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AktivistInnen gründen PolitplattformWie einst die Grünen

Junge Kli­ma­po­li­ti­ke­r*in­nen vernetzen sich, um leichter in die Parlamente einziehen zu können. Enttäuscht sind einige von die Grünen.

Maurice Conrad, Mitglied der Klimaliste, sitzt bereits im Stadtrat in Mainz Foto: Peter Zschunke/dpa/picture alliance

Berlin taz | Junge Po­li­ti­ke­r*in­nen aus dem Bundesgebiet vernetzen sich, um konsequenter Klimapolitik mehr Einfluss zu verschaffen. „Wir sehen multiples Politikversagen auf allen Ebenen“, sagte Sebastian Hornschild, einer der Initiatoren der „Klimaliste“, am Freitag in Berlin. Hornschild sitzt bereits im Stadtrat von Erlangen in Bayern.

Mit der Klimaliste soll nun eine Plattform für andere Mandatsträger entstehen, die ebenfalls aus der Klimabewegung kommen. In ihrem jeweiligen Verantwortungsbereich wollen sie die nötigen Schritte zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels der Erderwärmung ohne Kompromisse durchzusetzen und dafür beispielsweise den Autoverkehr eindämmen. Die bisher noch bundesweit verstreuten Angehörigen der Klimaliste wollen dazu wissenschaftliche Empfehlungen möglichst exakt umsetzen.

Zwei Jahre, nachdem Greta Thunberg sich erstmals während der Unterrichtszeit mit ihrem Schild vor das Parlamentsgebäude in Stockholm gesetzt hat, greift die Klimabewegung damit nach Positionen, an denen Entscheidungen getroffen werden. Im Sommer hatten sich einige Ak­ti­vis­t*in­nen erklärt, bei den kommenden Bundestagswahlen 2021 für Parteien wie Grüne, SPD und Linke kandidieren zu wollen

Das ist aus Sicht der Aktivisten der folgerichtige Schritt, nachdem die etablierten Parteien den Protesten zwar zum Teil Respekt gezollt haben, jedoch weiterhin kaum etwas tun, um die Klimaziele wirklich einzuhalten. „Notwehr“ gegenüber der Untätigkeit der Regierung nennt das Antonio Rohrßen daher die Gründung von ra­di­kal:­k­li­ma, die in Berlin bei der Landtagswahl 2021 auf das Abgeordnetenhaus zielt.

Klimaliste nicht direkt FFF

Die Initiatoren der Klimaliste stehen der Protestbewegung Fridays for Future nahe, doch sie verstehen sich nicht direkt als deren parlamentarischer Arm, sondern als unabhängige Plattform. Fridays for Future soll überparteilich bleiben. Einige der Mitglieder der Klimaliste sitzen bereits in Stadträten, wie Hornschild in Erlangen, Maurice Conrad in Mainz oder Lukas Fix in Düsseldorf. In einigen Bundesländern wollen sie direkt auf Landesebene einsteigen. „Die Klimabewegung will die Teilhabe, die ihr zusteht, auch in den Parlamenten ausüben“, sagt Jessica Stolzenberger, die mit ihrem Klimaprogramm im kommenden Jahr in den Landtag von Baden-Württemberg einziehen will.

Gerade in Baden-Württemberg ist die Enttäuschung der Klima-Aktivisten über die Grünen groß. Anstatt eine Politik für radikal weniger CO2-Emissionen zu vertreten, steht Ministerpräsident Winfried Kretschmann für viele Ak­ti­vis­t*in­nen für eine unverändert autofreundliche Politik. „Wir sehen unter Schwarz-Grün keine grundlegenden Verbesserungen“, sagt Stolzenberger.

Es sei eine neue Politik von unten nötig, um etwas zu bewirken. Die Klimaliste wolle sich aber nicht in einer Oppositionshaltung an den Grünen abarbeiten, sondern das gesamte politische Spektrum aufrütteln, betont Conrad. Er sieht durchaus Parallelen zur Geschichte der Grünen, die vor 40 Jahren aus der Umweltbewegung entstanden sind.

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10 Kommentare

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  • Klimaaktivisten in die Politik? Auf die langen Gesichter an den Tischen der Etablierten Festgefahrenen, freue ich mich jetzt schon. Viel Erfolg!

  • Was die Klimaliste die nächsten Jahre sehr viel machen wird: Organisationsarbeit im Rahmen des deutschen Parteiengesetzes.

    Was sie damit - aus Zeitmangel - bis auf weiteres erheblich weniger machen wird: Klimaschutz vorantreiben.

    Was ist eigentlich beim Einsatz der Piraten für digitale Selbstbestimmung herausgekommen?



    (Für Recherchefaule: als der Kahn abgesoffen war, ist das Thema mit einigen der besten Leute zu eier länger bestehenden Partei übergewechselt.



    Interessanterweise nicht zur FDP, wo man es verorten würde. Die haben zwar etwas Personal geerbt, aber in einer Welt, in der personenbezogene Daten eine extrem umsatzkräftige Handelsware sind, handelt man sich mit dem Thema "digitale Bürgerrechte" bei der FDP höchstens Sozialismusvorwürfe ein.)

    Prinzipiell ist die Idee, Grünen (und Linken) von einer extremeren Position aus Druck zu machen, valide und sehr attraktiv. Der Haken: auf lokaler Ebene wird das gut funktionieren, aber landes- und bundesweit nicht, denn da sind die organisatorischen Voraussetzungen zum Erreichen eines Mandats überproportional größer.



    Was man also zwangsläufig haben wird, ist ein organisatorischer Wasserkopf, der zu mehr als 2/3 eine fruchtlose Parteiarbeit (Bundes- und Landeskoordination) organisiert, während der "richtige und wichtige" Teil der Parteiarbeit (Politik vor Ort) sich mit Brosamen begnügen muss.

    Der nachhaltige Umgang mit Ressourcen ist halt in den Köpfen nicht drin.

    Dabei liegt die Alternative so nah.



    Außerparlamentarische Organisation ist flexibel, effizient, und ressourcenschonend:



    Ende Gelände und ähnliche Gruppen zeigen, wieviel Macht in dem Ansatz liegt.

    Und gegenwärtig ist eines vorrangig:



    Schwarz-Grün verhindern oder beenden!



    Nicht "die Grünen" in Gesamtheit sind der Gegner, sondern eine bestimmte Konstellation, und deren Protagonisten. Ein Söder nicht weniger als ein Özdemir. Eher mehr, denn internes Prozenteverschieben im "linken Lager" bringt gar nichts.

    Das vergessen die Altvorderen gern.

  • wenn dann irgentwann 20 kompromisslose mini partein an der 5% hürde scheitern bzw sie knapp überschreiten kann der gegenpart schön durchregieren.

    • @Sinulog:

      Kompromiss mit wem? Der Natur? Mit der macht man keine Kompromisse, die fährt einfach die Temperaturen hoch.

      • @LesMankov:

        es soll leute geben (häufig die steuerzahler die den ganzen spass finanzieren) die kein problem damit hätten wenn deutschland mal nicht versucht der spitzenreiter zu sein.......

  • Ich bin ja selbst Grüne-Wähler, aber auch nur aus Ermangelung an Alternativen. Die Grünen setzen viel zu stark auf Sozialpolitik, Wirtschaft und Außenpolitik. Die tun leider mehr fürs Gendern ihrer Pressemeldungen, als für die Umsetzung des Klimaschutzes.

    Klar, im Vergleich zum gezielten Nichtstun oder dem aktiven Leugnen des Problems, wie es andere Parteien betreiben machen dir Grünen noch relativ viel. Nur vergessen sie ihre einstigen Grundwerte.

    Die Tierschutzpartei und ihre Abkömmlinge haben sich leider schon durch ihre Namen zur Bedeutungslosigkeit verurteilt. Andere stehen zu weit rechts, um wählbar zu sein.

    Sollte es bald eine Partei geben, die sich wirklich vorrangig um Klima-, Umwelt- und Tierschutz kümmert, ich würde sie vermutlich wählen. Vor allem, wenn sie ihre Politik mal auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert und nicht auf der persönlichen Meinung der Minister.

    • @Cochino:

      Die Grünen setzen zu stark auf Sozialpolitik? Das ist mal eine starke Aussage. Von links ist die lauteste Kritik an den Grünen definitiv, das sie das Soziale nicht mit Klimaschutz mitdenken und so nicht zu Klimagerechtigkeit kommen. Wie will man die notwendige Umstrukturierung der Gesellschaft schaffen, ohne soziale Kämpfe untrennbar mit der Klimagerechtigkeitsbewegung zu verbinden?

      • @Andreas Maschler:

        Stimmt. Die Grünen haben ihre linke Hälfte Anfang der 90iger geschasst. Da finde ich auch nicht viel Sozialpolitik. Aber COCHINO meinte wohl eher die Wirtschaft und Außenpolitik (vermutlich der Kriegseinsatz durch Fischer im Kosovo?).



        Und von den grünen Themen sind halt nur viele Kompromisse übriggeblieben, die dann leider mehr schwarz als grün sind.

  • Was besseres kann nicht passieren. Man kann nur hoffe, dass eine echte grüne Partei dafür sorgen wird, Grünen unter Druck zu setzen von ihrem schwarz-grün Trip abzubringen, der diese ganzen sog. Kompromisse – andere nennen es Greenwashing – hervorbringt.

    • @nelly_m:

      Ja, scheiss Kompromisse. Lieber reine Lehre in der Opposition ... Und viele radikale Kleinparteien dazu... Dann gibt es wirkliche Veränderung. Ironie off.