Migration, Chancengleichheit, Nordstream: Sehr praktisch

Die EU wünscht sich Loyalität. Die elektronischen Patientenakte kämpft gegen Skepsis. Und die Chancengleichheit gegen Friedrich Merz und Co.

Friedrich Merz am Rednerpult

„Besonders gut nicht zugehört haben diejenigen, die sich an ‚kleinen Paschas‘ vergreifen wie Merz“ Foto: imago

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Religiöser Wahn und Waffenbesitz.

Und was wird besser in dieser?

Nichts, aber der Unterschied undeutlicher.

Karl Lauterbach ist wieder da: Seine elektronische Patientenakte hat viele Vorteile, voll nutzbar ist sie für Versicherte nur mit einer App via Google und Apple. Ist das gesund?

Spätestens seit den Corona-Inzidenzen haben wir die und das Faxen dicke: Lebenswichtige Zahlen tröpfelten im Postkutschen-Groove aus den Gesundheitsämtern. Immerhin arbeitet die teilstaatliche Firma Gematik seit 2005 an der „elektronischen Gesundheitskarte“. Und an Jens Spahns pfiffiger Idee, einen Kumpel aus Immobiliengeschäften und Pharmalobbyisten zu ihrem Chef zu machen. Man mag den Gedanken nicht, künftig könnten Schwangerschaft, Fehlzeiten, seelische oder Drogenerkrankungen sich munter von Betriebsarzt zum Chef oder zur Versicherung durchsprechen. Oder bei Google landen. Gute Gründe, die ePK von der Zustimmung der Patienten abhängig zu machen.

In einer Erklärung haben sieben EU-Staaten, darunter Deutschland und Frankreich, „loyale Zusammenarbeit“ bei der Aufnahme von Asylsuchenden gefordert. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass „das öffentliche Vertrauen in europäische Lösungen schwindet“. Wie viel gäbe es denn noch zu schwinden?

Seit Italiens Postfaschistin Meloni die aktuelle Beschlusslage der EU als „großen Sieg für ihr Land“ gefeiert hat, erübrigt sich die Frage. Sicherung der Außengrenzen, Rücknahmeabkommen, elitäre Auswahl von Migranten: So was bekommt die EU hin.

Am 10. März vor 25 Jahren hatte Giovanni Trapattoni, damals Trainer beim FC Bayern, bei einer Pressekonferenz genug von seinen Profis. Wo waren Sie, als „wie eine Flasche leer“ sprichwörtlich wurde?

Wo es am schönsten ist: Im Abseits. „Traps“ Ausraster folgte auf einer Niederlage der Bayern – Hurra! – gegen ausgerechnet Schalke – Pfui! Der in Bayern offenbar schädliche Übelgeruch der Gutmütigkeit hing bereits über dem Trainer, so wirkte der Temperamentsausbruch etwas kalkuliert. „Was erlaube Strunz“ wurde zum Titel einer TV-Sendung des gleichnamigen Moderators, mit dem Claim „Flasche nicht leer“ warb der Trainer für Trinkwassersprudler. Und mit Widerwillen gilt es anzuerkennen: Tapeten-Toni schuf einen der sympathischsten Momente in der Geschichte des FC Bayern. Ich habe fertig.

Kinder aus armen Familien und/oder solchen, in denen kein Deutsch gesprochen wird, haben deutlich geringere Chancen auf einen Kitaplatz, belegt eine Studie des Bundesinstitutes für Bevölke­rungsforschung. Wer kümmert sich nicht genug um Chancengleichheit?

Friedrich „der große Pascha“ Merz. Seit ungefähr 50 Jahren. In den Achtzigern prophezeite der CDU-Generalsekretär Heiner Geißler, ungefähr jetzt würde uns das Land um die Ohren fliegen ohne Zuwanderung. Arbeitskräftemangel, Implosion der Sozialversicherungen. Zugegeben: hübsch egoistisch biodeutsch daherargumentiert, doch Geißler kannte die seinen. Besonders gut nicht zugehört haben damals diejenigen, die sich heute an „kleinen Paschas“ vergreifen wie Merz: Einwanderungsland zu sein unter dem Mantra „wir sind kein Einwanderungsland“, war auch nicht wirklich schulreif. Arme und Bildungsferne werden in dieser Gesellschaft benachteiligt, aber es ist halt schon sehr praktisch, wenn sie auch andere Vornamen haben.

Zum Anschlag auf die Nord-Stream-Pipeline bestehe „ein grundsätzlicher Informationsbedarf“. Das sagte am Freitag vor einer Sondersitzung des für die Kontrolle der Nachrichtendienste verantwortlichen parlamentarischen Gremiums dessen Vorsitzender Konstantin von Notz, Grüne. Weiß er heute mehr?

Selbst wenn, dürfte er nix sagen. Immerhin wagt sich damit ein Ampelpolitiker vor. Die Bundesregierung hatte zuvor Anfragen der Linken mit Verweis auf die „third party rule“ zum Schutze Dritter abgelehnt. Ein humoriger Move, denn Schweden – der schützenswerte Dritte – hatte sich seinerseits geweigert, seine Erkenntnisse mit den deutschen Behörden zu teilen. Bundeskanzler Scholz’ Solo in Washington kürzlich sollte flugs des Verdachts enthoben werden, er informiere lieber den US-Präsidenten als den Deutschen Bundestag. Von Notz hat recht.

Und was machen die Borussen?

Nach dem Geschenk an die Schalker erwartet der BVB jetzt den 1. FC Köln, die Friedensbewegung der Liga, seit vier Spielen torlos. Wir helfen wo wir können.

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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