Angst vor dem Clubsterben: Ganz Hamburg liebt das Molotow
Dem „Molotow“ in St. Pauli droht das Aus, weil es einem Hotel weichen soll. Von den Punks bis zur CDU sind sich alle einig, den Club retten zu wollen.
F ast alle Hamburger Politiker:innen lieben das Molotow. Das wurde am Mittwoch im Hamburger Parlament, der Bürgerschaft, deutlich, als sie sich in ihren Lobeshymnen auf den vom Aus bedrohten Musikclub gegenseitig überboten. Sympathiebekundungen aus diesen Mündern erhöhen zwar sicher nicht den Coolness-Faktor eines Clubs, doch sind Sozis, Christdemokrat:innen, Grüne und Linke nicht allein.
Auch Granden der Musikszene, für die der Club auf der Reeperbahn schon seit langer Zeit viel zu klein geworden ist, zeigten sich empört. Bela B. von den Ärzten etwa wütete jüngst in einem Video über das drohende Aus der vergangenes Wochenende auch noch zum Hamburger „Club des Jahres 2023“ gekürten Institution.
Das Molotow bewegt derzeit aber nicht nur Politik und die Musikszene – wird es doch zum Symbol für ein befürchtetes (manche sagen: längst stattfindendes) Clubsterben in der Stadt, die Metropole sein will. Gleich fünf etablierte Clubs vom kleinen Indierock-Schuppen bis zum Techno-Club hatten zum Jahresende dichtgemacht.
Zeitgleich kam die nächste Hiobsbotschaft in Form des Kündigungsschreibens für das Molotow. Das empfanden viele als besonders bitter, hatte der Club doch seinen Ruf als Sprungbrett für später große Bands über viele Jahre erarbeitet.
Boutique Hotel statt Livestätte
Es ist unklar, ob alle Clubs eine neue Bleibe finden. Ohne Unterstützung aus der Politik, beklagen Clubbetreiber:innen, lassen sich die Mieten in neuen Räumen schlicht kaum stemmen. Einen ganz kleinen, ersten Erfolg konnte Kultursenator Carsten Brosda (SPD) immerhin am Mittwoch vorweisen, als er verkündete, dass durch Gespräche mit dem Eigentümer die Kündigungsfrist für das Molotow um sechs Monate verlängert werden konnte. Damit sei bis Jahresende Zeit gewonnen worden, um neue Räume zu finden.
Das beruhigt die Lage ein wenig, denn dass das Molotow ausgerechnet Platz für den Neubau eines Boutique-Hotels machen muss, brachte viele im an Gentrifizierung ja schon gewöhnten St. Pauli in Rage: Bis zu 5.000 Menschen gingen auf die Straße, um für den Erhalt des wohlgemerkt privatwirtschaftlich betriebenen Clubs zu demonstrieren. Sogar der Hamburger Tourismusverband, der sonst ohne Unterlass nach neuen Hotels ruft, findet das alles ein bisschen unglücklich.
Das Molotow hatte schon vor dieser neuesten Wende im Laufe des vergangenen Jahrzehnts eine große Leidensgeschichte mit seinen Vermietern. Bis 2013 war der Club im Keller der Esso-Häuser am anderen Ende der Reeperbahn untergebracht – und glücklich. Doch ein Investor hatte den Gebäudekomplex gekauft, in dem auch viele ärmere Menschen wohnten, kümmerte sich kaum mehr um die Instandsetzung des 60er-Jahre-Baus – bis die Polizei wegen akuter Einsturzgefahr das gesamte Gebäude evakuieren musste. Nicht nur das Molotow, auch 90 Bewohner:innen waren kurzerhand obdachlos.
Erst fand sich eine Übergangslösung in einem leerstehenden Möbelgeschäft, dann konnte der Club in den jetzigen Räumen am Nobistor unterkommen. Doch die Politik hatte versprochen, dass er eines Tages wieder an seine ursprüngliche Stätte zurückkehren dürfe: Mit dem Investor des Esso-Häuser-Areals wurde vereinbart, dass er Platz im Neubau bekommt. Doch seither geschah: nichts. Vergangenen Sommer verkündete der Investor gar, dass er vorerst nicht beabsichtige zu bauen.
Die Liebesschwüre der Hamburger Politiker:innen zeigen also auch ihre Mutlosigkeit. Viel mehr als flehende Worte glauben sie nicht zu haben angesichts der Tatsache, dass ein Immobilieneigentümer mit seiner Immobilie grundsätzlich machen kann, was er will.
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