piwik no script img

Anschlag auf dem BreitscheidplatzWenig Interesse an Aufklärung

Sabine am Orde
Kommentar von Sabine am Orde

Auch nach drei Jahren sind wichtige Fragen zu Anis Amri ungeklärt. Mauern die Behörden? Um so wichtiger ist eine vollständige Aufklärung.

Eine vollständige Aufklärung ist die Bundesregierung nicht nur den Opfern schuldig Foto: Christoph Soeder/dpa

D rei Jahre ist es her, dass der Islamist Anis Amri auf dem Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz zwölf Menschen tötete und viele zum Teil schwer verletzte. Die Bundesregierung versprach damals umfassende Aufklärung – nicht nur der Tat selbst, sondern auch möglicher Behördenfehler.

Denn die Sicherheitsbehörden kannten Amri, hatten ihn zuletzt aber falsch eingeschätzt – und aus den Augen verloren. Ein verhängnisvoller Fehler, der zum schwersten islamistischen Anschlag bislang in Deutschland führte. Und zu der Frage: Hätte der Anschlag verhindert werden können?

Drei Jahre später ist klar: Die Bundesregierung hat nicht nur ihr Versprechen nicht eingelöst. Noch immer sind wichtige Fragen ungeklärt: Hatte Amri Mittäter? Wie sah seine Flucht genau aus? Und wann haben die Sicherheitsbehörden ihn als möglichen Täter identifiziert?

Hinzu aber kommt: Das Bundes­innenministerium und die Sicherheitsbehörden scheinen wenig Interesse an grundsätzlicher Aufklärung zu haben. Statt zu helfen, machen sie dem Untersuchungsausschuss im Bundestag, der die Missstände aufdecken soll, die Arbeit schwer – mit Verzögerungen, geschwärzten Akten, verweigerten Zeugenaussagen.

Kein „reiner Polizeifall“

Aufklärungshindernisse, die es genau so auch im NSU-Untersuchungsausschuss gab. Die Bereitschaft, eigene Fehler zuzugeben und Lehren daraus zu ziehen, ist in beiden Fällen sehr begrenzt. Man kann auch sagen: Damals wie heute wird nur das zugegeben, was man nicht mehr abstreiten kann.

Derzeit steht vor allem das Bundeskriminalamt in Verdacht, Warnhinweise aus NRW bewusst verharmlost zu haben. Doch falsch ist auch, dass Amri ein „reiner Polizeifall“ war, wie der damalige Verfassungsschutzchef behauptet hatte. Auch das Verhalten seiner Behörde und des Bundesnachrichtendiensts gehören genau überprüft.

Eine vollständige Aufklärung ist die Bundesregierung nicht nur den Opfern und Hinterbliebenen schuldig. Sie ist auch die Grundlage dafür, um Terrorismus künftig besser zu bekämpfen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • 9G
    92293 (Profil gelöscht)

    Ich dachte Terrorabwehrzentrum und BKA tauschen Daten und Informationen bzgl. Terrorismus aus. Das LKA sollte weniger mit solchen Fragen belastet werden. Mit den Gesetzen zur Terrorabwehr unter GroKo1 (Schily Innenminister) wurden Gesetze erlassen, die scharf und in dicht (in seiner Vernetzung der Befugnisse) genug sind um eine Person bzw. Personengruppen mit einer Totalüberwachung zu observieren. Ich habe nicht verstanden warum das Terrorabwehrzentrum sich als wissenschaftliche Begleitinstitution versteht.

  • Die Regierung vertritt laut Umfragen schon lange keine Mehrheit mehr. Auch deshalb wäre es an der Zeit, vertrauensbildend zu wirken, um die Institutionen nicht zu beschädigen.

    • 9G
      92293 (Profil gelöscht)
      @ben99:

      ich finde in den aufsichtsräten der behörden sollten nicht mehrheitsmäßig konzernchefs beratend tätig sein; ich finde behörden sollten nicht mit anpassung an die wirtschaft und schweigen am besten für ihr pensionsversprechen tätig sein

  • Darf das BKA und der Verfassungsschutz bestimmen, was die Politik wissen darf?



    Es ist doch absurd, das das Staatsdienste dem Staat die Auskunft verweigern.

    • RS
      Ria Sauter
      @nutzer:

      So sieht die Wirklichkeit aus.