Anja Siegesmund zu Klima im Grundgesetz: „Markus Söder soll handeln“
Thüringens grüne Umweltministerin Anja Siegesmund will, dass Klimaschutz ins Grundgesetz kommt. Nun stimmt der Bundesrat darüber ab.
taz: Frau Siegesmund, am Freitag steht Ihr Antrag, Klimaschutz ins Grundgesetz aufzunehmen, im Bundesrat zur Abstimmung. Wird es eine Mehrheit geben?
Anja Siegesmund: Daran arbeite ich. Neu ist unser Antrag nicht. Er stammt von November 2018, es war also genug Zeit für alle Länder, darüber nachzudenken, ob sie sich nicht nur in Sommerinterviews zum Klimaschutz bekennen wollen. Das Ergebnis am Freitag ist aber noch völlig offen.
Sie haben den Antrag kürzlich verschoben. Warum? Weil manche Bundesländer noch nachdenken müssen?
Die Klimakrise ist real, das bringt auch Konservative auf neuen Kurs. Alle kennen das Sommerinterview des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, in dem er sagte, Klimaschutz sei wirklich wichtig und müsse ins Grundgesetz. Jetzt müssen wir darum ringen, dass die Länder, in denen die Union mitregiert, zustimmen. Deshalb hat mich ein Brief aus Bayern hoffnungsfroh gestimmt, in dem es heißt, dass Klimaschutz als gesamtgesellschaftliche Aufgabe wichtig sei. Parteipolitischen Überlegungen müssten dem untergeordnet werden, schrieb uns die bayerische Landesregierung.
Die CSU müsste zähneknirschend einem rot-rot-grünen Antrag aus Thüringen zustimmen. Ein Hindernis?
Eigentlich nicht. Was der Bund bisher mit dem Klimapaket geliefert hat, ist eine große Enttäuschung, insbesondere für die, die auf der Straße demonstrieren. Jetzt wäre es doch an einem Bundesland wie Bayern, zu zeigen, wie wichtig Klimaschutz ist. Schließlich hat sich Markus Söder verbal an die Spitze der Bewegung zu stellen versucht. Es gibt auch bereits Bundesratsinitiativen von uns, denen Bayern zugestimmt hat, etwa zur Bioenergie. Bisher hatte Markus Söder nur warme Worte für den Klimaschutz übrig, ich will jetzt Taten von ihm sehen. Sonst war seine Forderung, Klimaschutz ins Grundgesetz aufzunehmen, nur heiße Luft.
Würde Klimaschutz bereits im Grundgesetz stehen, wäre doch nicht automatisch das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung anders ausgefallen.
Wenn Klimaschutz Verfassungsrang hat, dann muss sich auch jedes Gesetz, das verabschiedet wird, daran messen. Der Maßstab für Klimaschutz ist nicht, wie viel Kraft CDU und SPD aufbringen, um hier und da ein paar Pflaster zu verteilen, sondern das Pariser Klimaschutzabkommen. Bisher reißt alles, was die Bundesregierung vorgelegt hat, die Pariser Ziele.
Die Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen hat doch bereits Verfassungsrang, was bringt da das Wort „Klimaschutz“ noch?
42, ist seit 2014 Umweltministerin in Thüringen. Zuvor war sie Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landesparlament.
Zum Klimaschutz gehört auch eine klare Verkehrswende, was Andreas Scheuer da macht, ist vor allem Tamtam um ein paar Elektroroller. Wir brauchen Investitionen in nachhaltige Mobilität. Und es betrifft auch den Agrarbereich. Dann muss sich Julia Klöckner daran messen lassen, endlich eine klimagerechte Agrarpolitik zu machen.
Noch mal: Wo ist der Unterschied zwischen „Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen“ und Klimaschutz?
Klimaschutz ist präziser. Und es entspricht dem, was international vereinbart ist. Die Bewahrung der Lebensgrundlagen ist allgemein betrachtet ein wichtiges Thema. Aber die Lage ist zu ernst. Wenn Kabinettsentscheidungen anstehen, dann darf eben nicht nur die FinanzministerIn das letzte Wort haben, sondern auch diejenigen, die sagen, das entspricht den Klimaschutzzielen, ja oder nein.
Wir hatten kürzlich Christian Calliess im Interview, der Mitglied im Sachverständigenrat für Umweltfragen ist. Er sagte, ein allgemeines Staatsziel Klimaschutz bringe nichts. Man müsse das Vorhaben konkret im Grundgesetz formulieren. So eine konkrete Formulierung ist in Ihrem Antrag aber nicht enthalten.
Wir wollen, dass Klimaschutz „ausdrücklich“ als Staatsziel ins Grundgesetz kommt. Eine fertige Formulierung ist der nächste Schritt. Wenn sich die Debatte endlich darum drehen würde, dann wäre das gut, das wäre eine Diskussion nach vorn. Mir geht es nicht um die bloße Verankerung eines Wortes. Die Formulierung muss am Ende so sein, dass Klimaschutz alle politischen Entscheidungen durchdringt.
Die Union hat beschlossen, man wolle den Begriff „nachhaltig“ ins Grundgesetz aufnehmen. Wäre das eine Alternative?
Darüber kann man diskutieren. Aber Nachhaltigkeit ist ein großes Wort. Wir sind in einer akuten Klimakrise. Dem müssen wir gerecht werden. Deshalb bleibe ich dabei, dass Klimaschutz ins Grundgesetz muss. Das ist keine Gegenrede gegen Nachhaltigkeit, die ist in Thüringen erfunden worden, mit einer Bewirtschaftung der Wälder, bei der nur entnommen wird, was nachwächst. Aber Nachhaltigkeit steht heute auf jeder Shampoopackung und in jedem Geschäftsbericht. Wir brauchen echten Klimaschutz jetzt und auf allen Ebenen.
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