piwik no script img

Angst um Demokratie in IsraelDie Knesset ist zu. Wegen Corona?

Die Opposition in Israels Parlament wollte eine Absetzung Netanjahus debattieren. Jetzt ist das Haus geschlossen. Präsident Rivlin warnt.

Israels Parlament geschlossen: Profitiert Netanjahu? Foto: Gali Tibbon/ap

Jerusalem taz/ap/dpa | Die Corona-Krise hat in Israel eine Demokratie-Debatte entfacht. Nach mehreren umstrittenen Maßnahmen der Übergangsregierung unter Benjamin Netanjahu sorgt nun ein weiterer Beschluss für Zündstoff: Der israelische Parlamentspräsident Juli Edelstein von Netanjahus Likud-Partei hat die Knesset bis nächste Woche vertagt.

Edelstein erklärte, er habe das Parlament wegen verfahrenstechnischer Probleme vertagt, die durch die Epidemie entstanden seien. Er wolle den Disput so schnell wie möglich beilegen. „Ich habe nicht die Absicht, das hier in die Länge zu ziehen“, sagte er. Die Wahl seines Nachfolgers hat er auch verschoben.

Da das Parlament aber an Gesetzen für eine Absetzung von Benjamin Netanjahu arbeiten will, der vor einem Korruptionsprozess steht, führte Edelsteins Schritt zu scharfer Kritik. Benny Gantz vom oppositionellen Mitte-Bündnis Blau-Weiß warf ihm vor, auf Anweisung Netanjahus die Bildung der Komitees zu verhindern. Bereits zuvor hatte Blau-Weiß kritisiert, Israel werde in dieser Krisenzeit von einer Übergangsregierung ohne parlamentarische und rechtliche Kontrolle regiert.

Doch nicht nur die Opposition, auch Präsident Reuven Rivlin mahnte am Mittwoch: „Wir dürfen diese Krise, so ernst sie ist, nicht unser demokratisches System schädigen lassen.“ Das israelische Demokratie-Institut forderte am Donnerstag die Einberufung des Parlaments „ohne Verzögerung“ – „sollten Sie das nicht tun, überschreiten Sie offenkundig die Grenzen Ihres Amtes“, hieß es. Dies würde „eine inakzeptable Missachtung der Grundregeln der Demokratie darstellen“.

Hunderte Demonstranten wollten am Donnerstag laut Medienberichten aus Protest in einer Wagenkolonne mit schwarzen Flaggen zur Knesset fahren. Sie seien dabei allerdings von den Behörden gestoppt worden.

Empfohlener externer Inhalt

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen:

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

In Israel hat derzeit keine Partei eine regierungsfähige Mehrheit hinter sich. Das am 2. März gewählte Parlament ist das dritte seit April 2019. Nach den vorigen Wahlen hatten weder Netanjahu noch Oppositionsführer Benny Gantz eine Regierung bilden können. Bei der jüngsten Wahl wurde Netanjahus rechtsnationaler Likud zwar stärkste Kraft, den Auftrag zur Regierungsbildung erhielt aber Gantz.

Der Beginn von Netanjahus Korruptionsprozess wurde bereits wegen des Coronavirus von dieser Woche in den Mai verschoben – nachdem sein Justizminister wegen der Pandemie den Notfall ausgerufen hatte und Gerichte weitgehend geschlossen hatte. Der führende Blau-Weiß-Politiker Jair Lapid sagte daraufhin: „Ihr lebt nicht länger in einer Demokratie.“

Eine heftige Debatte hatte auch ein Entschluss der Übergangsregierung losgetreten, der es dem Inlandsgeheimdienst Schabak erlaubt, alle Israelis über ihre Mobiltelefone rund um die Uhr zu orten. Für die Maßnahme, die Netanjahu ebenfalls mit dem Kampf gegen Corona begründete, ist kein Gerichtsentscheid notwendig.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare