piwik no script img

Angriff auf GeflüchtetenSchläger will Freispruch

Der Polizist Stefan K. wurde 2022 wegen Körperverletzung verurteilt. Jetzt will er das Urteil anfechten, am Dienstag startete der Prozess.

Da müssen die Akten nochmal gewälzt werden; Stefan K. geht in Berufung (Symbolbild) Foto: dpa

Stefan K. geht in Berufung. Der 40-jährige Berliner Polizist wurde letztes Jahr wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Er und zwei weitere Männer sollen einen Geflüchteten krankenhausreif geschlagen haben. Eine rassistische Tatmotivation sah die Richterin des Amtsgerichts als gegeben an. Das Urteil und die verhängte Geldstrafe von insgesamt 9.600 Euro möchte der Polizist K. nun anfechten.

Zum fünfstündigen Auftakt des Berufungsverfahrens an diesem Dienstag will sich der Angeklagte nicht äußern, sein Anwalt plädiert für einen Freispruch. Geladen waren die Zeugen Philipp G. und Dennis Y. Im ursprünglichen Verfahren wurden sie mitangeklagt: Gemeinsam sollen sie den Geflüchteten Jamal Ahmadi (Name geändert) im April 2017 am S-Bahnhof Karlshorst im Rahmen eines Streits angegriffen haben.

Philipp G. ist gesprächsbereit, gibt auf die Fragen der Richterin aber zu erkennen, dass er sich nicht mehr so gut an den Vorfall vor sechs Jahren erinnern könne. Dennis Y. ist bei der Befragung weniger auskunftsfreudig, was die Richterin veranlasst zu sagen, dass sie der „plötzlichen Demenz“ des Zeugen nicht so ganz Glauben schenken könne.

Bei der ebenfalls geladenen Zeugin Melina G. weichen die Erinnerungen von den früheren Aussagen vor Gericht und Polizei an einigen Stellen ab. Sie gibt an, dass sie sich an den genauen Ablauf nicht erinnern könne.

Videoschalte aus Kabul

Während die Zeu­g*in­nen in der in den Sicherheitstrakt verlegten Kammer aussagen können, sitzt der Nebenkläger Ahmadi in Kabul, wohin er noch während des laufenden Prozesses abgeschoben wurde. Ein Antrag seiner Anwältin, dass es eine Videoschalte zu Ahmadi geben müsse, damit er aussagen kann, wurde angehört, auch der Anwalt von Stefan K. plädierte für eine Zuschaltung. Die Entscheidung darüber wurde vertagt.

Ein im Vorhinein angekündigter Protest des Flüchtlingsrats vor dem Gebäude fand nicht statt. Der Flüchtlingsrat hatte vor dem Berufungsprozess eine Rückholung von Ahmadi nach Deutschland gefordert. Für den Flüchtlingsrat und Pro Asyl ist die Abschiebung Ahmadis ein Skandal.

Denn eigentlich gibt es in Berlin eine Regelung, dass Opfer von Hasskriminalität ein Bleiberecht erhalten. Diese trat aber erst zwei Monate nach der Tat in Kraft und wurde deshalb von Innensenator Andreas Geisel nicht anerkannt. Stefan K. war vor der Tat in der Sondereinheit der Berliner Polizei eingesetzt, die in der bis heute nicht aufgeklärten rassistischen Anschlagsserie in Neukölln ermittelte.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • "Denn eigentlich gibt es in Berlin eine Regelung, dass Opfer von Hasskriminalität ein Bleiberecht erhalten." Für die Dauer des Prozesses oder auch darüber hinaus?

  • taz-Zitat: "(...) Stefan K. war vor der Tat in der Sondereinheit der Berliner Polizei eingesetzt, die in der bis heute nicht aufgeklärten rassistischen Anschlagsserie in Neukölln ermittelte. (...)"

    Zufälle gibt's!

  • Wenn die Tat 2017 war (und er 2020 abgeschoben wurde), war die Innensenatorin, die das Bleiberecht nicht anerkannte, aber doch nicht Iris Spranger, sondern Herr Geisel.

    • @blutorange:

      Ob Spranger oder Geisel, man fragt sich: wieso solche Rechtsaußen immer nach oben schwimmen, in der angeblichen "linken" Berliner SPD???

      "Diese trat aber erst zwei Monate nach der Tat in Kraft und wurde deshalb von der damaligen SPD-Innensenatorin Iris Spranger nicht anerkannt."

  • Da das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, sollte die taz Stefan K. nicht als "Sachläger" bezeichnen. Ansonsten droht eine Vorverurteilung.

    Im Übrigen beträgt die Frist zur Einlegung der Berufung eine Woche ab Verkündungdes Urteils, d.h. er muss bereits unlängst Berufung eingelegt haben.