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Angriff auf Team der ZDF-„heute-show“Abscheulich und bitter

Am 1. Mai wurde ein Team der „heute show“ angegriffen. Satiriker werden immer wieder bedroht. Der Umgang mit den Anfeindungen ist manchmal fraglich.

Der Angriff auf das ZDF-Kamerateam ist ein Angriff auf die Pressefreiheit Foto: Christoph Soeder/dpa

Ein „durchaus wirklich feiger Angriff“ sei das gewesen, sagte die Berliner Polizeipräsidentin am Samstag im Radio. Auch der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbands, Frank Überall, sprach von einem „feigen“ Überfall. „Feige“ ist nun wirklich das letzte Wort, das mir einfällt zu dem Angriff auf ein Reporterteam der ZDF-„heute show“ am Freitag. Aggressiv, abscheulich, brutal, es gäbe da eine Reihe von Adjektiven. Aber feige? Wie hätte denn ein „mutiger Angriff“ ausgesehen?

„Bitter“ ist noch so ein Wort, das auf diesen Angriff passt. Denn dass ausgerechnet zwei Tage vor dem internationalen Tag der Pressefreiheit in Berlin ein Fernsehteam verprügelt wird, ist besonders bitter. Am 3. Mai wird daran erinnert, dass JournalistInnen weltweit verfolgt, inhaftiert, entführt, gefoltert, ermordet werden.

Zwar arbeiten die meisten JournalistInnen in Deutschland so frei wie fast nirgends auf der Welt, aber seit Pegida und Co. drehen auch hier viele Kamerateams auf Demos nur noch in Begleitung von Sicherheitsleuten. Das ist schlimm genug. Dass die ReporterInnen aber selbst mit Security nicht sicher sind, so wie das „heute show“-Team, ist beängstigend.

Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet SatirikerInnen immer wieder hart angegangen, bedroht und sogar ermordet werden, wie die MitarbeiterInnen von Charlie Hebdo. Wie groß die Presse- und Kunstfreiheit in einer Gesellschaft ist, beweist sich vor allem dort, wo ihre Grenzen getestet werden, mit Kritik, die manche geschmacklos oder beleidigend finden.

Wer ist wichtiger als die Pressefreiheit und wer nicht?

Das erinnert an die unsägliche Debatte Anfang des Jahres, als ein rechter Mob im Namen der deutschen Oma gegen den WDR-Kinderchor hetzte. Das Video vom Lied über die Umweltsau wurde gelöscht, WDR-Intendant Tom Buhrow entschuldigte sich und fiel seiner Redaktion öffentlich in den Rücken, als er fragte, ob die KollegInnen das Lied auch getextet hätten, wenn es nicht um die Oma, sondern um den „Ali“ gegangen wäre. Ihr politisch Korrekten, sollte das heißen, seid nur politisch korrekt, wenn es um eure lieben Migranten geht.

Jetzt tauchte ein Video auf, das zeigt, dass es der WDR aber selbst mit der Korrektheit gegenüber dem „Ali“ nicht so genau nimmt, um im Buhrow-Slang zu bleiben. Ende 2018 trat die österreichische Komikerin Lisa Eckhart im WDR-Fernsehen mit vermeintlichen Witzchen auf, die so offen antisemitisch und rassistisch sind (Grenzen, siehe oben), dass man kaum glauben kann, dass das niemandem im Sender aufgefallen ist.

Auf eine Programmbeschwerde reagierte der WDR schmallippig: „Die mehrfach preisgekrönte Künstlerin erörtert die Schwierigkeiten im Umgang mit Minderheiten (…), wenn diese Personengruppen sich Verfehlungen leisten (...).“

Satire sei dazu da, Mächtige aufs Korn zu nehmen, aber nicht, um eine Generation pauschal vor den Kopf zu stoßen und die Gefühle von Menschen zu verletzen, hatte Buhrow im Umweltsau-Skandal von seinem Moderationskärtchen abgelesen. Das gilt aber offenbar nur so lange, wie die Oma keine Jüdin oder Schwarze ist.

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14 Kommentare

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  • Die taz sollte an dieser Geschichte dranbleiben und weiter berichten!

    Bleibt abzuwarten, ob es sich wirklich um einen geplanten, linksextrem motivierten Angriff handelt. Sollte sich das bestätigen, wäre die Behauptung, linke Gewalt richte sich "nur" gegen Sachen und nicht gegen Menschen, endgültig widerlegt. Und das sollte die taz dann auch so schreiben.

    • @MEYER_Kurt:

      Das ZDF-Team wurde beim Dreh nahe einer Demonstration gegen die Corona-Regeln am Rosa-Luxemburg-Platz attackiert. „Die derzeitigen Ansammlungen von Corona-Leugner*innen, Imfgegner*innen und andere Verschwörungstheoretiker*innen bilden ein ideales Sammelbecken auch für alle anderen neurechten Akteur*innen. Diese nutzen die derzeitige Situation gezielt, platzieren ihre Ideologien und Codes in den Vernetzungsgruppen. Wir erleben gerade eine Entwicklung, die an die Montagsmahnwachen von 2014 erinnert, aus welchen u. a. auch Legida entstanden ist. Es gilt, mehr als nur wachsam zu bleiben.“ (Irena Rudolph-Kokot) Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich nicht um prügelwütige Antifaschist*innen, sondern um gewaltfreudige Rechte handelte, ist hoch.

  • Zitat: „Wie hätte denn ein ‚mutiger Angriff‘ ausgesehen?“

    Diese Frage irritiert mich. Kennt die Person, die die Frage gestellt hat, den Unterschied zwischen Mut und Feigheit nicht, oder findet sie ausnahmslos jeden Angriff „feige“?

    Mal angenommen, die Frage nach dem „mutige[n]Angriff“ stünde nicht in einem taz-Kommentar, sondern würde in der Realität gestellt. Und zwar von fünf großen, starken, aufrechten Bundesbürgern, die gerade je eine der „politisch korrekten“ Parteien (CDU, SPD, FDP, Grüne und Linke) gewählt haben. Und zwar in dem Moment, in dem die fünf gemeinsam aus dem Wahllokal kommen und erkennen: Da drangsalieren drei muskelbepackte Uniformierte eine schwarze, jüdische Oma, die ihnen zuvor mit den Worten „cuck fops“ den Stinkefinger gezeigt hat. Wie würde die Frage dann klingen? Ich meine: wenn sie nicht nur „ein Bla“ wäre?

    • @mowgli:

      In T-Online steht: Aus Polizeikreisen verlautet, die Täter stammen aus dem linken Spektrum.



      Aha, aber alle wurden nach der Verhaftung wieder frei gelassen.



      Täter aus dem angeblich linken Spektrum wurden wieder frei gelassen. So, so! Für Linke gilt: Spucken auf 10 m gegen den Wind Richtung Polizei um die für Monate wegzusperren.



      Was schließe ich daraus? Es waren höchsten als Linke getarnte Schläger. Und die Polizei weiß das genau!

    • @mowgli:

      Wie wärs mit "nicht vemummt" mit Stummasken?

  • Die ‘Umweltsau’. Für sich genommen: eine Lappalie - doch das Bezeichnen der ‘Oma als Umweltsau’ steht nicht unschuldig ‘für sich’, sondern heute zwangsläufig im Kontext des (tendenziell) hegemonialen identitätspolitischen Diskurses mit seiner stereotypen Herabwürdigung ‘alter Weißer’. N u r s o kann die heftige Gegenreaktion verstanden werden. Und daß sich linke Identitäre und rechte Identitäre wechselseitig hochschaukeln, ist vorauszusehen. Glauben denn die identitätspolitischen Akteure, daß die pauschale Diffamierung einer ganzen (weißen) Bevölkerungsgruppe ohne Gegenreaktion bleibt? Halten sie es denn nicht für möglich, daß die permanente Anrufung weißer Bürger, als einheitliche (verachtenswerte) Gruppe, dazu beizutragen könnte, daß aus einer fiktiven - gar nicht vorhandenen Einheit - eine wirkliche werden könnte? Und glauben sie denn, sie könnten Bürger in Kategorien der Hautfarbe einteilen, ohne daß davon die extreme Rechte profitiert. Denn das ist originär deren Sprache. Eine Sprache, die im Alltag weitgehend ausgestorben war, aber nun durch identitätspolitische Akteure wieder revitalisiert, normalisiert wird. Ein gefährliches Spiel.

    Kenan Malik schreibt im Guardian:



    “Beware the politics of identity. They help legitimise the toxic far right.



    Many on the left now embrace the idea that one’s interests and values are defined primarily by one’s ethnic or cultural or gender identity. The politics of identity is, however, at root the politics of the reactionary right. The original politics of identity was that of racial difference, the insistence that one’s racial identity determines one’s moral and social place in the world. Now, identitarians of the far right are seizing upon the opportunity provided by the left’s adoption of identity politics to legitimise their once-toxic brand. Racism became rebranded as white identity politics.”



    www.theguardian.co...se-toxic-far-right

  • 0G
    06360 (Profil gelöscht)

    Ist es wirklich so, dass jeder Trupp, der sich mit einer Kamera in die Öffentlichkeit begibt, in all seinen Aktionen (vorher, hinterher, redaktionell bearbeitet ...) von der Pressefreiheit gedeckt, also geschützt, ist?

    • @06360 (Profil gelöscht):

      Diese angebliche Frage soll den oder generell Angriffe auf Journalisten rechtfertigen. So soll es doch verstanden werden!

      • 0G
        06360 (Profil gelöscht)
        @Jakob Cohen:

        Journalisten wollen/müssen mit ihrer Arbeit Geld verdienen, sind also irgendwie auch interessengeleitet.



        Es ist ja nicht so, dass alle nur den heiligen Gral der Wahrheit vor sich her tragen.



        Ich verurteilen diesen Angriff und die Diffamierungen durch Pegida usw.



        Den Ärger über manche Sensationsjournalisten kann ich aber nachvollziehen.

        • @06360 (Profil gelöscht):

          "Journalisten wollen/müssen mit ihrer Arbeit Geld verdienen, sind also irgendwie auch interessengeleitet."

          Jau, das sind Sie auch. Trotzdem hat keiner das Recht Sie anzugreifen, oder?

          "Den Ärger über manche Sensationsjournalisten kann ich aber nachvollziehen."

          Trotzdem hat keiner das Recht dieses Kamerateam anzugreifen - und das unabhängig davon, ob das nun Rechte, Linke, Hooligans, Islamisten oder wer auch immer sind.

    • @06360 (Profil gelöscht):

      Gegen Körperverletzung? Ja, natürlich. Selbst wenn Sie jetzt ohne Kamera und ganz alleine in der Öffentlichkeit unterwegs sind, darf niemand Ihnen Gewalt antun.



      Seltsame Frage.

  • Nach ersten Erkenntnissen der Berliner Behörden sind die Beschuldigten dem linken Spektrum zuzurechnen. Ihr schreibt aber im Artikel nur über rechte Angreifer auf Satiriker und auf die Pressefreiheit. Warum?

    • @Katzenberger:

      Weil es in dem Artikel um die Angriffe auf Satiriker im Kontext des Angriffes Freitag und in Bezug auf den heutigen internationalen Tag der Pressefreiheit geht. Im Text geht es im übrigen auch zum Beispiel um den Angriff auf Charlie Hebdo durch Islamisten. Ist übrigens alles im Text zu finden!

      • @Stephan Günther:

        Es ist schon interessant. Bei allen anderen Vorfällen werden konkret Hintergründe und Motive genannt (Islamismus, Rechtsradikale, Antisemitismus und Rassismus). Mögliche Gewalt von Links wird aber mit keinem Wort erwähnt.