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Anklage gegen Ex-VW-Chef WinterkornDer Herr der Spaltmaße

Pedant und Autowahnsinniger: Martin Winterkorn war der oberste Ingenieur bei Volkswagen – und soll nun wegen Dieselgate angeklagt werden.

Pedant und Autonarr: Martin Winterkorn Foto: ap

BERLIN taz | Er war der promovierte Metallphysiker, der auf der Automesse eine Taschenlampe aus dem Jackett zog, um die Lenkradverstellung eines Hyun­dai für gut zu befinden: „Da scheppert nix.“ Und er war der, der seinen Designer dafür zusammenstauchte: „BMW kann’s nicht, wir können’s nicht. Warum kann’s der?“ Er war der Herr der Spaltmaße, Pedant und Autowahnsinniger, der oberste Ingenieur des Wolfsburger Autoimperiums – und kümmerte sich trotz gut 650.000 MitarbeiterInnen höchstpersönlich um die Verarbeitung eines Kofferraumblechs.

Er war der, der in neun Jahren auf dem VW-Thron die Zahl der Beschäftigten um 140.000 erhöhte, Umsatz und Gewinne verdoppelte. Jetzt, wo gerade die Produktion des Golfs der achten Generation wegen Technikmurks immer weiter nach hinten verschoben werden muss, vermissen viele bei Volkswagen einen wie Martin Winterkorn. Der musste im September 2015 zurücktreten, als der Dieselskandal bekannt wurde. Bis heute knabbert der weltgrößte Autohersteller daran, „Dieselgate“ hat den Konzern bislang 29 Milliarden Euro Strafen und Entschädigungen gekostet.

Am Montag erhob die Staatsanwaltschaft Braunschweig Anklage gegen den 71-Jährigen und vier weitere Manager wegen schweren Betrugs, Untreue und unlauteren Wettbewerbs. Dabei vermuten die Ermittler offenbar nicht, Winterkorn habe den Einbau von illegalen Abschalteinrichtungen, die die Emissionswerte von Dieselautos auf dem Prüfstand verringerten, selber angewiesen.

Allerdings soll er in einer hausinternen Mail im Mai 2014 davon erfahren und es unterlassen haben, die rechtswidrigen Manipulationen an Dieselmotoren den zuständigen Behörden in Europa und den USA zu melden. Zudem habe Winterkorn im November 2014 ein Softwareupdate eingeführt, um den wahren Grund für die erhöhten Stickoxidwerte der Fahrzeuge zu verschleiern. So sehen das zumindest die Staatsanwälte in Braunschweig.

Pensionär mit 3.100 Euro Betriebsrente – täglich

Er habe zu akzeptieren, dass nun sein „Name verbunden ist mit der sogenannten Dieselaffäre“, sagte Winterkorn im Januar 2017 mit verschränkten Armen in einer Befragung des Abgas-Untersuchungsausschusses des Bundestages. Auf diese hatte er sich minutiös vorbereitet. Dies ergab eine Liste mit 70 Fragen und Antworten, die Fahnder bei der Durchsuchung in Winterkorns Münchner Wohnhaus (er war im Aufsichtsrat des FC Bayern) in einem schwarzen Koffer fanden.

Darin gab es Auskunft darüber, was er als Pensionär mit 3.100 Euro Rente am Tag zu Entschädigungen für die geprellten VW-Kunden in Deutschland zu sagen hatte. Und darüber, wie es dazu kam, dass er sich von VW in seine Villa eine Heizung für 60.000 Euro in seinen Gartenteich einbauen ließ, damit es seinen Kois nicht zu kalt wurde. Dabei verdiente Winterkorn bis zu 17 Millionen Euro im Jahr.

Fast vier Jahre nach Auffliegen des Skandals ermittelt nun allein die Staatsanwaltschaft in Braunschweig gegen 42 Beschuldigte in Sachen Dieselgate. Auch der einstige Audi-Chef Rupert Stadler saß wegen Fluchtgefahr in U-Haft. Einer seiner Vorgänger: Winterkorn. Der arbeitete von 1981 bis 2007 bei Audi, das als Keimzelle des Skandals gilt.

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