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Anreizprogramm für WohnungsbauNur die Wohnungsbranche jubiliert

Bauministerin Klara Geywitz (SPD) will den Wohnungsbau mit steuerlichen Anreizen ankurbeln. Die Reaktionen auf ihre Initiative sind durchwachsen.

Inzwischen ein seltenes Bild: Neubau von Wohnungen wie hier in Freiburg Foto: Winfried Rothermel/imago

Berlin taz | Es sieht derzeit nicht gut aus: Wegen gestiegener Bauzinsen und steigender Materialkosten steckt der Wohnungsbau in der Krise. Das von der Bundesregierung gesetzte Ziel, 400.000 neue Wohnungen pro Jahr zu schaffen, wurde krachend verfehlt. Dazu kommt: Die Zahl der Baugenehmigungen bricht ein. Nun wagt Bundesbauministerin Klara Geywitz einen neuen Vorstoß.

Das geht aus einem Papier aus dem Bundesbauministerium hervor, das der taz vorliegt. Sie will steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten deutlich erweitern und damit den kriselnden Wohnungsbau ankurbeln. „Angesichts des dramatischen Einbruchs bei den Baugenehmigungen und damit verbunden dem Rückgang der Bauinvestitionen in diesem Jahr brauchen Bau- und Immobilienwirtschaft dringend neue Investitionsanreize“, begründet die SPD-Politikerin ihre Initiative. Konkret will sie befristet ab 2024 bis Ende 2030 eine sogenannte degressive AfA für neue Wohngebäude einführen.

AfA ist die Abkürzung für „Absetzung für Abnutzung“. Derzeit gilt eine lineare AfA von 3 Prozent. Das heißt, Bauherren können bei einem Neubau pro Jahr 3 Prozent ihrer Baukosten absetzen. Eine degressive AfA hingegen würde anfangs höhere Abschreibungen ermöglichen, die sich dann mit der Zeit verringerten.

Der Vorschlag von Geywitz sieht konkret vor, dass in den ersten vier Jahren jeweils 7 Prozent der Baukosten abgeschrieben werden können. In den darauffolgenden vier Jahren sind es 5 Prozent, danach können 26 Jahre lang noch 2 Prozent abgesetzt werden. Die degressive AfA sei wegen der stark gestiegenen Zinsen „ökonomisch geboten“, heißt es in dem Papier aus dem Geywitz-Ministerium.

Derzeit existiert bereits eine Sonderabschreibung für den Mietwohnungsbau – diese ist aber an hohe energetische Standards gekoppelt. Beim neuen Vorschlag gibt es solche Umweltschutzvorgaben nicht.

Finanzministerium reagiert reserviert

Das Bauministerium möchte mit dem Vorhaben das geplante Wachstumschancengesetz von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) ergänzen, mit dem die Wirtschaft um jährlich rund 6,5 Milliarden Euro entlastet werden soll. Doch auf den Vorstoß von Geywitz reagiert das Finanzministerium auf Nachfrage verhalten.

Die Ressortabstimmung zum Wachstumschancengesetz dauere noch an, heißt es von dort nur schmallippig. Im Übrigen brauche die deutsche Wirtschaft „eine kluge Angebotspolitik und verstärkte Anreize für private Investitionen, aber nicht immer neue Subventionen und Nachfrageimpulse“. Der derzeitige Entwurf zum Wachstumschancengesetz sei durch die Finanzplanung gedeckt, für weitere Maßnahmen müsse „eine Gegenfinanzierung aufgezeigt werden“. Die ist bisher ungeklärt.

Die Wohnungsbranche zeigt sich hingegen begeistert. „Dieser Vorstoß könnte genau die Impulse bringen, die den daniederliegenden Wohnungsbau reanimieren“, befand Andreas Mattner, Präsident des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA). Der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen forder­te zusätzlich eine Sonderabschreibung für Unternehmen, die Mietbegrenzungen garantieren.

Kritik von Grünen und Linkspartei

Weniger begeistert klingt der grüne Bundestagsabgeordnete Kassem Taher Saleh, der selbst Bauingenieur ist. „Die vorgeschlagenen steuerlichen Subventionen begünstigen profitorientierte Unternehmen, ohne Anforderungen an bezahlbare Mieten zu stellen“, kritisierte er. Zugleich führten die fehlenden Klimaschutzstandards „zum Fortsetzen alter Bauweisen“. Taher Saleh forderte stattdessen die Einführung einer neuen Wohngemeinnützigkeit und „Erleichterungen für das Bauen im Bestand“.

Deutliche Kritik kommt von der Linkspartei. „Der Vorschlag von Ministerin Geywitz zur steuerlichen Abschreibung ist sozial völlig ungezielt“, sagte ­Caren Lay, die mieten-, bau- und wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion. So würden Investoren auch beim sehr lukrativen Bau teurer Luxuswohnungen begünstigt.

Gebraucht würden jedoch bezahlbare Mietwohnungen für Menschen mit weniger Geld. „Wenn Steuervergünstigung, dann für gemeinnützigen Wohnungsbau mit dauerhafter Begrenzung der Miethöhe“, so Lay. Es brauche dringend mehr Förderung des kommunalen, sozialen und genossenschaftlichen Wohnungsbaus.

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12 Kommentare

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  • > Die vorgeschlagenen steuerlichen Subventionen begünstigen profitorientierte Unternehmen



    Meint Herr Saleh damit Handwerker und Bauherren, die trotz gestiegener Preise von ihrer Arbeit leben und eine Familie ernähren wollen?



    Das hohe Mietpreisniveau resultiert aus dem Mangel, aus einem Mißverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage. Eine künstliche Verbilligung des Angebots kann die Nachfrage nur weiter steigern und die Lücke vergrößern. Eine Wohnung finden kann man dann vermutlich überhaupt nur noch mit staatlich-behördlicher Zuteilung. Warum auch nicht? In weiten Teilen Berlins hat sich das Verfahren vierzig Jahre lang hervorragend bewährt, oder etwa nicht?

    • @Axel Berger:

      Neu gebaut werden kann profitabel nur noch mit Angebotsmieten jenseits der 20 Euro kalt. Das sagt die Wohnungsbranche rauf und runter jeden Tag. Völlig unabhängig von Angebot und Nachfrage auf dem sonstigen Wohnungsmarkt. Bauen lohnt sich nur noch für sehr hohe Mieten.

      • @LesMankov:

        Allerdings kann ich in Polen das gleiche Haus mit den gleichen Firmen (gleichen Handwerkern sowieso) für 60% des deutschen Preises bauen. Wenn in Deutschland mal die Wegelagerei bei Abgaben, Gebühren, Steuern und der juristische Oberhead mal etwas entschlackt würde, sind auch Kaltmieten um die 10€ noch möglich. Billiger geht allerdings inzwischen auf gar keinen Fall mehr. Hauptproblem in Deutschland sind ja sowieso eher die zu niedrigen Einkommen als die zu hohen Mieten.

        • @Šarru-kīnu:

          Das Hauptproblem ist teurer Baugrund. Das ist auch der Unterschied zu Polen. Dort ist Bauland günstig.

  • Statt "einführen" müsste es lauten "wieder einführen". Die degressive AfA gab es immer mal wieder seit es das Einkommensteuergesetz gibt.

    Die jetzt vorgeschlagene Regelung entspricht der Regeleung des § 7 Abs. 5 Satz 2 EStG in der Fassung des Gesetzes vom 30.06.1989.

    Die Tatsache, dass die Überlegung die Bauwirtschaft erfreut ist ein Indiz für die Wirksamkeit.

    Die von der Opposition geforderte Widereinführung der "Wohngemeinnützigkeit" ist dagegen lediglich eine Utopie, da es niemanden gibt, der unter solchen Bedingungen bauen würde.

  • Statt Geld mit der Gießkanne für den Mietwohnungsbau - und damit zu Lasten der Eigentumsbildung breiter Schichten und der Alterssicherung - sollte es gezielte Programme geben.

    Wichtig wäre eine initiale Unterstützung für "Miet und Kauf"-Projekte, bei denen junge Familien eine Wohnung kaufen, die andere mieten. Z.B. eine 2-Zimmer-Wochung kaufen und eine 1 1/2-Zimmer-Wohnung mieten.

    Die gemietete Wohnung kann dann wieder abgegeben werden, wenn die Familie sich wegen erwachsenen Kindern oder wegen Trennung der Eltern verkleinert. Die Schuldenbelastung ist von Anfang an geringer, die Tilgung schneller, und im Alter steht eine Eigentumswohnung zur Verfügung, deren Wohngeld auch aus der Rente finanziert werden kann.



    Bei Verkauf wegen Umzug sollte die Mietwohnung erneut an den Erwerber der ETW vermietet werden.

    Das müsste auch bei dem Parkplatzvorschriften der Bundesländer nicht mehr diskriminiert werden.

  • Und wie sieht es mit der zunehmenden Flächenversiegelung durch Neubauten aus? Das wird hier mal wieder komplett vernachlässigt. Aussserdem erscheint mir eine degressive Abschreibung nicht sehr sinnvoll, am Ende fördert das das obere Preissegmenr bei Mietwohnungen.

  • Das ist doch auch wieder nur Flickschusterei. Klimafreundlich bauen ist, verbunden mit den ganzen Anforderungen des Beamtenschimmels, kostenintensiv und lohnt nur bei entsprechenden Verkaufs- oder Mieterlösen. Da können Sozialwohnungen nur ein Anhängsel sein, was durch die Erlöse im Hochpreissegment quersubventioniert wird.

    Ihr wollt neue Sozialwohnungen ? Dann senkt die baurechtlichen Anforderungen. Ihr wollt Sozialwohnungen mit einer immerwährenden günstigen Miete ? Dann senkt sie noch weiter.

    • @SeppW:

      Besonders sozial hören sich komplett abgesenkte Standards in meinen Ohren nicht an. Und besonders klug scheint mir der Ansatz möglichst billig und damit wohl auch CO2-intensiv etwas zu bauen das den Klimaveränderungen nicht gewachsen ist und dann mittelfristig unbewohnbar wird auch nicht gerade.

      • @Ingo Bernable:

        Keine Sorge, selbst bei einer deutlichen Absenkung zieht niemand in eine Schimmel-Bretterbude ein. Von einem KfW 85- Standardbau träumt so mancher Berliner, der für Wärme in seiner Sozialwohnung noch Kohlen aus dem Keller holen muss.

        • @SeppW:

          Da bin ich nicht so sicher. Ich habe in letzter Zeit von mehreren Bekannten Horrorstories über die Wohnungssuche in Köln und die gezeigten Angebote gehört. Bei genug Mangel wird alles genommen.

          • @Axel Berger:

            Ich meinte damit das Neubauten mit KfW 85 Standard auch für Normalsterbliche vollkommen ausreichen und keinen sozialen Absturz bedeutet. KfW 55, 40 oder 40+ ist ja ganz nett, aber für den sozialen Wohnungsbau zu teuer.

            Das in der aktuellen Situation alles an Wohnraum genommen wird, egal wie der aussieht, weiß ich. Da sind auch alte Buden mit Kohleofen in irgendeinem verranzten Berliner Altbau zum maximalen möglichen Mietpreis ohne Probleme vermittelbar. Auch da stehen die Leute zur Besichtigung zu hunderten Schlange.