten endlich einen Molotow ins Fenster kriegt.“ Ein führender Querdenker verkündete süffisant, „auf ’nen Kaffee“ vorbeizukommen. Und Neonazis klebten während Anti-Corona-Kundgebungen Sticker an die Scheiben.

Knappes dutzend Schreiben zerstört

Der Angriff am 6. Mai dauert nur wenige Minuten. Die jedoch reichten aus, um ein knappes Dutzend äußerer Scheiben der Doppelglasfenster zu zerstören, die inneren Scheiben einiger anderer Fenster, die Eingangstür und den Schaukasten mit den Infos zum Stern. Am zerborstenen Fenster neben dem Eingang steht ein abgedeckter Kicker, auf dem Flyer liegen, und der Oberkörper einer Schaufensterpuppe, die ein Soli-Shirt mit Anti-AfD-Spruch trägt.

Hinter der Scheibe lag ein Zugluftstopper, der komplett mit Flüssigkeit durchtränkt wurde, bei der es sich um einen Brandbeschleuniger handeln könnte. Die Polizei wertet die Flüssigkeit derzeit noch aus. Außerdem „wurden mutmaßliche Brennstoffe gefunden, die auf eine versuchte Brandstiftung hindeuten“, erklärt Angela Fieß, eine Sprecherin des Stern. Mehr solle sie aufgrund der laufenden Ermittlungen, die der Staatsschutz übernommen hat, nicht dazu sagen, da es sich um Tä­te­r*in­nen­wis­sen handle. Wäre der Brandanschlag geglückt, wären dadurch auch die über dem Stern wohnenden Familien mit Kindern in Lebensgefahr gewesen.

Die runden Einschlaglöcher an den Fenstern könnten von roten Nothämmern stammen, wie man sie auch in Bussen findet. Befremdlich empfindet Fieß, dass Leute des Stern gefragt wurden, ob es sein könne, dass es innerhalb des Vereins Knatsch gegeben habe, ein Gast verärgert gewesen sei oder ob sie irgendetwas getan hätten und es sich um einen Gegenschlag oder Vergeltung handeln könne. „Die Ermittlungen werden in alle denkbaren Richtungen geführt“, sagt dazu Maximilian Basser, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Unterfranken.

Auf den Zeugenaufruf der Polizei hin sind bislang keine Informationen eingegangen. Für diesen Montag haben zahlreiche Gruppen und Initiativen zu einer Solidaritätskundgebung mit dem Stern aufgerufen. Mit dabei ist das breite zivilgesellschaftliche Bündnis Aschaffenburg ist bunt, das aus knapp 300 Organisationen besteht. „Man rechnet mit so einem Anschlag“, sagt Fieß. „Gerade, wenn man sieht, was im Rhein-Main-Gebiet passiert, wie das rassistische Attentat in Hanau 2020 und die Brandanschläge auf linke Projekte 2019.“ Aber wenn es einen selber treffe, sei „das eine ganz andere Sache“.

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