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Angela Merkel in NordafrikaImmer neue Flüchtlingsdeals

Tunesien nimmt seine abgelehnten Flüchtlinge zurück. Dafür gibt es Geld aus Deutschland, verspricht die Bundeskanzlerin.

Die Kanzlerin am Freitag in Tunesien Foto: reuters

Berlin/Kairo taz | Wenn die Zahlen stimmen, lässt sich Deutschland die Abschiebung „ausreisepflichtiger“ Migranten einiges kosten. Je 250 Millionen Euro Entwicklungshilfe hat Bundeskanzlerin Angela Merkel Ägypten und Tunesien für dieses Jahr zugesagt; beide Regierungen wollen zugleich Deutschland helfen, die 1.000 Ägypter und 1.500 Tunesier loszuwerden, die sich irregulär in Deutschland aufhalten. Das wären 200.000 Euro pro Abschiebefall.

Es ging bei Merkels erstem Besuch in den beiden nord­afrikanischen Ländern seit dem „Arabischen Frühling“ von 2011 natürlich um mehr als Flüchtlingspolitik. Ägypten und Tunesien gelten als Stabilitätsanker im Hinblick auf ihr gemeinsames Nachbarland Libyen. In allen drei Ländern gab es 2011 einen Machtwechsel infolge eines Volksaufstands. Libyen ist seitdem im Bürgerkrieg versunken, Ägypten wurde unter Präsident Abdel Fattah al-Sisi wieder zu einer finsteren Autokratie, in Tunesien hingegen gelang die Demokratisierung.

In Merkels Programm schlug sich das dergestalt nieder, dass sie am späten Freitag vor dem tunesischen und nicht dem ägyptischen Parlament eine Rede halten soll. Vorabinformationen zufolge will sie Tunesiens Fortschritte würdigen und zugleich anmahnen, daraus müsse eine „lebendige Praxis“ der Demokratie werden.

In diesem Falle wäre fraglich, ob das Abkommen über Abschiebungen per Sammelcharterflug umsetzbar ist, auf das sich Merkel und Tunesiens Präsident Béji Caïd Essebsi am Freitag in Tunis einigten. „Die tunesische Seite übernimmt tunesische Staatsangehörige zurück, die in Einzelfällen per Linienflug und in Fällen von Sammelrückführungen per Sonderflug in Gruppen von bis zu 25 Personen befördert werden“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung, aus der die Nachrichtenagentur Reuters zitiert. Für islamistische „Gefährder“ solle es eine schnelle Rücknahme geben.

Grenzsicherung und Ausbildung

Solche Vorhaben sind in Tunesien unpopulär. Entwicklungshilfe soll die Pille versüßen. 14 bis 15 Millionen der 250 Millionen Euro sind für „Projekte insbesondere für freiwillige Rückkehrer“, sagte Merkel: „Wir helfen dann auch den Menschen, die hier ankommen.“

Gemeint ist das Deutsch-Tunesische Migrationsberatungszentrum, das Bundesentwicklungsminister Gerd Müller am Freitag in Tunis eröffnete und das vom Entwicklungsministerium in Bonn als „das erste Zentrum für Jobs, Migration und Reintegration in Nordafrika“ bezeichnet wird. Es soll in diesem Jahr Beratung für 2.000 Tunesier bieten, damit „tunesische Rückkehrer aus Deutschland zielgerichtet betreut werden“. Tunesiens Regierungszeitung La Presse warb derweil am Freitag auf ihrer Titelseite für die „German Business School“, die laut ihrer Webseite seit ihrer Gründung 2015 Tunesiens erste Business-Abschlüsse nach deutschem Standard anbietet und jetzt auch in die Elfenbeinküste expandiert.

Sammelrückführungen per Sonderflug in Gruppen von bis zu 25 Personen

Deutsch-tunesisches Abkommen

Ein weiteres deutsches Angebot an Tunis und Kairo ist technische Hilfe zur Sicherung der Land- und Seegrenzen. Dies versprach Merkel am Donnerstag dem ägyptischen Präsidenten al-Sisi. „Wir wollen verhindern, dass Schlepper eine neue Fluchtroute etablieren. Ägypten hat in den letzten Monaten in dieser Frage viel getan“, erklärte die Bundeskanzlerin bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Kairo. Man wolle die Lebenssituation für Flüchtlinge in Ägypten verbessern. Außerdem habe man besprochen, wie die Rückführung von Ägyptern beschleunigt werden könne, deren Asylantrag in Deutschland abgelehnt wurde.

Es gehe nicht darum, Nicht-Ägypter nach Ägypten abzuschieben, betonte die Kanzlerin. Auch in Tunesien geht es allein um die Rückführung von Tunesiern. Das Problem des Umgangs mit den Hunderttausenden Migranten aus Afrika südlich der Sahara, die über Libyen nach Europa drängen, bleibt nach dieser Reise also ungelöst.

Mit Karim el-Gawhary, Kairo

Weiter Informationen zur europäischen Flüchtlings- und Migrationspolitik finden Sie auf unserem Rechercheschwerpunkt migration-control.taz.de.

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8 Kommentare

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  • "Das wären 200.000 Euro pro Abschiebefall."

     

    Die Mutti macht echt gute Deals. :-)

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Bei 1000 Ägyptern sind das 250.000 pro Abschiebefall. Davon können in Ägypten 200 Menschen 1 Jahr leben. Sehen Sie es als dringend benötigte Unterstützung für einen Rückkehrer und für 199 noch nicht emigrierte Ägypter.

       

      Gegen die Zahlung ist im Prinzip nichts einzuwenden.

      • @A. Müllermilch:

        2 Probleme.

         

        Ein wichtiger Fluchtgrund für Ägypter dürfte der Diktator sein. Da hilft Geld wenig. Außerdem wird der größte Teil des Geldes in die Taschen der Machthaber fließen.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Aegypten ist anscheinend nicht an einer Demokratie interessiert. Genauso wie China. Fluechtlinge kommen nicht aus Aegypten sondern aus Eritrea, auch fort Demokratiemangel, plus Armnut, Arbeitszwangsverpflichtung.

          • @Gabriel Renoir:

            Es geht hier aber ausdrücklich um Ägypter.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          wenn es so einfach wäre - westliche Werte/Demokratie/etc. und die Probleme sind erledigt. Das hatten die Ägypter unter der demokratisch gewählten Mursi-Regierung.

           

          Ägypten ist mit seinem enormen Bevölkerungswachstum wirtschaftlich nicht mehr überlebensfähig und deswegen von Almosen aus Saudiarabien abhängig.

           

          Fluchtgrund ist das wirtschaftliche Elend, egal ob Diktator oder demokratisch legitimierter Führer.

           

          Ob sich der Diktator mit einigen Mrd. selbst bereichert fällt überhaupt nicht ins Gewicht.

          • @A. Müllermilch:

            "Ob sich der Diktator mit einigen Mrd. selbst bereichert fällt überhaupt nicht ins Gewicht."

             

            So viel bekommt er doch garnicht.

             

            "Ägypten ist mit seinem enormen Bevölkerungswachstum wirtschaftlich nicht mehr überlebensfähig..."

             

            Was sind denn das für ökonomische Thesen?

  • Die Ägypter sind uns lieb und teuer: 250.000€ pro Nase. Wirtschaftlich lohnt sich der deal für beide Seiten. Die Ägypter haben Geld zum Kauf europäischer Waren. Der ohnehin zu hohe deutsche Leistungsbilanzüberschuss sinkt.

     

    Was fehlt, ist eine Verbesserung der Beschäftigungssituation in Ägypten. Deutsche Almosen helfen da nicht weiter.