piwik no script img

Anhaltender Flügelkampf in der ParteiDie Linke muss nachsitzen

Dienstag steht die zweite Vorstands-Wahlrunde in der Linken-Fraktion an. Dass es diesen neuen Anlauf braucht, zeigt, wie zerrissen die Partei ist.

Sie ist nicht Caren Lay – und vermutlich wurde Amira Mohamed Ali genau deshalb aufgestellt Foto: Christian Thiel/imago images

Berlin taz | Zu einem Hintergrundgespräch „in entspannter, adventlicher Atmosphäre“ lud die neue Fraktionsspitze der Linken im Bundestag in der vergangenen Woche. Humor haben sie immerhin noch in der Partei. Denn von einer entspannten Stimmung ist die Fraktion weit entfernt, seitdem die Wahl der neuen Frak­tions­spitze Mitte November abermals die Zerrissenheit der Partei dokumentierte. Neben Dietmar Bartsch wurde die bisher weitgehende unbekannte Amira Mohamed Ali an die Fraktionsspitze gewählt. Die mietenpolitische Sprecherin Caren Lay unterlag.

Am Dienstag steht die zweite Runde der Vorstandswahlen an. Gleich drei Posten konnten Mitte November nicht besetzt werden, weil die Kandidaten nicht die erforderliche Mehrheit erreichten: Für den Vizesprecherposten kandidierten Sören Pellmann und Nicole Gohlke erfolglos gegeneinander. Als Leiterin des Arbeitskreises Außenpolitik fiel Heike Hänsel durch, als Beauftragter für soziale Bewegungen Lorenz Gösta Beutin. Zumindest Pellmann, Hänsel und Beutin wollen es am Dienstag erneut versuchen, auch Gohlke tritt erneut an.

Der seit Langem tobende Machtkampf zwischen den Flügeln hat mit den Fraktionsvorstandswahlen einen neuen Höhepunkt erreicht. Mit der Wahl von Mohamed Ali hat sich das sogenannte „Hufeisen“-Bündnis von eher traditionellen Linken und Ost-Reformern gegen die Kipping-Linke durchgesetzt. Wie gespalten die Fraktion ist, zeigt das Ergebnis von 36 Stimmen für Mohamed Ali, 29 entfielen auf Lay. Bartsch erhielt ohne Gegenkandidat nur 44 Stimmen, der Parlamentarische Geschäftsführer Jan Korte 39.

Auf den Vorstandsposten, die im November nicht besetzt werden konnten, blockierten sich die beiden Lager gegenseitig. Offenkundig gibt es einige Abgeordnete in der Mitte, die vor allem profilierten Vertretern beider Seiten ihre Stimme verweigern: Pellmann und Hänsel werden zum Hufeisen gerechnet, Gohlke und Beutin zum Kipping-Lager. Das Problem für beide Seiten: Die Abweichler halten sich bedeckt.

Kompromisse oder offener Machtkampf?

Mohamed Alis Wahl ist ein Zeichen dafür, wie sehr die Linke im Machtkampf steckt. Schon zu Beginn des Jahres, bei der Nominierung der Spitzenkandidaten für die Europawahl, waren innerparteiliche Überlegungen wichtiger als die Außenwirkung.

Der Bundesvorstand um Katja Kipping, der das Vorschlagsrecht hatte, stellte damals mit der Aufstellung der wenig bekannten Martin Schirdewan und Özlem Demirel seine beiden Unterstützerlager zufrieden. Der Wahlkampfstimmung hielt sich anschließend in Grenzen, Huf­eisen-Anhänger lästerten intern über die schwachen Kandidaten. Bei der Europawahl holte die Linke 5,5 Prozent – das war ihr bisher schlechtestes Ergebnis.

Nun also dasselbe Spiel bei der Wahl des Fraktionsvorstands, nur diesmal durch das Hufeisen. Mohamed Ali ist erst seit 2017 im Bundestag, talkshowerfahren ist sie nicht. Ihre Unterstützer hoffen darauf, dass sie mit dem Amt wächst. Aber sicher ist das nicht. Ausschlaggebend für ihre Aufstellung war: Mohamed Ali ist nicht Caren Lay, die trotz Absetzbewegungen als Kipping-Vertraute galt.

Abgesehen von persönlichen Animositäten steckt dahinter eine taktische Frage: Löst man die politischen Konflikte in der Partei besser durch Kompromisse – oder durch eine Entscheidung im Machtkampf? Kipping steht für eine Annäherung an die junge, grüne Wählerklientel. Klimaschutz und Flüchtlingspolitik behandelt sie mindestens gleichrangig zu sozialen Themen.

Die nächste Runde könnte im Frühling anstehen

Traditionslinke wie Ost-Reformer plädieren dagegen dafür, die sozialen Themen nach vorne zu schieben. 2019 erzielte die Linke nicht nur ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Europawahl, sondern rutschte auch mit jeweils nicht einmal 11 Prozent in Sachsen und Brandenburg Richtung Existenzgefährdung. Von Thüringen und dem Sonderfall Berlin abgesehen, zerbröselt die Machtbasis der Reformer im Osten.

Man kann die Wahlergebnisse als Folge des über Monate hinweg öffentlich ausgetragenen Machtkampfs zwischen Sahra Wagenknecht und Katja Kipping interpretieren – und deshalb für eine Kompromisslösung plädieren. Sieht man die Wahlergebnisse aber als Konsequenz fehlender inhaltlicher Klarheit, muss man den Flügelkampf bis zur Entscheidung fortsetzen. Das war die Taktik des Hufeisens bei der Wahl der Fraktionsführung im November.

Im Frühling könnte die zweite Runde im Machtkampf anstehen. Im Juni tagt der Bundesparteitag in Erfurt, Kipping und ihr Ko-Vorsitzender Riexinger müssten sich dort zur Wiederwahl stellen. Aber laut Satzung sollen Parteiämter nicht länger als acht Jahre ausgeübt werden. Kipping und Riexinger bräuchten daher die Zustimmung der Delegierten zu einer Ausnahme. Viele rechnen damit, dass im Juni die Ära Kipping/Riexinger zu Ende geht. Aber wer kommt danach?

Am Dienstag dürfte erst einmal die Wahl von Lorenz Gösta Beutin zum Prüfstein werden. Mitte November fehlte dem Kieler nur eine einzige Stimme zur Wahl als Fraktionsvorstandsmitglied für soziale Bewegungen. Beutin, der sich in der vergangenen Monaten besonders bei der Klimabewegung engagiert hat, sieht daher gute Chancen für seine Wahl im nächsten Versuch am Dienstag. „Der größte Teil der Fraktion hat verstanden, dass der Klimawandel auch eine soziale Frage ist, weil die Ärmsten am stärksten davon betroffen sind“, sagte er im Gespräch mit der taz. Und weiter: „Es ist wichtig, dass soziale Bewegungen wieder im Fraktionsvorstand vertreten sind.“

Aber das sehen nicht alle so. Für den Fall, dass Beutin erneut scheitern sollte, befürworten einige die völlige Streichung des Postens eines „Beauftragten für soziale Bewegungen“ im Parteivorstand. Schließlich war die Stelle nur eingerichtet worden, um den Kipping-Flügel zu befrieden. Und Kompromisse stehen bei der Linken gerade nicht hoch im Kurs.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • @Max Mutzke



    Finde ich auch.

  • Die sollten Ja van Aken zurückholen. Der war klug, maßvoll aber gradlinig und eloquent.

    • @Max Mutzke:

      den fand ich auch gut!