Anreizprogramm für Wohnungsbau: Nur die Wohnungsbranche jubiliert
Bauministerin Klara Geywitz (SPD) will den Wohnungsbau mit steuerlichen Anreizen ankurbeln. Die Reaktionen auf ihre Initiative sind durchwachsen.
Das geht aus einem Papier aus dem Bundesbauministerium hervor, das der taz vorliegt. Sie will steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten deutlich erweitern und damit den kriselnden Wohnungsbau ankurbeln. „Angesichts des dramatischen Einbruchs bei den Baugenehmigungen und damit verbunden dem Rückgang der Bauinvestitionen in diesem Jahr brauchen Bau- und Immobilienwirtschaft dringend neue Investitionsanreize“, begründet die SPD-Politikerin ihre Initiative. Konkret will sie befristet ab 2024 bis Ende 2030 eine sogenannte degressive AfA für neue Wohngebäude einführen.
AfA ist die Abkürzung für „Absetzung für Abnutzung“. Derzeit gilt eine lineare AfA von 3 Prozent. Das heißt, Bauherren können bei einem Neubau pro Jahr 3 Prozent ihrer Baukosten absetzen. Eine degressive AfA hingegen würde anfangs höhere Abschreibungen ermöglichen, die sich dann mit der Zeit verringerten.
Der Vorschlag von Geywitz sieht konkret vor, dass in den ersten vier Jahren jeweils 7 Prozent der Baukosten abgeschrieben werden können. In den darauffolgenden vier Jahren sind es 5 Prozent, danach können 26 Jahre lang noch 2 Prozent abgesetzt werden. Die degressive AfA sei wegen der stark gestiegenen Zinsen „ökonomisch geboten“, heißt es in dem Papier aus dem Geywitz-Ministerium.
Derzeit existiert bereits eine Sonderabschreibung für den Mietwohnungsbau – diese ist aber an hohe energetische Standards gekoppelt. Beim neuen Vorschlag gibt es solche Umweltschutzvorgaben nicht.
Finanzministerium reagiert reserviert
Das Bauministerium möchte mit dem Vorhaben das geplante Wachstumschancengesetz von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) ergänzen, mit dem die Wirtschaft um jährlich rund 6,5 Milliarden Euro entlastet werden soll. Doch auf den Vorstoß von Geywitz reagiert das Finanzministerium auf Nachfrage verhalten.
Die Ressortabstimmung zum Wachstumschancengesetz dauere noch an, heißt es von dort nur schmallippig. Im Übrigen brauche die deutsche Wirtschaft „eine kluge Angebotspolitik und verstärkte Anreize für private Investitionen, aber nicht immer neue Subventionen und Nachfrageimpulse“. Der derzeitige Entwurf zum Wachstumschancengesetz sei durch die Finanzplanung gedeckt, für weitere Maßnahmen müsse „eine Gegenfinanzierung aufgezeigt werden“. Die ist bisher ungeklärt.
Die Wohnungsbranche zeigt sich hingegen begeistert. „Dieser Vorstoß könnte genau die Impulse bringen, die den daniederliegenden Wohnungsbau reanimieren“, befand Andreas Mattner, Präsident des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA). Der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen forderte zusätzlich eine Sonderabschreibung für Unternehmen, die Mietbegrenzungen garantieren.
Kritik von Grünen und Linkspartei
Weniger begeistert klingt der grüne Bundestagsabgeordnete Kassem Taher Saleh, der selbst Bauingenieur ist. „Die vorgeschlagenen steuerlichen Subventionen begünstigen profitorientierte Unternehmen, ohne Anforderungen an bezahlbare Mieten zu stellen“, kritisierte er. Zugleich führten die fehlenden Klimaschutzstandards „zum Fortsetzen alter Bauweisen“. Taher Saleh forderte stattdessen die Einführung einer neuen Wohngemeinnützigkeit und „Erleichterungen für das Bauen im Bestand“.
Deutliche Kritik kommt von der Linkspartei. „Der Vorschlag von Ministerin Geywitz zur steuerlichen Abschreibung ist sozial völlig ungezielt“, sagte Caren Lay, die mieten-, bau- und wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion. So würden Investoren auch beim sehr lukrativen Bau teurer Luxuswohnungen begünstigt.
Gebraucht würden jedoch bezahlbare Mietwohnungen für Menschen mit weniger Geld. „Wenn Steuervergünstigung, dann für gemeinnützigen Wohnungsbau mit dauerhafter Begrenzung der Miethöhe“, so Lay. Es brauche dringend mehr Förderung des kommunalen, sozialen und genossenschaftlichen Wohnungsbaus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Außenministertreffen in Brüssel
„Europa spricht nicht die Sprache der Macht“