Anklage gegen Beate Zschäpe: Beihilfe oder Mittäterschaft?
Warten auf Karlsruhe: In den kommenden Tagen wird die Bundesanwaltschaft die mutmaßliche NSU-Terroristen Beate Zschäpe anklagen.
BERLIN taz | Ein Jahr nach Auffliegen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ wird mit Spannung die Anklage gegen die 37-jährige Beate Zschäpe erwartet. Sie gilt als einziges noch lebendes Mitglied der Terrorzelle.
Kurz nachdem sie sich am 8. November 2011 gestellt hatte, sah es noch so aus, als ob sie reden wolle. Sie habe sich „nicht gestellt, um nicht auszusagen“, sagte Zschäpe einer Polizistin in einer Pause beim Haftrichter.
Seitdem sitzt sie im Frauentrakt der JVA Köln-Ossendorf – und schweigt – ihr gutes Recht. Dennoch hat Barbara John, die Ombudsfrau für die Opfer der Terrorgruppe, Zschäpe nun aufgefordert, ihr Schweigen zu brechen. „Wenn sie auch nur eine klitzekleine Faser Herz hat, würde sie das tun“, sagte John.
Die spannende Frage wird sein, ob die Bundesanwaltschaft Zschäpe in ihrer Anklage neben der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und besonders schwerer Brandstiftung auch eine Mittäterschaft bei den zehn Morden des NSU vorwerfen wird. Schon vor einigen Wochen hatte die Karlsruher Behörde dem Bundesgerichtshof geschrieben, dass die bis spätestens November vorliegende Anklage eine „Beteiligung“ an den Taten umfassen werde – was juristisch sowohl eine Mittäterschaft an den NSU-Morden als auch den weniger schwerwiegenden Vorwurf der Beihilfe bedeuten kann.
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Zschäpe soll Bekennervideo verschickt haben
Nach derzeitigem Wissen gibt es keine Belege dafür, dass Zschäpe an den Tatorten war, als Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt von September 2000 bis April 2007 neun türkisch- und griechischstämmige Kleinunternehmer sowie eine deutschstämmige Polizistin erschossen. Doch mehrere Indizien deuten darauf hin, dass sie von den Morden zumindest gewusst hat. So fanden die Ermittler im Brandschutt des Zwickauer NSU-Verstecks Zeitungsartikel mit den Fingerabdrücken von Zschäpe. Einer thematisierte den Mord am Gemüsehändler Habil Kilic in München 2001, der andere den Nagelbombenanschlag der Terrorgruppe in Köln 2004.
Nicht zuletzt soll Zschäpe auch das Bekennervideo des NSU nach dessen Auffliegen verschickt haben. Dort bejubeln die Neonazis ihre Taten – samt den von den Mördern selbst aufgenommenen Fotos ihrer toten oder gerade sterbenden Opfer.
Gab es einen „gemeinsamen Tatplan“ des Trios? Dann hätte Beate Zschäpe im voraussichtlich im Frühjahr in München beginnenden Prozess mit lebenslanger Haft zu rechnen.
Fünf Helfer
Neben Zschäpe werden vermutlich auch fünf Helfer des NSU-Trios angeklagt, allen voran der ehemalige Thüringer NDP-Funktionär Ralf Wohlleben, der den Terroristen zusammen mit dem Waffenkurier Carsten S. die Ceska-Pistole verschafft haben soll, mit der die Neonazis fast alle ihre Morde begingen.
Doch trotz einem Jahr des Ermittelns ist es an vielen Stellen noch nicht gelungen, den NSU und sein Netzwerk aufzuhellen. 100 Männer und Frauen stehen auf einer geheimen Liste „relevanter Personen“ im Umfeld des Terrortrios, die das BKA und der Verfassungsschutz erstellt haben. Doch ob über das Trio Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe hinaus jemand etwas von den Mordtaten der Terrorzelle wusste, ist bis heute unklar – die Ermittler konnten es bisher jedenfalls niemandem nachweisen. Das war auch der Grund, warum mehrere mutmaßliche Terrorhelfer von Mai 2012 an aus der Untersuchungshaft entlassen werden mussten.
Das Innenleben des NSU, so scheint es, kann nur Beate Zschäpe aufhellen. Ihre „Familie“ nannte sie Mundlos und Böhnhardt, nachdem sie sich gestellt hatte. Die beiden hätten sie „nie zu etwas gezwungen“.
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