Aktivistin über Protestcamp auf Borkum: „Diese Bohrungen dürfen nicht stattfinden“
Fridays for Future errichtet auf Borkum ein Protestcamp, um gegen Gasbohrungen protestieren. Mitorganisatorin Nele Evers über die Hintergründe.

taz: Nele Evers, Gasbohrungen sollen bald vor Borkum stattfinden, aber die Entscheidungsträger:innen sitzen in Rotterdam, Hannover und Berlin. Wäre es nicht sinnvoller, dort zu demonstrieren?
Nele Evers: Wir protestieren überall dort, wo es unseren Protest braucht. Beim Camp werden wir zum Beispiel Besuch von Menschen aus den Niederlanden haben, die in den Niederlanden Proteste organisieren. Und wir veranstalten Klimastreiks auf Borkum, aber auch in Berlin, oft zusammen mit der Deutschen Umwelthilfe. Wir haben bereits letzten Sommer vor dem Wirtschaftsministerium und dem Kanzleramt protestiert.
taz: Was bedeuten die Bohrungen für die Umwelt?
Evers: Diese Gasbohrungen werden massive Auswirkungen haben. Wird das Gas aus dem Boden befördert, entstehen Hohlräume und dadurch kann sich der Meeresboden absenken. Vor Borkum liegen geschützte Riffe, die durch die Kabel und durch die Bohrungen zerstört werden können. Auch die Tierwelt unter Wasser wird beeinträchtigt. Das Gas, das dort hervorgeholt wird, ist massiv klimaschädlich. Erdgas ist schlimmer als Kohle, von der wir alle wissen, dass sie extrem problematisch ist.
taz: Wären die Einwohner:innen Borkums auch betroffen?
Evers: Natürlich. Die Bohrplattform steht in einem Schifffahrtsweg. Die Gefahr, dass irgendwann mal etwas an dieser Plattform kaputt geht, ist extrem groß. Das ist natürlich eine riesige Gefahr für die Insulaner:innen. Zum anderen ist es so, dass durch die Bohrungen eine Erdbebengefahr entsteht, wodurch Gebäude beschädigt werden können. Außerdem können Chemikalien in die Umwelt gelangen. Dadurch kann die Trinkwasserblase der Insel beschädigt werden. Ohne die ist die Insel total aufgeschmissen.
taz: Das Bohrgebiet liegt mitten im geschützten Wattenmeer und ist hochumstritten. Wie äußert sich die Landespolitik dazu?
Evers: Der Grüne Umweltminister Christian Meyer findet die Gasförderung problematisch. Gleichzeitig erteilen ihm unterstellte Behörden Genehmigungen dafür. Das ist ein kompletter Widerspruch. Olaf Lies als SPD-Ministerpräsident befürwortet die Gasbohrung. Aus Borkum selbst bekommen wir mit, dass die Bohrungen abgelehnt werden.
taz: Derzeit klagt noch die Deutsche Umwelthilfe gegen die Betreiberfirma One-Dyas. Was sagen Sie dazu, dass die Bohrungen trotzdem vorbereitet werden?
Evers: Mir erschließt sich überhaupt nicht, wie man es als Bundes- und Landesregierung verantworten kann, dass so ein Projekt weitergeplant wird, während offensichtlich noch Klagen gegen die Bohrungen laufen. Die vergangene Bundesregierung hat immer gesagt, dass dieses Projekt erst weitergehen darf, wenn keine Gerichtsverfahren mehr offen sind. Die neue Bundesregierung tut das Gegenteil und lässt einfach fröhlich weiter bauen und bohren.
Protestcamp auf Borkum, 4. bis 7. September, initiiert von Fridays for Future und der Deutschen Umwelthilfe. Mit Workshops, Konzerten und Lesungen. Eine Demo findet am 5. September um 12 Uhr am Inselbahnhof statt.
taz: Was fordern Sie von der Politik?
Evers: Es ist ganz klar, dass diese Bohrungen nicht stattfinden dürfen. Die Klimakrise eskaliert vor unseren Augen und es ist einfach absolut verantwortungslos, in Zeiten wie diesen nach Gas zu bohren und die Klimakrise weiter zu befeuern. Fridays for Futures erste Forderung ist, dass die Bohrungen vor Borkum gestoppt werden müssen. Des Weiteren darf kein einziges weiteres Gasfeld in der Nordsee erschlossen werden. Außerdem müssen weitere Gasbohrungen in Deutschland gestoppt werden. Es braucht jetzt mehr Geld für eine Energie- und Wärmewende statt mehr Geld für Gas.
taz: Wie wird das Protestcamp ablaufen?
Evers: Wir fahren mit über 200 vor allem jungen Menschen aus ganz Deutschland nach Borkum und freuen uns riesig darauf, dass dieses Camp ein großer Ort für Vernetzung wird. Wir legen einen großen Fokus darauf, die Menschen vor Ort mit einzubeziehen. Wir arbeiten mit einer lokalen Bürgerinitiative zusammen und haben Kontakt zur Stadt aufgebaut. Alle Interessierten sind dazu eingeladen, sich dem Camp, nach Anmeldung, anzuschließen, Workshops mitzumachen und vor allem auch den Klimastreik am 5. September zu unterstützen.
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