Akademie für neue Agrogentechnik: Gentech-Kritiker gegen Leopoldina
Die Akademie lasse in einem industriefreundlichen Paper kritische Studien weg, sagen ForscherInnen. Die EU müsse alle Gentechnik-Pflanzen prüfen.
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Die Publikationen „belegen die negativen Auswirkungen der bestehenden Gentechnik auf Umwelt und Gesundheit und geben wichtige Hinweise auf die möglichen negativen Folgen neuerer gentechnischer Verfahren“. Die EU solle ihre Vorschriften verschärfen, heißt es.
Die Leopoldina dagegen verlangt, Gentech-Pflanzen ohne spezielle Sicherheitsprüfung zuzulassen und nicht mehr zu kennzeichnen, wenn „keine artfremde genetische Information ins Genom eingeführt ist“ oder die Genkombination sich theoretisch auch auf natürliche Weise oder mittels konventioneller Züchtung ergeben könnte. Solche Pflanzen lassen sich zum Beispiel mit der Methode Crispr/Cas entwickeln, die Erbgut genauer verändern kann als ältere Gentech-Verfahren. Zu dieser Frage wird die EU-Kommission wahrscheinlich am Freitag eine Studie veröffentlichen, die die Debatte über neue Gesetze befeuern könnte.
Gerade wegen der Kennzeichnungspflicht werden in der Europäischen Union derzeit kaum Lebensmittel aus gentechnisch veränderten Pflanzen angeboten. Die meisten VerbraucherInnen lehnen solche Nahrungsmittel ab. Deshalb bauen LandwirtInnen in der EU auch nur wenig Mais an, der dank Gentechnik ein Gift gegen Schädlinge produziert.
Hilbeck und ihre KollegInnen weisen in der Studie vor allem das Argument der Leopoldina zurück, dass die neue Gentechnik dazu beitragen könne, den Hunger auf der Welt zu bekämpfen und Pflanzen an den Klimawandel oder Krankheiten anzupassen. Die Akademie nannte über 100 Pflanzen der neuen Gentechnik wie Mais, der besser mit Trockenheit klarkomme. „Diese Pflanzen befinden sich jedoch in frühen, explorativen Forschungsstadien“, so die KritikerInnen. Selbst in den USA, die ein vergleichsweise laxes Zulassungsverfahren haben, seien bisher nur zwei Pflanzen der neuen Gentechnik auf dem Markt, obwohl Crispr/Cas bereits 2012 entwickelt wurde. Bei einer handele es sich um einen Pestizid-toleranten Raps.
Molekularbiologe weist Vorwürfe zurück
Es seien keine Ertragssteigerungen aufgrund der Gentechnik nachgewiesen worden. Überhaupt würden Hungersnöte eher beispielsweise durch Gewalt und Armut als durch zu geringe Ernteerträge verursacht. Die AutorInnen argumentieren ebenfalls, dass die Technik eine umweltschädliche Landwirtschaft etwa mit Monokulturen erleichtere. Zudem sei die neue Gentechnik anders als traditionelle Züchtungsmethoden, da sie auch Regionen des Genoms verändert, die normalerweise vor Mutationen geschützt sind. Unbeabsichtigte Effekte seien dokumentiert.
Die Leopoldina-Stellungnahme spiegele „keinen wissenschaftlichen Konsens“ wider, so die ForscherInnen. Hilbeck räumte auf taz-Nachfrage ein, dass nur wenige WissenschaftlerInnen die Agrogentechnik kritisierten. Das liege aber vor allem daran, dass die BefürworterInnen der Methoden größere Finanzressourcen hätten als die GegnerInnen.
Holger Puchta, Co-Autor der Leopoldina-Studie, wies den Vorwurf zurück, sein Team habe wissenschaftliche Belege „vorsätzlich nicht berücksichtigt“. „Ganz im Gegenteil, wir haben uns natürlich auf Studien beschränkt, über deren Seriosität bei der ganz großen Mehrheit der Forschenden weltweit Einigkeit herrscht“, schrieb der Molekularbiologe der taz.
Anmerkung der Redaktion: Wir haben korrigiert, dass der in der EU angebaute gentechnisch veränderte Mais nicht Behandlungen mit Unkrautvernichtungsmitteln überlebt, sondern ein Gift gegen Schädlinge produziert.
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