Anklage gegen Beate Zschäpe: Anwalt kritisiert Bundesanwaltschaft
Beate Zschäpe soll von der Anklageerhebung gegen sie aus dem Fernsehen erfahren haben, beklagt ihr Anwalt. Die Bundesanwaltschaft weist die Kritik zurück.
HAMBURG dapd | Der Verteidiger der wegen Beteiligung an zehn Morden des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) angeklagten Beate Zschäpe hat die Bundesanwaltschaft kritisiert. Deren Vorgehen, wesentliche Inhalte der Anklageschrift zuerst der Öffentlichkeit zu präsentieren, stoße bei den Anwälten auf „völliges Unverständnis“, sagte der Koblenzer Rechtsanwalt Wolfgang Stahl dem Spiegel. Aus seiner Sicht verstoße dies gegen die Richtlinien für das Strafverfahren.
Wesentliche Rechte der Verteidigung seien ignoriert worden, wie bereits im Dezember 2011, monierte Stahl. Damals seien zu Beginn der Ermittlungen gegen den NSU Akteninhalte und Asservate der Öffentlichkeit präsentiert worden, die der Verteidigung noch nicht bekannt waren. „Dieses Vorpreschen zieht sich wie ein roter Faden durch das Verfahren“, beklagte Stahl.
Die in der Justizvollzugsanstalt Köln-Ossendorf einsitzende Zschäpe hat Stahl zufolge aus dem Fernsehen von der Anklageerhebung erfahren. Sie sei sehr irritiert gewesen, dass sie mit den konkreten Vorwürfe im Fernsehen konfrontiert worden sei, bevor die Anwälte mit ihr sprechen konnten.
Bundesanwaltschaft weist Vorwurf zurück
Die Bundesanwaltschaft verteidigt ihr Vorgehen am Sonntag. Man habe sich zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen aller Verfahrensbeteiligten veranlasst gesehen, die Medien umgehend zu informieren, sagte eine Sprecherin des Generalbundesanwalts in Karlsruhe.
Dieses Vorgehen sei „ausnahmsweise“ gewählt worden, „um Spekulationen über den Inhalt der Anklageschrift zu begegnen und einer Fehlinformation der Öffentlichkeit vorzubeugen“. Die Verteidiger der Angeschuldigten waren telefonisch über diesen Schritt informiert worden.
Vorwürfe „kritisch hinterfragen“
Die Bundesanwaltschaft hatte vergangenen Donnerstag Anklage gegen Zschäpe und vier mutmaßliche Unterstützer erhoben. Die 37-Jährige wurde zwar nicht als Todesschützin angeklagt, sie sei aber als „Mittäterin“ genauso für die terroristischen Verbrechen des NSU verantwortlich wie ihre Komplizen, befand die Bundesanwaltschaft. Diese Vorwürfe kamen laut Stahl für Zschäpe nicht überraschend.
Der Anwalt will den Vorwurf, dass der NSU als terroristische Vereinigung handelte, „kritisch hinterfragen“. Er bezweifle, dass die von der Bundesanwaltschaft hierzu vorgelegten Beweise ausreichen.
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