Annäherung Israel – Libanon: Ohne die Hisbollah wäre längst Frieden
Die Regierungen in Beirut und Jerusalem schicken Vertreter zu direkten Gesprächen. Ein erster Schritt in Richtung Normalisierung der Beziehungen.
W arum nicht mal etwas anderes ausprobieren als immer nur Krieg und Vertreibung. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten trafen Diplomaten aus Israel und Libanon zu direkten Gesprächen zusammen. Es sei der Versuch, eine Basis für Beziehungen und wirtschaftliche Kooperation herzustellen, verlautete aus Jerusalem. Ganz aus freien Stücken kam der Entschluss von Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu allerdings nicht.
US-Präsident Donald Trump hat berechtigte Sorge, dass die vor einem Jahr erreichte wacklige Waffenruhe erneut in einen offenen Krieg eskalieren könnte und drängt nicht nur Israel zu mehr Kompromissbereitschaft. Auch die Regierung in Beirut ist aufgerufen, endlich Nägel mit Köpfen zu machen. Ihr Auftrag, den das Kabinett in Beirut Anfang August selbst bekräftigte, lautet: Entwaffnung der schiitischen Hisbollah-Miliz bis zum Ende des Jahres.
Die Entmilitarisierung der Terrormiliz ist keineswegs nur US-Diktat oder Wunsch Israels, sondern durchaus im Interesse Beiruts. Ein Land, eine Armee – das zu erreichen, war selten so aussichtsreich wie seit dem Krieg. Die Terrormiliz musste im vergangenen Jahr heftige Verluste hinnehmen. Und doch erscheint die Mission für die libanesischen Streitkräfte nahezu unmöglich. Die Hisbollah-Guerillas lagern ihre Waffen nicht ordentlich registriert in Militärdepots, sondern verstecken sie übers Land verstreut auch in privaten Wohnhäusern.
Die libanesischen Streitkräfte haben nach eigenen Aussagen bereits rund 80 Prozent der Rüstung konfisziert, was allerdings maßlos übertrieben sein dürfte. Mit der Entmilitarisierung der Hisbollah-Miliz steht und fällt jede Chance auf einen dauerhaften Frieden. Die schiitischen Extremisten und ihre Finanziers in Teheran sind es, die seit Jahrzehnten diplomatischen Beziehungen und offenen Grenzen zwischen den beiden Nachbarländern im Weg stehen.
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Ein Wiedererstarken der Terrormiliz, die sich offen die Vernichtung Israels zum Ziel setzt, würde zwangsläufig auf kurz oder lang wieder zu einem Krieg führen.
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