Anschläge auf Moscheen: Die alltägliche Anfeindung
In Deutschland werden mehrere Moscheen angegriffen – zuletzt in Mölln. Doch die Ereignisse scheinen an der breiten Öffentlichkeit vorbeizugehen.
Zwei aktuelle Notizen aus der deutschen Provinz: Wie jetzt bekannt wurde, haben Unbekannte in der Nacht zum vergangenen Samstag zwei Molotowcocktails gegen die Fenster der Haci-Bayram-Moschee in Oldenburg geworfen. Diese hinterließen lediglich Rußspuren, weil das Feuer sofort erlosch.
Nur einen Abend später urinierte ein Unbekannter in das Treppenhaus einer Moschee in Mölln. Bereits Mitte August hatten Unbekannte dort einen Beutel mit verwesendem Fleisch gegen die Tür geschleudert, berichtete Möllns SPD-Bürgermeister Jan Wiegels. Und schon vor einigen Monaten war ein rassistisches Schreiben aufgetaucht, in dem die Mitglieder der Gemeinde aufgefordert wurden, aus der Stadt zu verschwinden. Wiegels hat deshalb Kirchen, Vereine und Verbände für Samstag zu einer Solidaritätskundgebung aufgerufen.
Mit Mölln und Oldenburg summiert sich die Zahl der Übergriffe auf Moscheen in den letzten vier Wochen auf fünf. Überhaupt haben solche Vorfälle zugenommen. Während zwischen 2001 und 2011 rund 22 Übergriffe pro Jahr gezählt wurden, stieg diese Zahl 2012 auf 35 und ein Jahr später auf 36, wie die Bundesregierung erst vor Kurzem bekanntgab.
Doch eine so spontane Geste des Mitgefühls wie im schleswig-holsteinischen Mölln ist die Ausnahme. Meistens reagieren Öffentlichkeit, Politik und Medien mit Gleichgültigkeit.
Bei Synagogen undenkbar
Ganz anders waren die Reaktionen vor ein paar Wochen, als ein Brandanschlag auf eine Synagoge in Wuppertal verübt wurde und bei Demonstrationen gegen den Gazakrieg auch antijüdische Parolen laut wurden. Politiker aller Parteien zeigten sich empört, selbst die Bundeskanzlerin meldete sich zu Wort. Und der Zentralrat der Juden hat deshalb jetzt für den 14. September zu einer Kundgebung unter dem Motto „Nie wieder Judenhass!“ am Brandenburger Tor in Berlin aufgerufen, zu der sich auch Kanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Gauck angekündigt haben.
Auf die Übergriffe gegen muslimische Gebetshäuser reagieren Öffentlichkeit, Politik und Medien im Vergleich dazu bisher eher zögerlich. So wie im Fall der Mevlana-Moschee in Berlin-Kreuzberg, deren Anbau vor etwa drei Wochen in Brand gesetzt wurde. Mit seiner rußgeschwärzten Fassade bietet der Rohbau seither einen besonders dramatischen Anblick. Inzwischen haben sich auch dort prominente Politiker wie SPD-Chef Sigmar Gabriel für einen Solidaritätsbesuch blicken lassen.
Dabei ist dieser Fall eher rätselhaft. Denn dass ein fanatischer Islamhasser mitten im Zentrum von Berlins Multikultibezirk einen Brandanschlag verübt hat, erscheint nur schwer vorstellbar. Der Tatverdacht gegen einen psychisch kranken Mann, der vor ein paar Tagen verhaftet wurde, hat sich bisher aber nicht erhärtet. Die Polizei tappt also weiterhin im Dunkeln, das Motiv bleibt unklar.
Es geht nicht ums Ausspielen
Für einen dezidiert islamfeindliches Motiv spricht dagegen das Vorgehen der Täter, die kürzlich in zwei verschiedene Moscheen in Bielefeld eingebrochen sind und beide Male versucht haben, das Gebäude in Brand zu setzen. Denn wer sonst sollte ausgerechnet einen Koran anzünden, um zu versuchen, eine Moschee in Brand zu setzen, außer ein Islamhasser? Doch die Reaktionen vor Ort blieben verhalten. Und auch auf die Bild-Schlagzeile „Nie wieder Muslimhass!“ wird man wohl noch lange warten müssen.
Es geht nicht darum, Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit gegeneinander auszuspielen. Beidem gilt es gleichermaßen entgegenzutreten. Festzuhalten bleibt aber auch: Antijüdische Parolen werden nur von ein paar Holzköpfen auf der Straße gegrölt. Sie werden strafrechtlich verfolgt, und selbst die Kanzlerin reagiert empört.
Antimuslimische Vorurteile dagegen werden von prominenten Publizisten in Talkshows vor Millionenpublikum und von Magazinen und bestimmten Zeitungen in hoher Auflage verbreitet. Vielleicht ein Grund, warum die Öffentlichkeit auf Übergriffe gegen Muslime so verhalten reagiert.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alleingang des Finanzministers
Lindner will Bürgergeld kürzen
Putins Brics-Gipfel in Kasan
Club der falschen Freunde
Deutsche Asylpolitik
Die Hölle der anderen
Kritik an Initiative Finanzielle Bildung
Ministeriumsattacke auf Attac
Linke in Berlin
Parteiaustritte nach Antisemitismus-Streit
Investitionsbonus für Unternehmen
Das habecksche Gießkannenprinzip