Aktivistin über Protestcamp-Räumung: „Wir werden sehr effektiv blockieren“
Über Nacht wurde das Protestdorf von „Ende Gelände“ beim Hambacher Forst geräumt. Jetzt bauen es die Aktivisten auf einer neuen Fläche auf.
taz: Frau Drzewo, das Protestcamp von „Ende Gelände“ ist Mittwoch Nacht geräumt worden. Wie lief das ab?
Karolina Drzewo: Wir haben Dienstag mit dem Camp-Aufbau begonnen und am Mittwoch standen abends schon das Zirkuszelt, zahlreiche Gruppenzelte, Privatzelte und auch schon weitere Infrastruktur wie Waschbecken. Dann hat die Polizei verkündet, dass sie räumt. Wir sind in Verhandlungen gegangen, die Polizei hat sich aber auf keine Verhandlungen eingelassen, sondern hat nachts mit der Räumung angefangen. Sie hat das gesamte Camp geräumt und auch Aktivist*innen weggetragen. Anschließend haben RWE und Polizei in Teamarbeit unsere Zelte abgebaut und beschlagnahmt.
Euch wurde ein Platz zum Campen in Jülich zugewiesen. Warum seid ihr dort nicht hingegangen?
Der Platz bei Jülich ist ungeeignet. Er ist fast 30 Kilometer entfernt von unserem Ort des Protestes. Wenn man gegen den Dieselskandal protestiert, geht man auch nicht auf den Fahrradweg. Wir wollen unser Recht auf Versammlungsfreiheit in Anspruch nehmen und dafür müssen wir auch an dem Ort der Zerstörung, gegen den wir protestieren, unser Protestcamp errichten können. Deswegen vor allem, aber auch aus anderen, praktischen Gründen, ist der Ort in Jülich ungeeignet.
Wieso habt ihr dann auf einem Sportplatz in Kerpen-Mahnheim Zelte aufgeschlagen, ohne eine Genehmigung für die Fläche zu haben?
Wir haben seit Wochen verhandelt, um angemessene Campflächen zu bekommen. Doch die Polizei hat immer wieder mit Verzögerungstaktiken reagiert. Am Dienstagnachmittag kam dann ja auch das Urteil vom Verwaltungsgericht Aachen, dass unsere beantragten Flächen nicht genehmigt werden – mit fadenscheinigen Argumenten wie Naturschutz. Dabei sind wir für Naturschutz und RWE baggert in unmittelbarer Nähe die gesamte Natur kaputt. Für uns ist klar, wir müssen strukturiert hier für die Aktivist*innen eine Infrastruktur organisieren. Deswegen haben wir dann selber auf dieser Fläche das Camp aufgebaut.
... 29, ist Pressesprecherin von „Ende Gelände“. Sie setzt sich als Queerfeministin für Klimagerechtigkeit ein, "weil ich nicht hinnehmen will, dass wir hier auf Kosten des Globalen Südens leben".
In der Pressemitteilung zu der Räumung heißt es, es gab eine massive Eskalation von Seiten der Polizei. Was genau ist passiert?
Die Gesamträumung muss man als Eskalation verstehen. Es wurde nachts geräumt, die Aktivist*innen wollten schlafen. Die Polizei hat in Kauf genommen, im Dunkeln zu räumen. Dabei ist offensichtlich, dass tausende Menschen kommen werden. Heute morgen sind schon wieder Busse angereist. Morgen im Laufe des Tages wird der Großteil der Menschen ankommen. Wir werden campen. Und was ganz spannend ist: Die RWE und die Polizei sind gerade dabei, im gesamten Manheim die Flächen umzubaggern. Der Sportplatz, der gestern eine wunderbare Camp-Fläche war, ist inzwischen ein aufgeschütteter Wallhaufen. Und es ist nicht nur diese Fläche, sondern sie sind gerade großflächig dabei, alle freien Flächen umzubaggern. Das heißt, RWE und Polizei zerstören gerade Natur im großen Stil.
Es sind ja immer noch viele Aktivist*innen vor Ort, die irgendwo unterkommen müssen. Wie löst ihr dieses Problem?
Wir haben mit Hochdruck daran gearbeitet, eine gute Lösung für unsere Aktivist*innen zu finden. Der Polizei muss bewusst sein, dass es auf ihre Kappe geht, dass der Protest womöglich nicht so strukturiert und organisiert, wie wir das geplant hatten, dann vonstatten geht. Wir haben jetzt gerade eine Fläche in Stepprath genehmigt bekommen, in der Stockheimer Landstraße 171, Neuer Hof. Dort können wir 4.000 Menschen aufnehmen und beginnen jetzt mit dem Aufbau.
Wieso macht ihr überhaupt ein Protestcamp?
„Ende Gelände“ wird mit tausenden Menschen jetzt am Wochenende die Kohleinfrastruktur vom Tagebau Hambach blockieren. Um in die Aktion zu gehen brauchen wir natürlich auch einen Ort, an dem wir schlafen können, essen können. Und deswegen brauchen wir auch ein Protestcamp.
Was ist für die nächsten Tage geplant?
Freitag werden sich die Menschen in Aktionstrainings auf die Aktion vorbereiten, werden sich in ihren Bezugsgruppen besprechen. Samstag werden wir uns aufmachen und die Kohleinfrastruktur blockieren. Was genau das ist, kann ich noch nicht sagen. Das könnten beispielsweise Schienen sein oder Bagger – wir haben in der Vergangenheit ja schon gezeigt, dass es vielfältige Möglichkeiten gibt, die Infrastruktur lahmzulegen. Und wir planen, bis Sonntag zu blockieren. Aber als Teaser zur Aktionsform kann ich sagen: Die Klimakrise ist ein immer drängenderes Problem, es ist auch in den letzten Wochen durch zahlreiche Studien unterstrichen worden, dass wir jetzt handeln müssen. Und angesichts dieser verschärften Krise wird unser Protest auch noch entschlossener. Wir werden sehr effektiv blockieren.
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