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Präsidentschaftswahl in SüdkoreaAllianzen und Feindbilder

Fabian Kretschmer
Kommentar von Fabian Kretschmer

Die große Nähe Südkoreas zu den USA stellt beide Kandidaten vor Herausforderungen. Denn es geht auch um die Frage: Wie sehr an China annähern?

Wahl in Südkorea: Welche Stellung sollte das Land in der Welt einnehmen? Foto: Ahn Young-joon/AP/dpa

A uch wenn Außenpolitik im südkoreanischen Wahlkampf keine allzu prominente Rolle gespielt hat, gibt es dennoch keinen Zweifel daran, dass die Vorstellungen der zwei führenden Kandidaten grundverschieden darüber sind, welche Stellung Südkorea in der Welt einnehmen sollte.

Nun, zumindest eine Gemeinsamkeit gibt es zwischen dem konservativen Hardliner Kim Moon Soo und dem Linkspopulisten Lee Jae Myung: Beide stehen grundsätzlich zur historischen Allianz mit den Vereinigten Staaten. Die USA waren es schließlich, die Seite an Seite mit dem Süden im Koreakrieg gekämpft haben. Daran will keiner der Politiker rütteln – trotz Donald Trump.

Abseits dessen haben Lee und Kim grundsätzlich unterschiedliche Sichtweisen auf Geopolitik. Lee, der die Umfragen anführt, favorisiert eine Annäherungspolitik sowohl gegenüber Nordkorea als auch China. Seiner Ansicht nach hat die konservative Vorgängerregierung unter Yoon Suk Yeol das delikate Gleichgewicht von Seoul zwischen Washington und Peking durcheinandergebracht. Dies möchte er wieder geraderücken. Doch von Äquidistanz möchte der 60-Jährige nicht sprechen: Vor die Wahl gestellt, würde auch er die USA als Partner bevorzugen.

Kim Moon Soo hingegen findet deutlichere Worte. „China war unser Feind. Die Kommunistische Partei ist während des Koreakriegs in unser Land einmarschiert. Wie können wir China dann mit den Vereinigten Staaten auf eine Stufe stellen?“, fragte der 73-Jährige während einer Fernsehdebatte. Seiner Loyalität gegenüber den USA konnte auch Donald Trump wenig anhaben. Dabei hat der repu­blikanische Präsident nicht nur hohe Zölle gegen Südkorea angedroht, sondern das Land auch dazu ­aufgefordert, deutlich mehr für die 28.500 im Land stationierten US-Soldaten zu zahlen.

Taktische Nuklearwaffen

Dennoch möchte Kim Washington dazu bringen, taktische Nuklearwaffen auf südkoreanischen Boden zu stationieren – um so Nordkorea vor einer Invasion abzuschrecken. Gleichzeitig wird China innerhalb des konservativen Lagers in Südkorea regelmäßig als Sündenbock missbraucht. So wird Peking etwa von der Regierungspartei beschuldigt, die letzten Wahlen manipuliert zu haben. Auch wird immer wieder behauptet, die Kommunistische Partei habe die südkoreanische Linke unterwandert. Für beide Anschuldigungen gibt es keine Beweise.

Aus europäischer Sicht dürfte besonders wichtig sein, dass Südkorea weiterhin an seiner Haltung zum Ukrainekrieg festhält – und Druck auf Russland ausübt. Doch Lee Jae ­Myung dürfte sich in dieser Frage wohl eher zurückhalten. Immer wieder sagte Lee öffentlich, Russland nicht „antagonisieren“ zu wollen. Auch in den Konflikt über Taiwan möchte er sich nicht einmischen.

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Fabian Kretschmer
Korrespondent in Südkorea
Seit 2024 Korrespondent für die koreanische Halbinsel und China mit Sitz in Seoul. Berichtete zuvor fünf Jahre lang von Peking aus. Seit 2014 als freier Journalist in Ostasien tätig. 2015 folgte die erste Buchveröffentlichung "So etwas wie Glück" (erschienen im Rowohlt Verlag), das die Fluchtgeschichte der Nordkoreanerin Choi Yeong Ok nacherzählt. Betreibt nebenbei den Podcast "Beijing Briefing". Geboren in Berlin, Studium in Wien, Shanghai und Seoul.
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