Angekündigte Proteste: Letzte Generation klebt an Berlin
Nach bislang mehr als 600 Blockaden will die Letzte Generation schon bald wieder in Berlin blockieren. Im Innenausschuss ist man schon ganz aufgeregt.
Burkard Dregger von der CDU und mehrere Parlamentarier der AfD zeichneten das Schwarzweißbild einer hart arbeitenden Bevölkerung, die von den „Kriminellen“ der Letzten Generation drangsaliert werde. Die Forderung des Grünen-Abgeordneten Vasili Franco – „Diskutieren wir doch so, dass das nicht der Weltuntergang per se ist“ – verhallte ungehört.
Innensenatorin Iris Spranger (SPD) und Polizeipräsidentin Barbara Slowik wiesen auf den Aufwand hin, den die Letzte Generation bislang den Sicherheitsbehörden bereitet habe. Im Zuge von 619 Blockaden seien bislang mehr als 4.500 Strafanzeigen gegen Aktivist:innen der Gruppe bearbeitet worden, 273 gegen Mitglieder von Extinction Rebellion. An 1.294 Beteiligte schickte die Polizei für ihre Maßnahmen Gebührenbescheide; 465-mal rückte sie aus, um Gefährderansprachen zu führen. Knapp 500.000 Einsatzkräftestunden wurden im Zuge der Klimaaktionen geleistet.
Unerwähnt blieb dagegen die Bilanz der eingeführten Schnellverfahren. Nach Dutzenden Versuchen, die vor allem daran scheiterten, dass es sich im Fall von Straßenblockaden und dem Vorwurf der Nötigung um exakt aufzuklärende Sachverhalte handelt, kam es nur in einem einzigen Schnellverfahren zu einem Urteil: ein Freispruch für eine symbolische Farbaktion am Grundgesetz-Denkmal.
Zurück in Berlin
Die Letzte Generation will ab Mittwoch kommender Woche wieder Aktivist:innen aus dem ganzen Bundesgebiet in Berlin zusammenziehen; aktuell noch konzentriert sie ihre Kräfte auf Bayern. Im Strategieplan der Gruppe soll der Herbst in der Hauptstadt ein „sozialer Wendepunkt“ sein, ein „Kipppunkt“, an dem sich die Gesellschaft „erheben“ soll. Die Aktionen sollen bis Weihnachten andauern. Angemeldet für die Proteste sind bislang 339 Menschen, weniger als vor den Aktionen im Frühjahr, als sich im Vorfeld etwa doppelt so viele für die Berlin-Blockaden gemeldet hatten.
Um möglichst schlagkräftig aufzutreten, wirbt die Gruppe intensiv um Mitstreiter:innen, auch unter Polizist:innen. Mit einem Schreiben an Polizeibehörden sucht sie derzeit nach Unterstützer:innen, die einen offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) unterzeichnen sollen.
Laut Polizeipräsidentin Slowik befindet sich die Berliner Polizei derzeit in der „Hochphase der Vorbereitung auf nächste Aktionen“. Sie kündigte an, Blockaden schneller auflösen zu wollen. Weil diese nach dem Versammlungsfreiheitsgesetz als nicht angezeigte Versammlungen gelten, fordern Polizist:innen bislang stets mehrere Mal dazu auf, die Straße zu verlassen. Laut Slowik will man die „Kommunikation hier verkürzen“. Verkehrsknotenpunkte sollen im Blick behalten werden; doch Blockaden ganz zu verhindern sei schwierig angesichts eines Straßennetzes von 5.300 Kilometern Länge, sagte sie.
Slowik, aber auch Dregger und Senatorin Spranger sprachen sich gegen Selbstjustiz durch Autofahrer:innen aus. Zumindest Spranger hatte man in der Vergangenheit auch schon anders verstehen können. Die Auflösung von Blockaden sei einzig Sache der Polizei. Diese ermittelt in 81 Fällen gegen Menschen, die Blockierer:innen angegriffen haben – wegen Nötigung, Beleidigung und gefährlicher Körperverletzung.
Debatte um Schmerzgriffe
Dass auch Polizist:innen unverhältnismäßig agieren, etwa durch das Anwenden von Schmerzgriffen, darauf wies Vasili Franco hin. Am Freitag hatte das Portal Frag den Staat interne Schulungsunterlagen der Berliner Polizei veröffentlicht, die lehren, wie gezielt möglichst sensible Körperregionen attackiert werden sollen. In einem zumindest bis 2020 verwendeten Handbuch zeigen Abbildungen und Texte, wie gezielt „Schmerzpunkte“ wie Ohren, Nase, Kiefer oder der Genitalbereich angegriffen werden sollen.
Slowik wies dagegen schon die Begrifflichkeit zurück, sprach von „Druck-, Zug- und Transporttechniken“, die das Mittun von Personen, gegen die sie angewendet werden, „unterstützen“ sollen und zudem darauf zielten, Verletzungsgefahren zu minimieren. Gleichwohl würde gegen Polizist:innen ermittelt, die unrechtmäßig Gewalt anwendeten, sagte Barbara Slowik.
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