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Amerikanische AußenpolitikDer Blick geht gen Osten

Der russische Angriffskrieg lenkt den außenpolitischen Fokus der USA auf Europa. Langfristig wird Asien aber eine wichtigere Rolle spielen.

Flugschau in Singapur Foto: Edgar Su/reuters

Washington taz | Mit dem Beginn des Ukrainekriegs ist Europa schlagartig zurück in den zentralen Fokus der außen- und sicherheitspolitischen Debatte in den USA gerückt. Langfristig, da sind sich Ex­per­t*in­nen einig, bleibt dennoch der indopazifische Raum und vor allem China der strategische Dreh- und Angelpunkt.

Solange Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine fortsetzt, wird Washington die Regierung in Kiew weiter finanziell und militärisch unterstützen. Am Mittwoch kündigte US-Präsident Joe Biden bei einem Treffen mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Madrid auch eine weitere Verstärkung der US-Truppenpräsenz in Europa an, vor allem an der Ostflanke der Nato.

So sollten in Polen „die ersten permanenten US-Truppen an der Ostflanke der Nato“ stationiert werden. Auch in Rumänien und in den baltischen Staaten würden die US-Truppen verstärkt, in Deutschland und Italien zusätzliche Kräfte zur Luftverteidigung stationiert und in Spanien die Zahl der US-Zerstörer von vier auf sechs erhöht.

„Die Biden-Regierung ist die mit Abstand Europa- und Nato-freundlichste US-Regierung der vergangenen Jahrzehnte. Aufgrund des Kriegs in der Ukraine steht die Europapolitik derzeit im Vordergrund“, sagt Rachel Rizzo, Expertin für transatlantische Beziehungen am Atlantic Council, einem Thinktank in Washington. Langfristig liege der strategische Fokus jedoch auf dem indopazifischen Raum, sagt Rizzo im Gespräch mit der taz.

Die strategische Neuausrichtung der USA, weg von Europa und hin zu Asien, nahm während der Amtszeit des früheren US-Präsidenten Barack Obama an Fahrt auf. Obama war der Überzeugung, dass die Regierung seines Vorgängers George W. Bush dem asiatischen Raum zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt hatte und es dadurch Peking erlaubte, seinen politischen, wirtschaftlichen und militärischen Einfluss in der Region immer weiter zu vergrößern.

Kein Strategiewechsel

„Es ist China in kürzester Zeit gelungen, zu einem der größten und wichtigsten technologischen, wirtschaftlichen und politischen Akteure der Welt aufzusteigen. Die Verlagerung der US-amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik auf den indopazifischen Raum war deshalb ein strategisch bedeutender Schritt, um dieser Realität zu entgegnen“, sagt Rizzo. Die aktuelle Situation in der Ukraine habe an dieser Realität nichts verändert und stellt deshalb keinen Strategiewechsel dar.

Allerdings habe der Krieg verdeutlicht, wie wichtig eine funktionierende transatlantische Kooperation ist, um Stabilität und Frieden zu sichern. Sicherheitspolitische Fehler im Umgang mit Russland und Wladimir Putin, die in der Vergangenheit auf beiden Seiten des Atlantiks begangen worden waren, ermöglichten es Moskau erst, eine Militäroffensive gegen die Ukraine zu starten.

Die Erwartungen der USA an ihre europäischen Partner und insbesondere Deutschland sind andere als früher. In Washington erwartet man, dass Berlin eine aktive Führungsrolle einnimmt. „Eine historische Rede im Bundestag zu geben, ist die eine Sache. Innerhalb der deutschen Regierungsstrukturen zusammenzuarbeiten und Jahre der fehlgeschlagenen Politik über den Haufen zu werfen eine ganz andere“, sagt Rizzo mit Blick auf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Sie geht davon aus, dass Washington diese Gelegenheit nutzen wird, um seine europäischen Verbündeten dazu zu drängen, mehr für Verteidigung und Sicherheit auszugeben.

Denn die angespannte Situation zwischen Taiwan und China könnte bei einer Eskalation zum nächsten Schauplatz eines internationalen Konfliktes werden. So ist man in der Nato besorgt, dass China, motiviert von der russischen Invasion der Ukraine, Taiwan angreifen könnte. Im Falle einer solchen Invasion könnte eine starke transatlantische Zusammenarbeit sich als äußerst hilfreich erweisen. Europa und die USA brauchen einander, um ­gegen China bestehen zu können – egal ob wirtschaftlich, militärisch oder politisch.

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5 Kommentare

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  • Alles bekannt, nichts Neues. Ist aber auch schwer. Andere greifen zu vollkommen unpassenden verbalen Tiefschlägen. Beruhigend, dass das hier nicht der Fall ist.

  • Mir fehlt in dem Beitrag die ökonomische Komponente. Und das bedeutet für die US-Interessenlage ein 'sowohl Europa als auch Taiwan und Südkorea' als ihre Einflussmärkte gegenüber China, aber auch dem wieder auftrebenden Putin-Regime. Schliesslich brauchen US-Investoren insbesondere Taiwan für ihre Halbleiter und Chip-Fabrikation (auch wenn mann dabei ist, im -teureren- Südwesten der USA neue Werke zu erstellen) und in Europa möchte man natürlich den Einfluß von Google, Microsoft, Amazon und Tesla ebenfalls erhalten. Auch auf europäischem Boden findet ein Wettbewerb Mitteleuropa versus U.S. Interessen statt, es ist doch nicht umsonst soviel Militär präsent und auch die Unterstützung nicht nur der Ukraine, sondern auch in Polen oder Ungarn ist kein selbstloses Unternehmen. Die Europäer besitzen selbst auf ihrem Kontinent die schlechteren Karten , weil sie China eben nicht als 'Partner' an ihrer Seite bwgreifen dürfen und die Russen ihnen den Stinkefinger zeigen.

  • -?-"Europa und die USA brauchen einander, um ­in transatlantischer Zusammenarbeit gegen China bestehen zu können"

    Und der weitaus überwiegendere Teil der restlichen Welt braucht einander, um genau gegen diese- von wirtschaftlichen Interessen geleitete -



    wertebasierte" transatlantische Zusammenarbeit" bestehen zu können.



    Es kann doch nicht angehen, dass eine transatlantische Moral sich so verstanden wissen will, wie es das allseitig als Paradigma der Übergriffigkeit gegen Menschenrechte geschaffene Sprichwort auf den Punkt bringt:



    "Und willst du nicht mein Bruder sein ..."