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Aktivisten übersetzen chinesische MedienDie Propaganda entlarven

Chinas Kommunikation nach außen entspricht nicht der im Inneren des Landes. Aktivisten machen das mit „The Great Translation Movement“ sichtbar.

Chinas Militärmanöver rund um Taiwan im chinesischen Staats-TV Foto: Thomas Peter/reuters

Seoul taz | Wenige Tage nachdem Putins Panzer nach Kiew rollten, hatte Han Yang endgültig genug. Der Chinese, der seit den späten 90ern in Sydney lebt, schaute mit Abscheu auf die Nachrichten aus der alten Heimat, die auf sein Smartphone einprasselten: Chinesische Staatsmedien publizierten Berichte über die „Spezialoperation“ der Russen, die angeblich durch die Expansionspolitik der USA provoziert wurde.

Patriotische Influencer mit Parteibuch und Millionenpublikum verbreiteten antisemitische Verschwörungstheorien über den ukrainischen Präsidenten Selenski. Und auf dem Messengerdienst Wechat tobte ein Mob, der den Ukrainern einen „schnellen Tod“ wünschte und dazu aufrief, ihre „weiblichen Schönheiten“ zu adoptieren.

Was den 50-Jährigen besonders aufregte, war die Schein­heiligkeit des Propaganda­apparats: Während sich die chinesische Regierung auf dem internationalen Parkett als neutrale Friedensmacht gerierte, beschallten sie die eigene Bevölkerung mit den kriegstreiberischen Narrativen der russischen Staatsmedien.

In jenen Tagen fing Han Yang schließlich an, was zu seinem täglichen Ritual wurde: Von Social-Media-Kommentaren bis hin zu Leitartikeln der Volkszeitung übersetzt er Botschaften aus dem chinesischen Netz, die den meisten auf der Welt verborgen bleiben, und stellt sie auf Twitter. „Ich betrachte mich nicht als Dissidenten, sondern sehe mich vor allem als Bürgerjournalisten“, sagt Yang.

Bewegung der Übersetzer

Der Chinese ist Teil von The Great Translation Movement, einer Onlinebewegung, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die dunkle Seite der Propaganda für die Außenwelt zu entlarven – schlicht, indem sie diese ins Englische übersetzt. 180.000 Menschen folgen mittlerweile auf Twitter. Der bombastische Name ist als ironische Anspielung auf die Kampagnen des Staatsgründers Mao Zedong zu verstehen, der die Massen mit Parolen wie dem „Großen Sprung nach vorn“ mobilisierte.

Auch wenn im Prinzip jeder mitmachen kann, besteht der harte Kern der Bewegung aus weniger als einem Dutzend Mitgliedern. Im Vergleich zu Han Yang halten die anderen ihre Identität streng geheim, um sich vor der Strafverfolgung zu schützen. Viele Indizien sprechen dafür, dass es sich bei den meisten von ihnen um junge Chinesen handelt, die im Ausland leben oder eine ausländische Staatsbürgerschaft besitzen. Denn die Regierung ihres Geburtslandes wertete sie unlängst als Vaterlandsverräter.

Bereits im März publizierte die Parteizeitung Global Times einen Kommentar, in dem das Great Translation Movement als „verabscheuungswürdige Hetzkampagne gegen China“ bezeichnet wird. Der Bewegung wird darin vorgeworfen, die­selben Verleumdungstaktiken zu verwenden wie einst der ­antikommunistische US-Se­nator Joseph McCarthy. Mehr noch: Sie sei „Teil der psychologischen Kriegsführung gegen China“.

Wunder Punkt getroffen

Die Bewegung trifft einen wunden Punkt. Denn die Scheinheiligkeit, mit der sich die chinesische Regierung in ihrer äußeren Propaganda als kuschelige Panda-Nation inszeniert, während man das eigene Volk mit nationalistischer Rhetorik gegen einen bedrohlichen Westen einschwört, möchte Peking nur allzu gern unter Verschluss halten. Am Beispiel des Ukraine­konflikts trat die Diskrepanz so offen wie selten zutage.

Keine 48 Stunden nach Kriegsbeginn veröffentlichte das Staatsmedium Shimian Xinwen versehentlich eine Direktive der Propagandabehörde, wie sie bei „sensiblen Themen“ mehrfach täglich ausgegeben wird: „Für Russland unvorteilhafte, prowestliche Standpunkte dürfen nicht gesendet werden“, heißt es da knapp. Die Anweisung führte dazu, dass in sämtlichen Fernsehnachrichten und Zeitungsartikeln wochenlang die Leiden der ukrainischen Zivilbevölkerung konsequent ignoriert wurden.

Diese scheinheilige Diskrepanz durchzieht fast sämtliche Debatten: wenn etwa Xi Jinping in seinen Videoansprachen vor den Vereinten Nationen eine „friedliche Wiedervereinigung“ mit Taiwan propagiert und gleichzeitig Hu Xijin – ein führender Publizist und hochrangiges Parteimitglied – in seinen Artikeln eine möglichst baldige Invasion der Insel fordert. Und als Japans Ex-Premier Shinzo Abe ermordet wurde, sandte die Regierung zwar öffentliche Beileidsbekundungen ab, doch im Netz duldeten die Zensoren einen nationalistischen Mob, der millionenfach dem Täter gratulierte.

Mauer der Zensur

Bereits der renommierte Experte für Nordkorea Brian R. ­Myers, Professor im südkoreanischen Busan, hat in seinen Studien zwischen den unterschiedlichen „Schienen“ der nordkoreanischen Propaganda differenziert: die inneren, an das heimische Publikum gerichteten Narrative sowie die externen Botschaften, mit denen die internationale Gemeinschaft erreicht werden soll. Am Beispiel Pjöngjangs unterscheiden diese sich teils diametral – jedoch ohne dass die Widersprüche aufgrund der hohen Sprach- und Zensurbarrieren bemerkt werden.

Im Falle Chinas sind jene Mauern ebenfalls riesig. Der Staat hat mit seiner „Great Firewall“ ein Internet errichtet, das zuweilen mehr an ein Intranet erinnert: Fast sämtliche ausländischen Medien sind nicht zugänglich, die heimischen Publikationen gleichgeschaltet.

Wie effizient das Informa­tionsmonopol funktioniert, ließ sich im Frühjahr beim Lockdown von Schanghai beobachten, der in den offiziellen Medien schlicht nicht stattfand. Die immer engmaschigere Zensur, die sämtliche Schattenseiten der eigenen Gesellschaft unter den Teppich kehrt, hat mit dem Weltbild von Staatschef Xi Jinping zu tun. Der 69-Jährige wurde vom Untergang der Sowjetunion geprägt, die für ihn vor allem eine Folge des Mangels an ideologischer Kontrolle während der Glasnost-Jahre war. Diesen Fehler dürfe die KP Chinas nicht wiederholen.

„Als ich in den 80ern aufwuchs, war die Atmosphäre relativ offen“, sagt Han Yang. Sein Vater, der als Universitätsprofessor gearbeitet hatte, brachte etwa von seinen Auslandsreisen Magazine wie Time oder Spiegel mit, die Familie hörte Radioberichte von Voice of America und Deutsche Welle.

Über den diplomatischen Dienst kam Han Yang Ende der 90er ins Konsulat nach Sydney. Ob zumindest hinter verschlossenen Türen ein inhaltlicher Austausch noch möglich ist? Er winkt ab: Vor Jahren habe er mit seinen ehemaligen Kollegen aus der Regierung noch einen Gruppenchat gepflegt, doch seit Xi Jinping die ideologischen Zügel angezogen hat, wurde dieser aufgrund von „Sicherheitsbedenken“ geschlossen.

Über die Wirksamkeit seines Engagements macht er sich wenig Illusionen: „Von all meinen Verwandten oder Freunden, die in China leben, folgen fast alle der Partei und unterstützen das offizielle Narrativ. Die Propaganda ist nach wie vor sehr effektiv.“

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10 Kommentare

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  • Das ist schon lange bekannt, im Iran genauso würden westliche Medienkonsumenten ungefiltert Iranische Staatsmedien konsumieren die Verhandlungsbereitschaft würde gegen null tendieren.

    Russische Fernsehen ist auch toll, da wird von Massenmord an Ukrainer fabuliert. Wie schnell man den Westen auslöschen kann etc.

    Wenn es interesiert was der normale Russe im Fernsehen vorgesetzt kriegt dem empfehle ich Julia Davis twitter.com/JuliaD...rp%7Ctwgr%5Eauthor

    die übersetzt russisches Propagandafernsehen.

  • Alles hat ökonomische Gründe. Sah es für kurze Zeit so aus, als ob in China auf breiter Ebene der Wohlstand ausbrechen würde: Erinnern wir uns: Noch vor drei Jahren heimsuchten uns chinesische Touristen in den europäischen Metropolen, einem kleinen österreichischen See mit Aussichtsplatte, ja sogar in Nordeuropa zur kollektiven Wahrnehmung des Nordlichts, jetzt fehlt den Andenkenläden und die Chinarestaurants in Frankfurt oder München der Umsatz dieser Klientel. Was sich in Europa nur schleichend vollzog -die Machtübernahme der Globalisten gegenüber der Politik- in China vollzog sich das mit Hilfe derselben Mafia um so brutaler, wenn Produktion aus den Stammländern -auf allerhöchsten Niveau und mit möglichst geringem Personalaufwand- trotz dort reichhaltig vorhandener manpower nach China verlagert wurde, um dort billiger alles Mögliche herstellen zu können. Jetzt rächt sich diese Invasion für die chinesischen Machthaber, weil es ihnen nicht gelingt, einem größer werdenden Teil der Bevölkerung eine auskömmliche Existenz zu ermöglichen, weil im Kapitalismus Menschenhand durch Maschinen und (überwiegend fossilen) Rohstoffeinsatz ersetzt wird. So eiert die chinesische Führung genauso herum, wie das in den demokratischen Staaten der Fall ist, wo die Politik schon lange an Glaubwürdigkeit verliert, weil sie durch die Globalisten getrieben wird (Habeck ist das beste Beispiel!). Gleichzeitig verliert der Glaube an ein unbegrenzten chinesischen Markt an Überzeugungskraft, schließlich ist der 'Markt' angewiesen an Kaufkraft, die weltweit der Armut Platz macht, auch bei uns, weil wir als solvente Kunden zum Beispiel beim Einkauf chinesischer Produkte oder regenerativen Energien aus Qatar oder Marokko auf dem Weltmarkt keine Chance mehr haben werden. So scheitert der Kapitalismus am 'Zuviel' für das es keinen Markt mehr geben kann. Werden wir ein Überleben in der Klimakastrophe noch hin bekommen ?

  • Suuuper Aktion und sooo entlarvend: Für die Übersetzung der öffentlich zugänglichen Propaganda wird man zum Staatsfeind!



    Propaganda/Fake News sind dank der antisozialen Medien heutzutage ja ein beliebtes Werkzeug der radikal-autoritären Nationalisten ...

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    China = brutales Unterdrückungssystem inklusive KZs!!!!

    Entwicklungshilfe für China? Das darf nicht sein.

  • 6G
    659975 (Profil gelöscht)

    Hier sind auch unsere Medien in der Pflicht!



    Nicht immer nur die offiziellen Statements der Pressestelle der jeweiligen Regierung in der Tagesschau vortragen, sondern selber recherchieren, was im Inland verbreitet wird.



    Das, was hier über die Propaganda in China zu lesen ist, gilt ebenfalls für Russland.



    Warum wird RT deutsch hier eigentlich verboten? Dann wäre die russ. Propaganda hier in Deutschland viel mehr Thema. Und wenn darüber gesprochen wird, kann es auch entlarvt werden.



    Ich habe als Teenie den "Schwarzen Kanal" geliebt mit Herrn von Schnitzler. Dadurch habe ich gelernt Nachrichten jeglicher Art mehr zu hinterfragen.

  • Also wir benennen "Dissidenten", ähm "Verräter" auch als solches. z.B. Assange, aber stimmt das geht gegen unseren Vasallenführer und das scheint in unseren Medien völlig ok. Danke für den Bärendienst gegenüber euren Kollegen, solange sie den westliche Vorkommnisse kritisieren. Typische Doppelmoral.

  • Bitte auch bei uns mal z.B. USA, Saudi-Arabien, Deutschland bitte die Sachen "übersetzen" und Sanktionen etc. fordern.



    Upsi bei unseren Freunden oder uns sind wir dann doch maximal beim kurzen erwähnen, wie cum-cum ,cum-ex, panama papers etc. Kommt halt nicht so gut....*gähn*



    Aber der nächste Feind muss stilisiert werden...Wann neues Sondervermögen?

  • Wer sich selbst die volle Freiheit zugesteht, muß es eben auch anderen zugestehen, jetzt haben wir die volle Freiheit überall. Das ist das eine, eine Welt die aus billigen Lügenmärchen besteht, das kommende Problem.

  • Mögen die Medien diesen Kanal abonnieren - und das AA ebenso.

  • Das sind erschreckende Innenansichten einer Diktatur.



    Natürlich gibt es Entwicklungen, die auch dem Ausland nicht verborgen bleiben.



    Dennoch lässt der Bericht aufhorchen.



    Moralische Konsequenz wäre, nur noch mit bestimmten



    Staaten zusammen zu arbeiten.



    Wäre das machbar?



    Leider "kommt ja erst das Fressen, dann die Moral".



    So konnte man gut beobachten, wie Viele zu Beginn des Ukrainekrieges forderten, Putins Gashahn abzudrehen und kritisierten die Regierung, die diesem Wunsch nicht unverzüglich nachkam.



    Nun, mit umgekehrten Vorzeichen, kriegen die lautesten Rufer kalte Füße.



    Schuld trägt natürlich die Regierung, die bitte schnell Abhilfe schaffen soll.



    Vom billigen russischen Gas hat unsere gesamte Volkswirtschaft und somit JedEr Einzelne profitiert.



    Jetzt wollte aber KeinEr was gewusst haben und Schuld trägt einzig Altkanzler Schröder.



    Selbstverständlich unterstützt man und frau die "mutigen Worte" Frau Baerbocks zu Taiwan,



    was allerdings niemanden davon abhält, 5 min. später irgendein chinesisches Produkt zu kaufen und diesen Staat zu unterstützen.



    Wenn nun nach scharfer Munition auch noch ein Krieg entsteht, findet sich sicher ein anderes Bauernopfer, dem man/frau die Verantwortung zuschieben kann.