Ampel-Streit um Planungsbeschleunigung: Turbo für Autobahnen umstritten
Im Streit in der Ampel um die Planungsbeschleunigung im Verkehr drängt die SPD auf eine Einigung. FDP und Grüne zoffen sich weiter.
Dann trafen sich Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne), Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Wissing im Kanzleramt, um sich über den Punkt zu einigen. Gekommen ist es dann bekanntlich anders. Die Ampel konnte sich nicht in dem Punkt einigen.
Nun könnte sich aber vielleicht doch ein Weg hin zu einem Ende im Streit über das sogenannte „Gesetz zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren“ abzeichnen. Denn der dritte im Bunde der Ampelkoalition – die SPD – scheint sich nun stärker als Vermittler zwischen seinen beiden Koalitionspartnern FDP und Grüne positionieren zu wollen.
Bei der Klausurtagung der SPD am 8. und 9. Januar wurde ein „Turbo“ beim Ausbau der bundesdeutschen Infrastruktur beschlossen, der vor allem im Bereich Wohnungsbau gelten soll, aber eben auch im Verkehrsbereich.
SPD will mehr Tempo
Parteichefin Saskia Esken betonte, als größter Koalitionspartner werde man dafür sorgen, dass im Ampelbündnis alle an einem Strang zögen. Der Turbo müsse auf der „Schiene und den Straßen gelten“. Als Paradebeispiel für die Beschleunigung von Bauvorhaben hält der LNG-Terminal in Wilhelmshaven her, dessen Errichtung nur wenige Monate dauerte. Kanzler Scholz sprach bei der Einweihung stolz vom sogenannten „Deutschlandtempo“. Wieso also nicht die gleiche Geschwindigkeit auch bei Bauvorhaben im Verkehr an den Tag legen?
Bei dem Streit zwischen FDP und Grüne bei der Planungsbeschleunigung auf diesem Sektor liegt der wunde Punkt vor allem beim Bau von Autobahnen. Die FDP will beim Ziel der halbierten Planungszeiten alles priorisieren – Wasserwege, Schiene, aber eben auch den Bau von Fernstraßen. Für die Grünen geht das gar nicht. Sie sind dagegen, mit dem Entwurf in Zukunft auch den Bau von Autobahnen zu beschleunigen. Marode Brücken sanieren: ja. Autobahnen: nein. So die Position der Grünen.
Die beiden Koalitionspartner warfen sich in den vergangenen Wochen dabei gegenseitig den Bruch des Koalitionsvertrags vor – und bezogen sich dabei auf jeweils unterschiedliche Stellen. Die Grünen wiesen auf einen Passus hin, in dem ein Vorrang der Schiene vor der Straße festgeschrieben ist. Die Liberalen bezogen sich auf einen Abschnitt, der die Beschleunigung von systemrelevanten Infrastrukturmaßnahmen und sogenannten „Ingenieursbauwerken“ betont.
Unter Letzterem versteht Wissing – das machte er auch an dem Vormittag im Dezember klar – auch den Bau von Autobahnen. Für den Minister widerspreche dies gar nicht den geltenden Klimaschutzzielen, denen der Verkehrssektor seit Jahren hinterherhinkt. Denn – so die Logik des Bundesverkehrsministers – wenn die Antriebswende hin zu E-Autos gelingt, wäre der Verkehr dekarbonisiert.
„E-Autos oder mit E-Fuels oder Wasserstoff angetriebene Pkws und Lkws müssen auch künftig irgendwo fahren“, sagt auch der verkehrspolitische Sprecher der FDP, Bernd Reuther, der taz. Die FDP stärkte Wissing bereits im Dezember in einem Beschluss des Parteipräsidiums zum Planungsbeschleunigungsgesetz den Rücken – schränkte damit aber zugleich den Bewegungsraum des Ministers erheblich ein.
Die neue Positionierung der SPD kommt für die Liberalen da wie gerufen. Der verkehrspolitische Sprecher der SPD, Detlef Müller, sagte nach der Klausur seiner Partei zur taz: „Die Schiene muss priorisiert werden, wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen.“ Dem Vernehmen nach scheint die SPD in Erwägung zu ziehen, doch beim Bau von Teilabschnitten von Autobahnen mitzuziehen. Etwa bei maroden Brücken oder bei unerlässlichen Verkehrsprojekten. Um welche Straßenbauvorhaben es sich dabei konkret handeln könnte, dürfte wohl Teil der möglichen Verhandlungsmasse sein.
Auch differiert die grundsätzliche Anzahl der Straßenbauvorhaben, die aus dem Bundesverkehrswegeplan in dem Entwurf aus Wissings Haus zur Beschleunigung gelistet sind. Es ist hier von einer Spannweite von rund fünfzig bis über hundert Projekten die Rede. Darunter sollen auch hochumstrittene Vorhaben wie etwa die A 100 in Berlin oder die Küstenautobahn A 20 zählen, die durch Niedersachsen und Schleswig-Holstein führt.
Für Umwelt und Natur lohne es sich zu arbeiten und zu streiten, twitterte der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Stefan Gelbhaar, vor wenigen Tagen in Bezug auf die Planungsbeschleunigung. Offenbar wollen die Grünen also hart bleiben. Eine schnelle Einigung bei dem Koalitionsstreit, der die Bundesregierung kurz vor dem Jahreswechsel in Atem hielt, gibt es also noch nicht.
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