Tödlicher Polizeieinsatz in Dortmund: Anklage gegen fünf Polizisten
Polizisten haben im August den 16-jährigen Mouhamed Dramé im Einsatz erschossen– offenbar rechtswidrig. Nun klagt die Staatsanwaltschaft.
Dramé war ein zum Tatzeitpunkt 16-jähriger Geflüchteter aus dem Senegal, der als psychisch labil und suizidgefährdet galt. Er wohnte in einer Jugendeinrichtung in der Dortmunder Nordstadt, von wo aus die Polizei am 8. August gerufen worden war. Zum Eintreffen der Polizei lag laut Dombert eine statische Situation vor. Der Jugendliche saß dort im Innenhof und richtete zwar ein Messer auf seinen Bauch, aber war ruhig. Daher kritisiert der Oberstaatsanwalt, dass bereits, kurz nachdem der 16-jährige Dramé angesprochen wurde, Reizgas gegen ihn eingesetzt wurde.
Laut Dombert ist dies sicherlich „nicht das mildeste“ Vorgehen. Stattdessen hätte man einen Dolmetscher oder eine Verhandlungsgruppe holen sollen, denn Dramé verstand kein Deutsch, was die Kommunikation mit ihm erschwerte. Nachdem das Pfefferspray keinen Einfluss zeigte, feuerte die Polizei zwei Taser ab, von denen einer den Jugendlichen traf. Als er dann auf die Polizisten losging, schoss einer von ihnen mehrmals mit einer Maschinenpistole. Dombert bestätigte, dass Dramé vor dem Einsatz von keiner der drei Maßnahmen gewarnt wurde. „Damit ist der Einsatz rechtswidrig“, erläutert er.
Der Fall hatte bundesweit für Empörung gesorgt, da der Polizei ein unnötig eskalatives Verhalten vorgeworfen wurde. In Dortmund gingen daher im November über 1.000 Demonstrierende gegen Polizeigewalt auf die Straße. Für Irritationen sorgte im Nachgang, dass das Reizgas wohl abgelaufen war und dass der Treffer des Elektroschockers offenbar keinen Effekt hatte. Anwohner:innen der Einrichtung hatten der taz zudem schon kurz nach der Tat geschildert, dass sie zuerst Schüsse und erst dann ein Surren des Tasers gehört hätten.
Polizei will Vertrauen wiederherstellen
In einer heutigen Pressemitteilung informierte die Dortmunder Polizei darüber, dass bereits kurz nach dem tödlichen Einsatz Disziplinarverfahren eingeleitet wurden und infolgedessen einer der Beamten vom Dienst suspendiert und vier weitere in andere Tätigkeitsbereiche versetzt wurden. Polizeipräsident Gregor Lange forderte eine lückenlose Aufklärung und bedauerte, dass durch den Fall, „vor allem bei Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, Vertrauen beschädigt“ worden sei, das die Polizei nun wiederherstellen müsse. Direkt nach dem Einsatz sei eine Arbeitsgruppe Dialog in der Nordstadt eingerichtet worden, um sich mit Vereinen und Verbänden zu vernetzen. Zudem seien Schulungen für den Einsatz gegen psychisch auffällige Personen etabliert worden. Ob diese verpflichtend sind, blieb offen.
Wann mit dem Beginn eines Gerichtsprozesses gegen die fünf Polizisten zu rechnen sei, vermochte Oberstaatsanwalt Dombert noch nicht abzuschätzen. Der Fall birgt Potenzial für neue Diskussionen, etwa um landes- und bundesweite Studien zu Rassismus bei der Polizei.
Rassismusforscher Professor Karim Fereidooni von der Ruhr-Universität Bochum hatte kurz nach dem Einsatz in der WAZ neben der Einrichtung einer unabhängigen Polizeibeauftragtenstelle auch „eine umfassende Studie über Rassismus und Gewalt bei der Polizei NRW“ gefordert. Im Oktober wurde eine solche Studie für die Polizei in Berlin veröffentlicht. Über das Ergebnis war man sich uneinig. Während Grüne und Linke es als Nachweis für Alltagsrassismus in der Polizei interpretierten, sahen FDP und CDU das Gegenteil bestätigt.
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