piwik no script img

Anschläge auf Nordstream-PipelinesRätselraten um die Andromeda

Von den Ermittlungen zu den Anschlägen auf die Nordstream Pipelines werden mehr Details öffentlich. Auch der Bundestag ließ sich informieren.

Er führt die Ermittlungen: Generalbundesanwalt Peter Frank, am Freitag bei der Sitzung im Bundestag Foto: dpa

Berlin taz | Das Vorgehen war offenbar filmreif. Am 6. September 2022 soll die Segeljacht Andromeda von Rostock-Warnemünde in die Ostsee gestochen sein. Über Wiek auf Rügen soll ihr Weg zur dänischen Insel Christiansø geführt haben. Mit an Bord: eine sechsköpfige Crew – und Sprengstoff, der später womöglich für den Anschlag auf die Gaspipelines Nordstream 1 und 2 verwendet wurde.

Seit Monaten ermitteln die Generalbundesanwaltschaft und das Bundeskriminalamt zu den Anschlägen vom 26. September vergangenen Jahres. Drei der vier Gasröhren wurden damals in 80 Meter Tiefe massiv beschädigt, nahe der dänischen Insel Bornholm. Seit Tagen nun veröffentlichen Medien Details dazu – konkret zu der verdächtigen Segeltörn.

Am Freitag informierten schließlich die Bundesanwaltschaft, der BND und das Bundesamt für Verfassungsschutz vertraulich das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags über den Ermittlungsstand. Über die Inhalte vereinbarten alle Seiten Stillschweigen. Der Ausschussvorsitzende Konstantin von Notz (Grüne) hatte vor Sitzungsbeginn gefordert, dass die Behörden auch das Parlament über ihre aktuellen Erkenntnisse informieren.

Bereits zuvor hatte die Bundesanwaltschaft bestätigt, dass sie vom 18. bis 20. Januar ein Schiff durchsuchen ließ, das für den Transport von Sprengsätzen verwendet worden sein könnte. Die Auswertung der Spuren dauere an. Auch seien die Identität der Anschlagsverursacher und der Tatmotive noch unklar – ebenso wie die Frage, ob womöglich ein staatlicher Akteur die Aktion gesteuert habe.

15 Meter langes Schiff mit 11 Kojen

Laut Spiegel und anderen Medien handelt es sich bei dem untersuchten Schiff um die Segeljacht „Andromeda“: ein Bavaria Cruiser 50, 15 Meter lang, mit 11 Kojen. Angemietet worden sei diese bei einer Charterfirma mit Sitz auf Rügen – die dazu auf Nachfragen schweigt. Laut Zeit und ARD lief die Anmietung über eine Firma in Polen, die zwei Ukrainern gehöre – von denen Verbindungen zu weiteren Ukrainern führten.

Die Nationalitäten der Schiffscrew sind dagegen noch unklar – allesamt hätten professionell gefälschte Pässe benutzt. Laut Zeit/ARD sollen es sechs Personen gewesen sein: ein Kapitän, zwei Taucher, zwei Tauchassistenten und eine Ärztin. Der Spiegel berichtet, dass zumindest einer dieser Pässe eine bulgarische Staatsbürgerschaft vorgetäuscht haben soll. Die Ermittler hätten später an Bord des Segelboots Reste von Sprengstoff gefunden.

Auch False Flag Aktion bleibt möglich

Wer genau also den Anschlag ausgeführt haben soll und mit welchem Motiv, bleibt also vorerst offen. Auch die New York Times hatte zuletzt von pro-ukrainischen Akteuren gesprochen, die aber nicht mit staatlichen Stellen zusammengearbeitet hätten. Die Zeitung bezog sich dabei auf US-Geheimdienstinformationen. Nicht ausgeschlossen ist weiterhin jedoch auch eine „False Flag“-Aktion, die eine falsche Fährte gelegt haben könnte.

Die ukrainische Regierung wies eine Verwicklung in die Anschläge zuletzt zurück. Russland wiederum beschuldigt die USA und tat die These einer ukrainischen Partisanengruppe als haltlose „Propaganda“ ab. Die deutsche Bundesregierung gab sich zuletzt zurückhaltend – und betonte, man müsse die finalen Ermittlungsergebnisse abwarten. Die Bundesanwaltschaft bekräftige derweil nur, man werde „im Rahmen der weiteren Ermittlungen sämtlichen Hinweisen zur Aufklärung des Sachverhalts nachgehen“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Lustige Geschichte. Man will uns erzählen, die Saboteure hätten an Bord mit Sprengstoff gespielt (Spuren!). Mehrere hundert Kilo! Welchen Sprengstoff haben die denn gemischt, um in 70m Tiefe detonieren zu lassen?

  • Die Andromeda verfügt über 5 Kajüten und 10 Kojen und nicht, wie hier dargestellt über 8 Kajüten und 11 Kojen. Das lässt sich leicht nachgoogeln.

  • Alsi nichts gegen die Wahrheit, aber für mich kann die Frage nach der Urheberschaft der Anschläge gerne auch ungeklärt bleiben. Welche Antwort macht mich glücklich? Keine! Also kann alles so bleiben, wie es ist. Das Ergebnis ist gut, das ist die Hauptsache. Ein Erpressungsmittel wurde vernichtet, mir ist wurscht, wer es war. Und auf die ganzen Spekulationen kann ich auch verzichten.

  • Wer so unprofessionell arbeitet, dass er das Schiff ungereinigt und mit Sprengstoffspuren zurückgibt, dürfte wohl kaum der wahre Urheber eines Anschlages sein, der nach einhelliger Expertenmeinung professionelles Vorgehen erfordert!

    Und: warum sollte jemand ausgerechnet nach Deutschland fahren, um hier ein Boot zu chartern und große Mengen Sprengstoff darauf zu verladen? - gibt es in Polen (einem Land mit einem weit weniger am Erhalt der Pipeline interessierten Umfeld) keine Yachten?

  • Das Schiff hat nur 10 Kojen.

  • Es ist natürlich richtig, dass die Untersuchungen zu Ende geführt werden müssen.



    Allerdings wüsste ich nicht, welches Interesse die Bundesanwaltschaft haben könnte, hier eine nicht vorhandene Verbindung zur Ukraine herzustellen.



    Ich vertraue hier unseren Behörden.



    Es wurde bereits an die versuchten Abwehrmaßnahmen der Ukraine erinnert, deren Trümmerteile zwei andere Länder trafen und auch Opfer forderten.



    In beiden Fällen lehnte die Ukraine die Verantwortung ab.



    Es sollten weitere Ermittlungen erfolgen. Dann wuchs Gras über die Sache.



    Dieser Anschlag galt deutscher Infrastruktur.



    Sollten sich die Annahmen, dass dahinter ukrainische Akteure stehen bewahrheiten, ist das höchst problematisch.

    • @Philippo1000:

      Die Ukraine wäre noch der unproblematischste Akteur, die sind im Krieg mit Russland und hätten das Recht Russlands Einnahmequellen anzugreifen, die USA wären sehr problematisch aber auch Polen und Russland. Was will man dann machen? Russland sprengt die gemeinsame Pipeline.. Krieg erklären?

  • Diese Story ist hanebüchen! Nur zwei Fakten vom Fachmann:



    1. Es wurden mehrere hundert Kilo Sprengstoff verwendet. Weder wäre die Verladung auf das Boot unauffällig gewesen, noch verfügt die Yacht über notwendige Laderiggs, um die Ladungen auf See aussenbords zu bekommen.



    2. Deep Sea Underwater Demolition Charges sind Luft- und Wasserdicht versiegelte Gebinde - da krümelt nix auf den Pantrytisch der Yacht. Und die Verwendung von IED ist in diesen Tiefen extremst unwahrscheinlich.

    • @Schytomyr Shiba:

      Gerade zweiteres habe ich mich auch schon gefragt.