Aktion gegen Polizisten in Niedersachsen: Brutales Ende eines Protests
Die Polizei berichtet von 60 Vermummten vor dem Haus eines Beamten. Die Aktivisten sprechen von einem Straßenkonzert und unangemessene Polizeigewalt.
Dem Polizeibericht zufolge hatte die Gruppe „gezielt das Grundstück und private Wohnhaus eines örtlichen Polizeibeamten in der Samtgemeinde Elbtalaue heimgesucht“. Durch lautstarke Stimmungsmache, Anbringen von Bannern und durch ihre Vermummung hätten die Teilnehmer versucht, dessen Familie einzuschüchtern, die allein Zuhause war.
Nach dem Eintreffen von Polizeikräften soll es zu „Handgreiflichkeiten und Widerstandshandlungen“ gekommen sein. Die Polizei erteilte Platzverweise und nahm mutmaßliche Täter in Gewahrsam. Vorausgegangen sein soll dem am Nachmittag eine friedlich verlaufene Demonstration in Gorleben. Der Ort ist als Kulminationspunkt der Anti-Atomkraft-Proteste bekannt.
Aus Sicht der Aktivisten stellt sich der Vorfall etwa anders dar. In einer Pressemitteilungen erklären sie, auf einem Wendeplatz vor dem Grundstück des betroffenen Beamten gemeinsam mit den Musikern der „Rotzfrechen Asphaltkultur“ ein Straßenmusikkonzert veranstaltet zu haben. Sie hätten die „Protestaktion gegen repressive Aktivitäten des übermotivierten Staatsschutzbeamten“ nach Eintreffen der Polizei beendet und den Platz verlassen.
Eine vermummte Hundertschaft der Polizei habe anschließend auf die abziehenden Aktivisten eingeprügelt. Auch der kritisierte Polizeibeamte sei darunter gewesen und habe als einziger Unvermummter auf am Boden liegende Aktivisten eingetreten. Die Aktivisten wären über fünf Stunden in einem Polizeikessel festgehalten worden. „Das Vorgehen der Polizei war absolut unverhältnismäßig, der Kessel in meinen Augen gesetzeswidrig“, so eine Musikerin.
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) hatte die Protestaktion scharf kritisiert. „Ich bin absolut davon entsetzt. Das ist eine unfassbare Grenzüberschreitung“, schrieb er bei Facebook. „Wenn der Name und die Adresse dieses Beamten aus Hitzacker auf einschlägigen Seiten der linksautonomen Szene veröffentlicht werden und er dann zuhause mit seiner Familie Opfer einer solchen Bedrohungslage wird, können wir das nicht hinnehmen und müssen reagieren.“
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