Alle Jahre wieder die Perseiden: Das Universum ist für alle da
Raus aus dem Elfenbeinturm mit der Astronomie, rein ins kostenlose Vergnügen: Sternschnuppen gucken in der Berliner Archenhold-Sternwarte.

D ass es eine Zeitlang einen Einlassstopp geben musste und sich vor dem Eingang eine Schlange bilden würde, wie vor Berlins berühmtem Club, dem Berghain? Nein, damit hätte er nicht gerechnet, sagt ein Mitarbeiter der Archenhold-Sternwarte. Aber vielleicht wäre ein solcher Andrang doch zu erwarten gewesen, da im Treptower Park. Schließlich wird bereits seit Anfang August medial ziemlich ausführlich und anhaltend berichtet über das anstehende kosmische Ereignis.
Aber nicht im Wissenschaftsteil, adressiert an ein paar Fachleute. Sondern im „Vermischten“, neben Julia Klöckner und Jörg Pilawa, und eher so: Die Perseiden kommen und es regnet Sternschnuppen. Dazu gab es Tipps, wie sich der Meteorschauer, der in der Nacht zum 13. August seinen Höhepunkt erreichte, am besten beobachten lässt: Sich irgendwohin ins Grüne begeben, wo es möglichst dunkel ist und dann gucken, suchen und bei erfolgter Sternschnuppensichtung sich etwas wünschen.
Die Perseiden tauchen bereits seit Menschengedenken und weit darüber hinaus in der ersten Augusthälfte am Nachthimmel als kurz aufflackernde Lichter auf. Jetzt sind sie endgültig nicht mehr nur ein Fall für schrullige Astronomen, sondern ein Event für die Allgemeinheit – ein kostenloses, ziemlich inklusives noch dazu.
Und es hat Entwicklungspotenzial, das wurde bei der „Sternschnuppennacht“ in der Archenhold-Sternwarte schnell klar. Schon im nächsten Jahr dürften sich noch mehr Menschen im August auf Sternensuche begeben. Diesmal saßen gegen Mitternacht immer noch zig Leute vor der Sternwarte, auf ihren Decken, im Grünen und Dunkeln. Es wurde viel gelacht, manchmal nach oben geblickt, dann aber auch eine lange Zeit wieder nicht.
Hier blickten alle voll der Hoffnung nach oben
Die Menschenansammlung wirkte wie ein perfekt friedvolles Happening. Der kleine Mensch im endlosen Kosmos und alles andere – Trump, Gaza, Geldnot – war plötzlich unwichtig unterm endlosen Sternenhimmel. Ein Event, das eine solche Stimmung zu erzeugen vermag, eine magische Nacht gratis, muss einfach ein noch größerer Renner werden.
Das Image des Weltalls hat in den letzten Jahrzehnten ziemlich gelitten. In Filmen und Science-Fiction-Geschichten kam mehr Schlechtes und Böses von dort zu uns als Gutes. Und dann wäre da noch Mars-Fan Elon Musk als oberster Sternenritter, der einem so unheimlich ist wie Darth Vader. Hier im Park aber blickten alle voll der Hoffnung nach oben, sich mit dem Kosmos wieder versöhnen zu können.
In der Sternwarte selbst war die Atmosphäre wiederum ein wenig anders. Auch hier saßen zwar viele einfach nur herum und reckten hin und wieder die Hälse. Aber vor den aufgestellten Teleskopen bildeten sich lange Schlangen, viele wollten also doch genauer wissen, was da am Himmelsfirmament abgeht, und das nicht nur in Sachen Meteoren. Eine Mitarbeiterin der Sternwarte meinte, gerade habe sie ein großes Teleskop auf den Saturn eingestellt und jetzt sei der für viele doch interessanter als die ewigen Sternschnuppen.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Überall wurde Spanisch oder Englisch gesprochen, auffallend viele Frauen mit Kopftüchern waren unterwegs und sehr viele Personen, die man als Inder oder Pakistaner identifizieren würde. An diese Menschen richten sich viele kulturelle und wissenschaftliche Institutionen nicht nur in Berlin, sie zu erreichen, gelingt vielen von ihnen aber immer noch viel zu wenig. Die Sterne jedoch scheinen hohes Potential zu haben, die Leute wirklich zusammenbringen zu können. Jede Kultur, jede Religion, jeder Mensch hat schließlich irgendeinen Bezug dazu.
Raus aus dem Elfenbeinturm mit der Astronomie, so das Credo von Tim Florian Horn, Direktor der Berliner Planetarien und „Star-Wars“-Fan, der in dieser Hinsicht einen exzellenten Job macht: Das zeigt sich auch in der niedrigschwelligen Ansprache und dem breitenwirksamen Programm der Berliner Planetarien insgesamt. Das Universum ist schließlich für alle da.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Migration neu denken
So könnte eine humane Fluchtpolitik aussehen
Trump-Putin-Gipfel in Alaska
Zwei Reichsbürger unter sich
Badeverbote und Hitzewellen
Gefangen in der Betonwüste
Europas Rolle nach Alaska-Gipfel
Sanktionen reichen nicht
Debatte um die Rente
Mithalten im Privatisierungs-Bingo, aber richtig
CDU-Mann Altmaier zum Flüchtlingssommer
„Wir standen vor einer sehr, sehr schwierigen Situation“