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Angriff auf Privatsphäre des GDL-ChefsStaatsfeind Nummer Eins

GDL-Chef Weselsky schlägt nicht nur sachliche Kritik wegen des Bahnstreiks entgegen. Nachdem im Netz Bilder seines Hauses aufgetaucht sind, verständigt er die Polizei.

Im Bahnstreik zwar präsent, im Privaten lieber nicht: GDL-Chef Claus Weselsky. Bild: dpa

BERLIN afp/dpa | Der Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), Claus Weselsky, hat die „unglaubliche Verletzung“ seiner Privatsphäre im laufenden Tarifkonflikt kritisiert. Es gehe nicht mehr um die Sache, sondern um seine Person, sagte Weselsky am Donnerstag im ARD-„Morgenmagazin“.

Dies habe eine Dimension erreicht, die er sich zu Beginn der Tarifauseinandersetzung nicht habe vorstellen können. Bislang habe er für Personenschutz keine Notwendigkeit gesehen, sagte Weselsky. Am Mittwochabend habe er aber die Polizei verständigt.

Zuvor waren in Zeitungen und im Internet die dienstliche Telefonnummer Weselskys und Fotos seines Hauses veröffentlicht worden, dazu Informationen, wo es zu finden ist. „Da muss ich einfach nur lachen, ich wohne zur Miete in einem Häuschen, das 61 Quadratmeter hat – und wenn das dann ein exklusiver Wohnsitz ist, na bitteschön, dann ist das einfach so“, meinte Weselsky.

Weselsky betonte, er sei bislang während der Streiks immer auf Bahnhöfen gewesen, „und werde das auch weiter tun“. Die Mitglieder seiner Gewerkschaft brauchten einen Vorsitzenden, „der steht wie ein Baum und der nicht wackelt und der allen ein Vorbild ist, dass man Grundrechte zu verteidigen hat“.

Der GDL-Chef lehnte eine Schlichtung, wie sie die Deutsche Bahn (DB) vorgeschlagen hatte, erneut ab und beklagte die „Perfidie“ des Unternehmens. Den Vorschlag habe er per Mail um 12.50 Uhr auf seinem Rechner erhalten, als er im Bundestag zur Tarifeinheit angehört worden sei. Für 15.00 Uhr war bereits seine Pressekonferenz geplant. Er habe also in sehr kurzer Zeit reagieren und sich absprechen müssen. Im Tarifkonflikt stehe die Bahn „mit einer Presse-Abteilung, die Hunderte von Mitarbeitern umfasst“ gegen die GDL mit zwei Pressesprechern, erklärte Weselsky, warum seiner Ansicht nach alle Kritik am Bahn-Management „abprallt“.

Der GDL-Vorsitzende beharrte im ARD-„Morgenmagazin“ darauf, dass in der mittlerweile viermonatigen Auseinandersetzung „nicht ein einziges Mal“ über die Forderung der GDL verhandelt worden sei, nicht nur die Lokführer, sondern künftig auch die Zugbegleiter zu vertreten. Ein Ende des Konflikts sei nicht durch Schlichtung oder Vermittlung möglich, sondern „die Bahn hat darauf zu verzichten, die Grundrechte von Lokführern und Zugbegleitern zu verletzen“, sagte Weselsky. „Das ist alles.“

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9 Kommentare

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  • 9G
    970 (Profil gelöscht)

    Thematisch passend, weil der Biermann ja auch meinte, im Bundestag das Maul aufreißen zu müssen, als er für die Mächtigen geplärrt hat - das wusste er aber mal besser:

     

    "Die Kugel Nummer Eins kam

    aus Springers Zeitungswald

    Ihr habt dem Mann die Groschen

    Auch noch dafür bezahlt

     

    Ach Deutschland, deine Mörder!"

  • Jacques Mesrine oder Jimmy Hoffa

     

    Kugelhagel Janhagel oder Beton -

    Kommt drauf an

    was man draus macht

  • Ich reibe mir verwundert die Augen! In der Marktwirtschaft ist der private Profit Kalkül jedes Handelns. Jeder tut das. Jeder soll das. Gewinne zu privatisieren ist die Triebfeder marktwirtschaftlichen Handelns.

    Warum dürfen Lokführer nicht, was jeder tut, und jeder darf, was jeder Konzern und jede Bank tagtäglich praktiziert, nämlich wirtschaftliche Abhängigkeiten auszunutzen, um Gewinn zu maximieren?

     

    Hinter dieser Debatte versteckt sich meines Erachtens nach ein ganz anderes Kalkül. Nach mehr als einem Jahrzehnt des Sozialabbaus und der Profitmaximierung geht es nun um die Kriminalisierung zivilen Ungehorsams.

  • Pressefreiheit? Ja, unbedingt! Aber es darf nicht sein, das "Drecksblätter" wie die Bildzeitung oder Focus regelrechte Hetzkampangen gegen Menschen durchführen. Ob jetzt gegen GDL-Chef Weselsky oder damals gegen Frau Ypsilanti, .... Hier wird der Mob regelrecht aufgehetzt. Indirekt sogar zu kriminellen Handlungen angestachelt. Es darf nicht sein, dass diese Zeitungen und Medien mit einer Rüge davon kommen und hinterher so weiter machen, als wäre nichts gewesen. Hinter diesen Zeitungen stecken Konzerne, die die Politik in Deutschland mitbestimmen. Auch die Politiker haben Angst, sich mit diesen Medienunternehmen anzulegen. Neutrale, ausgewogenen Berichterstattung ist ein kostbares Gut! Es wird Zeit, dass Politiker, Presse, Medien die Entwicklung hinterfragen und einer negativen Entwicklung gegensteuern! Oder muss es soweit kommen, dass ein vom Springer oder Burda Verlag aufgehetzter Mob, Menschenjagt betreibt?

    • @Julianne:

      Man braucht die Pressfreiheit nicht einschränken, um Hetzkampagnen a la BILD zu regeln. Der Gesetzgeber bräuchte nur die Bußgelder und Schadensersatzsummen bei Verstößen gegen geltendes Recht wie zum Beispiel gegen Persönlichkeitsrecht oder das Recht am eigenen Bild am Umsatz der entsprechenden Ausgabe gemessen wird.

       

      Im Moment ist es doch so, dass Springer, Burda und Co. die oft lächerlich geringen Bußgelder und Schadensersatzsummen aus der Portokasse bezahlen. Die BILD hat einen Tagesumsatz von ca. 2 Millionen Euro ohne Werbeeinnahmen. Was juckt es da einen Kai Diekmann (Gesamtherausgeber der BILD-Gruppe), wenn er mal 50.000 Euro Schmerzensgeld an ein denunzierte Opfer bezahlen muss.

      • @John Doe:

        Da haben Sie völlig Recht. Genau da müsste man ansetzten, um diesen Dreckwurf - "Journalismus" wenigstens etwas einzudämmen. Denn mit echtem Journalismus hat das ja nicht das Geringste zu tun.

  • Was ich nicht verstehe................

     

    Vorausgeschickt, natürlich muß ein Streik weh tun sonst bringt er ja wenig. Aber weshalb will die GDL nur noch die Zugbegleiter mitvertreten???

    Wenn die transnet, bzw. EVG so lammfromm ist könnte man doch alle Bahnbeschäftigten in einer Konkurrenzgewerkschaft zu versammeln versuchen. Die DB hat immerhin an die 300 000 Beschäfftigte, Lokführer und Zugbegleiter sind da nur ein geringer Teil davon. Was ist mit dem Rest, der nicht so einfach den Betrieb stilllegen kann?. Etwa die die an den Info-Centern, den ganzen Frust abkriegen ebenso wie die Leute die Fahrkarten verkaufen? Was mit den Handwerkern in den Ausbesserungswerken oder denen, die die Abtritte in den Zügen reinigen und den Müll einsammeln? Die müßten schon monatelang streiken um etwas bewirken zu können, wenn überhaupt (siehe auch amazon.....)

    Und die kriegen dann nur noch die Brosamen, weil ja andere dursetzungsstärker sind für ihre speziellen Interessen und Ziele.

    Solidarität- eigentlich wohl ein Anliegen von Gewerkschaften- sieht für mich anders aus, nämlich auch einstehen für die Schwachen und das sehe ich hier nicht!

    • @onesimus:

      Wer hält diese Beschäftigten denn davon ab, sich in der GDL zu organisieren?

      • @Age Krüger:

        Die GDL vielleicht??

        Habe noch nix vernommen, daß die mehr als Lokführer und neuerdings Zugbegleiter (die weil es evt.einfach besser aussieht etwas mehr als nur die Lokführer ) vertreten zu wollen!