Klimacamp in Bremen baut ab: Der Aufwand lohnt sich nicht mehr
Nach über einem Jahr bricht das Bremer Klimagerechtigkeitscamp seine Zelte ab. Es braucht andere Aktionsformen, sagen die Aktivist*innen.
BREMEN taz | Das Bremer Klimacamp baut ab. Am Dienstag ist vorbei, was 420 Tage gewährt hat. „Das Camp hat unseres Erachtens ausgedient“, heißt es in einer Mitteilung der Aktivist*innen. „Die Bevölkerung und die Politik haben sich an den Anblick des Klimacamps gewöhnt.“
In den vergangenen Monaten wollten sie Aufmerksamkeit für die Klimakrise erregen und die Politik dazu bewegen, das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten und Bremen bis 2032 klimaneutral zu machen. Dass das klappt, danach sieht es derzeit nicht aus.
Aber: „Wir haben die Öffentlichkeit erreicht“, sagt Heike Dietzmann. Sie hat selbst nicht im Camp gewohnt, es aber unterstützt. Nun möchte sie die Bremer*innen über den Abbau informieren. „Durch Gespräche und Workshops haben wir auch Menschen angesprochen, die sich vorher noch nicht so intensiv damit beschäftigt hatten.“
Vom Marktplatz in die Wallanlagen
Begonnen hat alles im April vergangenen Jahres auf dem Marktplatz, mit ein paar Sofas und einer wütenden Rede. Kurz danach konnten sich die Aktivist*innen vor Gericht gegen das Verbot des Ordnungsamtes, auch Zelte aufzustellen, durchsetzen. Das Camp wurde größer und bunter, zum Blickfang zwischen Dom und Rathaus. Doch so richtig kuschelig wurde es dort nie.
Das mag zum einen an der Schwere des Themas gelegen haben, aufgrund dessen die Aktivist*innen dort ihren Alltag verbrachten. Der Stress mit Behörden, die vermeintliche Konkurrenz eines Kinderkarussells vom Bremer Freimarkt sowie die Suche nach Nachwuchs, der sich auf dem Marktplatz die Nächte um die Ohren schlägt, hat sicherlich auch nicht zu mehr Gemütlichkeit beigetragen. Als „lebensfeindlichen Ort“ bezeichnete der Camp-Gründer den zugigen Platz, auf dem es auch nachts taghell und dank Domglocken und Straßenbahn laut ist.
Anfang November kam es zum lang ersehnten Umzug. Es ging in die Wallanlagen, auf eine Wiese unweit der Innenstadt. Zum Wohnen ein angenehmerer Ort – doch mit dem Ortswechsel und dem Winter wurde die Aufmerksamkeit stetig weniger. Selbst im Frühjahr sei der Ort nicht wieder so belebt gewesen wie zuvor, sagt Dietzmann. „Wir wollen unsere Ressourcen lieber anderswo einsetzen.“ Der Aufwand sei gemessen an der Wirkung zu hoch.
Bereut haben die Aktivist*innen den Umzug aber nicht. „Es ist wie mit allen Dingen – irgendwann ist es auch mal genug. Dann braucht es was anderes“, so Dietzmann. Auch andere Aktionsformen – „angemessenere“. Was das genau heißt, darüber sei man noch im Austausch. Ebenso darüber, in welchen Gruppierungen man sich in Zukunft organisieren werde.
Leser*innenkommentare
Dahli
So verständlich es einerseits auch sein mag - so sehr, sehr schade finde ich es auch andererseits. Denn es gibt eine gewisse "Notwendigkeit", die leider nun gegen Effektivität eingetauscht wird... Und irgendwie kann ich mich auch leider, leider nicht des Eindruckes erwehren, dass damit quasi "kapituliert" wird zu Gunsten des Gewöhnungsprozesses...
Eine Erfahrung, die ebenso bei den anderen Krisen und Katastrophen des Globus beinahe täglich zu machen ist.
Wir stumpfen allesamt allmählich immer mehr ab. Umso dringlicher wird doch dann ein gewisses "Verharren" in mahnenden und fordernden Apellen!
Den Aktivisten wünsche ich alles, alles Gute - sowie die Erfahrung des "Erfolges" in irgendeiner akzeptablen Zeitspanne, die die Hoffnung auf "Besserung" (von "Läuterung" mag ich gar nicht mehr reden!) am Leben hält!! Und ein Dankeschön für den Mut der Verzweiflung, welcher zu den Aktivitäten praktisch zwingt...
Ihr alle gebt mir persönlich das Gefühl, dass die Welt noch nicht ganz "am Arsch" ist!