Angebliche Clankriminalität in Hamburg: Diffamiert und stigmatisiert
Die Forderung der Hamburger CDU nach mehr Razzien in Shishabars ist Unsinn. Es entbehrt der Realität und fördert noch Vorurteile.
![Polizisten stehen vor einer Shisha-Bar während einer Razzia von Zoll und Polizei Polizisten stehen vor einer Shisha-Bar während einer Razzia von Zoll und Polizei](https://taz.de/picture/4441460/14/127072796-1.jpeg)
D as Bild hat sich festgesetzt: Da sitzen sie, die kleinen und großen Gangster, nuckeln an ihren Shishas und besprechen derweil ihre illegalen Machenschaften. Nur: Das sind Bilder aus Serien wie „4 Blocks“ oder „Dogs of Berlin“, die anscheinend eine Menge Leute für die Realität halten. Mit schauriger Erregung wird die angebliche „Clankriminalität“ hochgejazzt, als gäbe es keine anderen Probleme. Vielmehr sind genau diese Vorstellungen das Problem.
Immer mehr wird am vorurteilsbeladenen Bild von kriminellen Ausländer*innen gebastelt. Jede Razzia in einer Shishabar, die öffentlichkeitswirksam aufbereitet wird, festigt das Bild. Die Hamburger CDU spielt das Spiel nun mit: Es sei doch klar, dass die Shishabars Aufenthalts- und Rückzugsort krimineller Clanmitglieder seien.
Dabei stellen selbst Veröffentlichungen der Polizei heraus, dass „Clankriminalität“ in Bezug zur Gesamtkriminalität kaum ins Gewicht fällt. Dagegen trifft sie das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung aber besonders stark. Mit Forderungen nach Razzien in Shishabars soll der Öffentlichkeit signalisiert werden, alles im Griff zu haben und für Ordnung sorgen zu können.
Was bei den Razzien, wie sie besonders in Nordrhein-Westfalen und Berlin seit einiger Zeit stattfinden, meist herauskommt, sind ein paar Ordnungswidrigkeiten: unverzollter Tabak, Hygienemängel und ähnliche Verstöße werden als Erfolg und Bestätigung für eine Razzia gewertet.
Für die Beitreiber*innen ist es eine klare Ansage, die transportiert wird: Ihr und eure Gäste seid kriminell, das wird euch schon noch nachgewiesen. Diffamiert und stigmatisiert werden sie, ohne sich ernsthaft wehren zu können.
Es gibt auch in Hamburg einige Shishabar-Betreiber, die sich von der Polizei schikaniert fühlen. Doch die wenigsten wollen das öffentlich sagen. Ihre Befürchtung: Als Reaktion gibt es kurz darauf eine weitere Razzia, in der Dutzende Beamt*innen das Lokal stürmen. Wer hat darauf schon Bock?
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
80 Jahre nach der Bombardierung
Neonazidemo läuft durch Dresden