piwik no script img

Agrarwende-Demo in Berlin20.000 gegen die Agrarindustrie

Bauern und Verbraucher gingen am Samstag für eine ökologische Landwirtschaft und gesunde Lebensmittel auf die Straße. Derweil berieten Agrarminister aus aller Welt über die Ernährungssicherung.

Zwei Demonstrantinnen, die sich selbst antun, was sonst der Mensch mit dem Huhn so macht. Bild: dpa

BERLIN taz | An der ersten deutschen Großdemonstration gegen die Industrialisierung der Landwirtschaft haben überraschend viele Menschen teilgenommen. Die Veranstalter zählten nach eigenen Angaben 22.000 Demonstranten bei der Veranstaltung am Samstag in Berlin. Die Polizei dagegen meldete 15.000 Teilnehmer. Beide Zahlen waren also mindestens dreimal höher als die 5.000 Demonstranten, die von den Organisatoren angemeldet worden waren.

Mehr als 120 Bauern-, Umwelt- und Tierschutzgruppen hatten dazu aufgerufen, unter dem Motto "Wir haben es satt" gegen Gentechnik, Tierfabriken und Dumping-Exporte von Nahrungsmitteln zu protestieren. Der taz-Verlag war einer der Medienpartner. Anlass der Demonstration war die Konferenz von Landwirtschaftsministern aus etwa 50 Ländern am Rande der Agrarmesse Grüne Woche in Berlin (siehe Bericht unten).

"Der aktuelle Dioxinskandal macht den Reformstau in der Landwirtschaftspolitik schlagartig deutlich", sagte der Vorsitzende des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND), Hubert Weiger, bei der Abschlusskundgebung vor dem Brandenburger Tor. Dass Fleisch und Eier stärker als erlaubt mit dem giftigen Dioxin belastet wurden, sei nicht nur die Schuld einzelner Krimineller. "Es ist die Gier des Systems, die hinter den Skandalen steht." Ohne eine Wende der Agrarpolitik zu einer ökologischen und bäuerlichen Landwirtschaft werde die Bundesregierung "schon beim nächsten Lebensmittelskandal" wieder ins Schlingern geraten. "Wir haben es satt, dass wir nicht mehr wissen, was wir essen."

Damit traf er den Nerv der Demonstranten, die augenscheinlich vor allem dem grünen, gern Treckingjacken tragenden Bürgertum und weniger dem radikal linken Milieu entstammten. Schwarz gekleidete Autonome fehlten bei der Abschlusskundgebung genauso wie die Senioren, die auf der Grünen Woche Volksfestatmosphäre suchen. Dafür kamen umso mehr elegant geschminkte Mittdreißigerinnen mit ihren Kleinkindern, Biobauern samt Familie und Traktor - rund 70 Schlepper waren unterwegs - und Mitglieder von Bürgerinitiativen, die sich gegen Hunderte geplante Großställe in ihren Heimatregionen wenden.

Zwar mischten sich etwa 30 Rechtsextreme laut Polizei auf dem Weg vom Hauptbahnhof zum Brandenburger Tor mit einem Transparent "Wir haben es satt! Dem Schächten ein Ende setzen" unter die Menge. Die Sicherheitskräfte trennten nach eigener Darstellung die Rechtsradikalen jedoch vom Aufzug, nachdem diese Angehörigen der linken Szene mit Gewalt gedroht hatten. Insgesamt sei die Demonstration friedlich verlaufen.

Nach der Kundgebung begann auf der Bühne vor dem Brandenburger Tor das "Rock for Nature"-Konzert mit einer Rede von Grünen-Fraktionschefin Renate Künast. Sie griff auch Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) an. "Wo ist der eigentlich? Wann sagt er endlich, dass sich Deutschland für eine Agrarwende einsetzt?", fragte Künast. Röttgen sei seit Bekanntwerden des Dioxinskandals untätig geblieben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • SL
    Simone Leunig

    Der Bericht war für die taz, echt Blass und Aussagelos.

    Habt Ihr da ein/e Praktikanten/ in ran gelassen?

    Die die Nacht danach, auch noch durchgemacht hat?

     

    Danke auch noch mal an die Antifaschisten/innen.

    Ich selber habe davon nichts mitbekommen,da ich mit als letztes ging.

    Als die Polizei an mir vorbei rannte, fragte ich mich, was da vorne los sei.

     

    Ich bin zwar nicht Schwarz gekleidet, habe aber Zivilcourage und hätte ich es gewusst, hätte ich

    mich, als 40Jährige,mit Naturschminke bemalte, seid 25 Jahren fast Veganerin

    (selten Ei und Milch) und aktive Tierschützerin Unterstützungsfläche angeboten.

     

    Und ich kann Veranstalter nicht verstehen, die wegsehen.

     

    Biologisch ist gut!

    Auch für die Fleisch Bauern.

    Und ich glaube, das wir es auch Vegan hin bekommen würden-wenn wir es wollten.

     

    Aber da das für die meisten der Bevölkerung, im Bereich der Unvorstellbaren Dinge liegt.

    Wäre die Mindestforderung Umstellung auf Biologische Landwirtschaft.

    Nicht gleich Demeter Qualität, aber „Euromindestbiosiegel“ Landwirtschaft wäre machbar und sinnvoll, für alle Beteiligten Lebewesen!

    Und ganz klar esst weniger Fleisch und gebt dafür das gute Geld den guten Bio Fleisch Bauern.

    200gr.Fleisch isst durchschnittlich jeder, empfohlen ist weniger als die Hälfte.

     

    Aber meine Predigt ist„Eulen nach Athen tragen“,

    das weiß natürlich jede/r Tazleser/in ;-)

  • HJ
    Humbuger Jung

    Echt erstaunlich, daß sowohl über diese Demo, als auch über die Anti-BBI-Fluglärm Demo nichts auf Spiegel-online zu finden ist.

     

    Da gehen über 30.000 Leute auf die Straße und überregional interessiert es keinen???

     

    Shame on you, SPIEGEL!

     

     

    Allerding muss ich auch dem "peterle" recht geben, da ich doch wesentlich intensivere Berichterstattung von einem "Medienpartner" erwartet hätte.

     

    Was war den da los taz? Zu lange feiern gewesen auf der After-Demo-Party?

  • R
    René

    Fleischkonsum reduzuieren? JA!

    Auf Fleisch gämzlich verzichten? Nein!

     

    Würden (rein hypothetisch) alle Menschen der Welt vegetarisch oder gar vegan leben, gäbe es eine ganze Reihe von Problemen:

    1.) Viele kleine Höfe würden zugrunde gehen, da die Pflanzenproduktion nunmal weniger abwirft. Das trifft vor allem kleine bäuerliche Betriebe mit Direktvermarktung und artgerechter Tierhaltung. Diese Höfe zu vernichten kann imo nicht das große Ziel sein.

    2.) Verlust von ökologisch wertvoller Fläche. Wir Menschen können uns nicht von Gras ernähren. Ohne Rinder, Schafe o.ä. wäre Dauergrünland maximal für Biogasanlagen zu gebrauchen. Dafür müsste es aber wesentlich intensiver bewirtschaftet werden (min. 4 Schnitte/Jahr). Viele ökologisch sehr hochwertige Flächen (vor allem biologisch bewirtschaftetes Dauergrünland) würden Weidelgraswüsten weichen. Das kann ebenfalls nicht das große Ziel sein.

    3.) Gesundheitliche Probleme. Ja, ich weiß, dass sogar LeistungssportlerInnen ohne gesundheitliche Probleme vegan leben können. Dennoch ist es ohne ausgewogenen Ernährungsplan relativ schwer, z.B. den Eisenbedarf bei schwerer körperlicher Arbeit zu decken (nicht unmöglich, aber schwer).

    4.) Verlust von Bindung zur Natur für Kinder. Auch wenn das in der Großstadt weniger ein Thema sein mag: Auf dem Land, wo es noch kleine bäuerliche Betriebe mit Weidehaltung gibt, ist das durchaus relevant. In unserer Gesellschaft entfremden sich die Kinder zusehens von der Natur. Dies zusätzlich dadurch zu fördern, dass Kinder noch schwerer Kontakt zu Tieren bekommen, halte ich für keinen sinnvollen Weg. Wir schützen nur das, was wir kennen. Kinder, die fern von der Natur aufwachsen, werden sich wohl nie zu großen UmweltschützerInnen entwickeln.

     

    In diesem Sinne: Bauernhöfe statt Agrarfabriken, weniger Fleischkonsum. Eine komplett vegane Gesellschaft ist keine sinnvolle Alternative.

  • SJ
    Sandra Janssen

    Hunderte von VeganerInnen waren ebenfalls dabei. Sie liefen in einem eigenen Block mit aufwändigen Transparenten, Fahnen und Schildern. Klar, dass die noch fleischessenden JournalistInnen darüber kein Sterbenswörtchen verlieren? Denn Bio-Landwirtschaft ist ja so schön gewissensberuhigend?!

    Doch auch für Bio-Eier müssen Küken sterben, für Bio-Milch werden Kälber getötet und auch "Milchkühe" landen im Schlachthaus - und zwar in einem Moment, wo sie selbst noch Kuh-Jugendliche sind.

    Aber diese selektive Berichterstattung motiviert die VeganerInnen und TierrechtlerInnen um so mehr!

  • P
    peterle

    ein dpa-Bild aus dem Sommer und ein paar nichtssagende Sätze - na, wer einen solchen Medienpartner hat, der braucht keine Feinde...

  • V
    Veggie-Jakobiner

    Tod dem Faschismus! Faschisten an Renate ausliefern.

    http://www.youtube.com/watch?v=eytpV73H-qQ

     

     

    Schadet nicht, wenn "elegant geschminkte Mittdreißigerinnen" die treibende Kraft einer Bewegung gegen die Tierfabriken, die Leichenfresser und ihrer willigen Pfaffen wären. Abgesehen davon, dass sie ohnehin nicht bereit sind, gegen die Verhältnisse zu kämpfen, sondern sich nur an die Spitze setzen,um die Bewegung möglichst schnell in die Niederlage zu führen, kann grünes Dörrfleisch wohl kaum der Glaubwürdigkeit der Sache nutzen.

     

    Leider ist das Thema nicht so nebensächlich wie die Schminke der Demonstrantinnen, so dass man es z.B. Frau Göring-Eckhardt (der Teufel hat viele Name) kampflos überlassen sollte, auch wenn ihr Kommentar im Berliner Tagesspiegel vom Freitag den in der gleichen Ausgabe beworbenen Fleisch-Sonderangeboten durchaus an Qualität entspricht. Sie fordert doch tatsächlich frech von der Gemeinde:

    Ein fleischfreier Tag die Woche!

     

    Muss man nicht befürchten, dass Frau Göring-Eckhardt sich in geradezu Käßmannscher Manier (Wein, Wasser, Margot) hauptsächlich von Gänsestopfleber ernährt, wenn sie ein bisschen gegen den Konsum von Tier-kadavern predigt?

    Es geht hier nicht daraum, ob man z.B. persönlich eine Vorliebe für oder gegen elegante Schminke (oder Rauchen) hat, sondern ob man kampflos eine Welt hinnehmen will, die letztendlich in Güllelagunen absaufen wird, weil eine völlig verrottete Gesellschaftsordnung das grundsätzlich immer ungesunde Qual-Fleisch industriell gezüchteter Horror-Mutationen an seine Mitglieder verfüttert, die dies auch noch für eine Lust halten sollen.

     

    Den Wahnsinn jetzt angreifen: Fleischboykott!

  • HP
    Henning Papendorf

    Wenn wir nicht endlich aufhören, uns über den Umweg Tier zu ernähren, was ein vielfaches (7-fach) an landwirtschaftlicher Fläche vergeudet und somit direkt in den Hungertod von zig-Millionen Menschen führt, und solange wir Nahrungsmittel entsprechend der Menge der Ernährung für drei Milliarden Menschen vernichten, und solange wir Konfliktlösungen nicht auf der Basis von Mitgefühl und Liebe - so wie wir unsere eigenen Kinder behandeln würden - sondern auf der Basis von Gewalt/Waffen und Rendite/Geld versuchen herzustellen, werden Menschen weiter hungern und leiden.

    Aber die Zeit der Ungerechtigkeit und der Ungleichverteilung des Reichtums der Erde geht zu Ende.....

  • P
    pauls

    Hauptsache ihr glaubt alles, was die Ankündigungs-Ministerin Aigner verzapft.

  • W
    WhiskeyBernd

    Wer soll das der Künast bitte glauben?!

    http://www.youtube.com/watch?v=eytpV73H-qQ

  • WB
    Wolfgang Banse

    Tierhaltung JA-Massentierhaltung NEIN

    Die Landwirtschaft befindet sich im einem fortwährenden Anpassungsprozess,die mit der herkömmlichen Landwirtschaft nicht mehr im Einklang zubringen ist.

    Massentierhaltung hält immer mehr verstärkt seinen Einzug.Masse statt Klasse ist angesagt.Auch Tiere sind Geschöpfe und sie sollten es in ihrem oft kurzen Leben auch erfahren.

    Ja zur Landwirtschaft,ein klares NEIN zu Agrarfabriken und Massentierhaltungen.

    Wolfgang Banse

  • GT
    Gegen Tierausbeutung

    Schade, dass in den meisten Medien erstens die circa 40 Neonazis, die die Großdemo für ihre Zwecke misbrauchen wollten und zweitens die mindestens 100 couragierten Antifaschist_innen, die dafür sorgten, dass eben diese nach wenigen Metern aus der Demo gedrängt wurden mit keinem Wort erwähnt werden.

    Dass es außerdem überwiegend Anhänger_innen des AntiSpe bzw. Tierbefereier_innen Blocks waren, die sich entschlossen dagegen zur Wehr setzten gemeinsam mit Faschisten zu demonstrieren, halte ich für nicht weniger erwähnenswert. Scheinbar ist es aber vielen Menschen egal, wenn Neonazis auf solchen Veranstaltungen so tun als wären sie legitime Demokraten mit dem Recht ihre volksverhetzende Propaganda "unauffällig" in die Bevölkerung zu tragen. So wurden die Antifaschist_innen teilweise dafür angepöbelt, dass sie doch die Demo nicht stören sollten usw.

    Immerhin, von einem Lautsprecherwagen kam ein Dankeschön an "die Jungs von der Antifa", die allerdings gar nicht alle Jungs, sondern eben auch viele Mädels waren. Dabei wollten die Veranstalter, auf die Anwesenheit der Neoazis aufmerksam gemacht, zu Beginn der Demo gar nichts gegen die "nationalen Sozialisten" unternehmen.

    So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass die zugegebenrmaßen überwiegend schwarz tragenden Menschen pauschal als "die Antifa" bezeichnet wurden und somit Antifaschiusmus einer Randgruppe überlassen wird. Aus meiner Sicht sollten sich allerdings alle Menschen daran beteiligen Faschismus entschlossen zu bekämpfen, denen etwas an unserer Demokratie (uns somit z.B. auch dem Demonstrationsrecht) liegt. Diese Menschen sind nämlich gegen freie Meinungsäußerung und gegen Vielfalt (es sei denn als Argument dafür selber demonstrieren zu dürfen).

    In diesem Sinne: Keinen Fußbreit den Faschisten - Nie wieder Deutschland!